Finale

Der Rest der Welt

Urs ist mein neuer Arbeitskollege. In der zweiten Woche nannte er mich schon »Schweinchen Dick«. Foto: dpa

Finale

Der Rest der Welt

»Schweinchen Dick« und »Ekelbart«: So einfach sind Männerfreundschaften

von Beni Frenkel  19.11.2020 12:44 Uhr

Wie entstehen Freundschaften unter Frauen? Keine Ahnung, woher soll ich das wissen? Ich denke aber, Frauen finden sich dann sympathisch, wenn sie über gleiche Themen gleiche Meinungen haben und auf den gleichen Prosecco stehen.

Mehr Ahnung habe ich, wie Männerfreundschaften starten. Urs ist mein neuer Arbeitskollege. In der zweiten Woche nannte er mich schon »Schweinchen Dick«. Ich rufe ihn seitdem »Ekelbart«.

ROTWEIN Seit ein paar Wochen sitzen wir regelmäßig in der Kneipe und trinken Bier. Einmal bestellte Urs eine Flasche Roten. Als er mir einschenken wollte, schüttelte ich den Kopf. Ich darf keinen unkoscheren Wein mit Nichtjuden trinken, erklärte ich ihm. Weil das sonst zu unschönen Geschichten führen könnte.

Urs ist vom Typ nicht so der Diplomat. Er fragte mich: »Was ist denn das für eine blöde Religion?« Ich war schon zu betrunken, um ihm die Schönheit des Judentums zu erklären. Ich sagte ihm dann nur, er soll sein Maul halten.

Ich war schon zu betrunken, um Urs die Schönheit des Judentums zu erklären. Ich sagte ihm nur, er soll sein Maul halten.

Das Schöne an Männerfreundschaften ist, dass solche Erlebnisse unwichtig sind. Trotzdem war ich am nächsten Morgen sehr erleichtert, als er mich wieder »Schweinchen Dick« nannte. Ich sagte ihm, dass ich nächste Woche Koscherwein mitbringe. Urs zuckte nur mit den Schultern: »Was ist das?«

Ich erklärte ihm, dass es sich bei diesem Getränk um heiligen Wein handelt, der häufig abgekocht wird. Damit auch Nichtjuden die Flasche berühren dürfen. Er schüttelte den Kopf: »Abgekochter Wein?«

koscherladen Ich ging am Abend in den Koscherladen um die Ecke. »Haben Sie einen Koscherwein, den auch Nichtjuden mögen?«, fragte ich den Verkäufer mit langem Bart. Er überlegte. Dann griff er nach einer 50-Euro-Flasche. Ich schluckte. So einen teuren Wein habe ich noch nie getrunken. Ich bezahlte die Flasche und kaufte noch ein Glas Gefilte Fisch. Der Fisch sah aus wie aufgeweichtes Hirn.

In der Nacht konnte ich nicht einschlafen. Was, wenn Urs den Wein nicht mag und sich vor dem Gefilte Fisch ekelt? Sind wir dann noch immer Freunde? Irgendwann schlief ich doch ein. Am nächsten Tag guckte ich ständig auf die Uhr. Wann ist endlich Feierabend? Als alle gegangen waren, sagte ich zu Urs: »So, Ekelbart, jetzt trinken wir Koscherwein und essen Gefilte Fisch.«

Ich holte zwei Gläser aus der Kantine. Urs füllte sich das Glas halb auf. Dann nippte er, trank – und goss sich zum zweiten Mal ein, diesmal voll.
»Guter Tropfen, Schweinchen Dick, schmeckt gar nicht schlecht. Aber das Hirn im Glas kannst du selbst essen.« Ich jubelte innerlich. Urs bleibt mein Freund.

Film

Spannend, sinnlich, anspruchsvoll: »Der Medicus 2«

Nach zwölf Jahren kommt nun die Fortsetzung des Weltbestsellers ins Kino

von Peter Claus  25.12.2025

ANU-Museum Tel Aviv

Jüdische Kultobjekte unterm Hammer

Stan Lees Autogramm, Herzls Foto, das Programm von Bernsteins erstem Israel-Konzert und viele andere Originale werden in diesen Tagen versteigert

von Sabine Brandes  25.12.2025

Menschenrechte

Die andere Geschichte Russlands

»Wir möchten, dass Menschen Zugang zu unseren Dokumenten bekommen«, sagt Irina Scherbakowa über das Archiv der von Moskau verbotenen Organisation Memorial

 25.12.2025

Rezension

Großer Stilist und streitbarer Linker

Hermann L. Gremliza gehört zu den Publizisten, die Irrtümer einräumen konnten. Seine gesammelten Schriften sind höchst lesenswert

von Martin Krauß  25.12.2025

Glastonbury-Skandal

Keine Anklage gegen Bob-Vylan-Musiker

Es lägen »unzureichende« Beweise für eine »realistische Aussicht auf eine Verurteilung« vor, so die Polizei

 24.12.2025

Israel

Pe’er Tasi führt die Song-Jahrescharts an

Zum Jahresende wurde die Liste der meistgespielten Songs 2025 veröffentlicht. Eyal Golan ist wieder der meistgespielte Interpret

 23.12.2025

Israelischer Punk

»Edith Piaf hat allen den Stinkefinger gezeigt«

Yifat Balassiano und Talia Ishai von der israelischen Band »HaZeevot« über Musik und Feminismus

von Katrin Richter  23.12.2025

Los Angeles

Barry Manilow teilt Lungenkrebs-Diagnose

Nach wochenlanger Bronchitis finden Ärzte einen »krebsartigen Fleck« in seiner Lunge, erzählt der jüdische Sänger, Pianist, Komponist und Produzent

 23.12.2025

Hollywood

Timothée Chalamet – der neue Leonardo DiCaprio?

Er gilt aktuell als einer der gefragtesten Schauspieler. Seine Karriere weckt Erinnerungen an den Durchbruch des berühmten Hollywood-Stars, der ihm einen wegweisenden Rat mitgab

von Sabrina Szameitat  22.12.2025