Finale

Der Rest der Welt

Kann jemand für mich beten? Foto: Getty Images/iStockphoto/Edward Shtern

Ich bin seit fast vier Monaten nicht mehr in die Synagoge gegangen. So schrecklich, wie sich das jetzt anhört, ist es aber nicht. Ich bete jetzt einfach zu Hause und gegen die Wand.

Was ich in der Synagoge nie mochte, entfällt nun ganz: die vielen Stellen im Gottesdienst, an denen sich die Gemeinde erheben muss. Sei es für ein Kaddisch, für das Ausheben der Tora – oder weil es halt so im Siddur steht. Ich bete jetzt nur noch im Sitzen und erlebe eine ganz neue Dimension der Gottesannäherung.

Schabbat Ich bekomme jede Woche eine E-Mail von der Gemeinde. Wer am Schabbat in die Synagoge kommen möchte, solle sich eintragen. Die Anzahl der Beter ist aber beschränkt.

Jede Woche vollbringe ich eine gute Tat und überlasse meinen Platz jemand anderem. Zum Glück sind nicht alle so wie ich. Als der Schweizer Bundesrat die Gottesdienste – unter Auflagen – wieder zuließ, wurden in einem Bethaus fünf Minuten nach Mitternacht zehn Männer zusammengetrommelt.

Aber auch in der schlimmsten Phase des Lockdowns gab es in Zürich immer Gottesdienste mit dem nötigen Quorum. In einem Wohnhaus traten einfach alle Männer auf den Balkon und beteten laut bis sehr laut. Die nichtjüdischen Nachbarn werden entweder Freude gehabt oder eine Mietminderung verlangt haben. Meine Nachbarn beschweren sich nie bei uns. Ich bete nämlich leise und schnell.

Minuten Manche Seiten im Gebetbuch lese ich quer, andere überfliege ich. Das Morgengebet dauert fünf bis zehn Minuten. Wenn ich so weiter mache, brauche ich nicht länger als andere für ihr Vaterunser.

Manchmal beschleicht mich so ein Gefühl, ich glaube, man nennt es schlechtes Gewissen. Zehn Minuten für Schacharit am Schabbat? Korrekt ist das nicht, ich weiß.

Normalerweise geht der Gottesdienst am Schabbat drei lange Stunden. Nicht eingeschlossen die Rede des Rabbiners. Aber dann schlafe ich eh. In einem religiösen Blättchen fand ich vergangene Woche ein Rezept gegen mein schlechtes Gewissen.

Schidduchim Eine Person ohne Namen gab eine Annonce auf: »Bete für Sie gegen Bezahlung. Periodisch oder einmalig. Für Schidduchim oder Refua.« Schidduchim sind Heiratsanträge, Refua ist medizinische Heilung. Ich brauche beides nicht, jedenfalls momentan nicht.

Aber ich rufe die Person in Israel mal an und frage, ob sie einfach nur so für mich beten könnte. 200 Schekel pro Woche finde ich ein faires Angebot. Oder haben Sie Interesse daran? 50 Euro pro Woche – Deal?

Musik

Yuval Weinberg wird Chefdirigent des Rundfunkchors Berlin

Ab der Spielzeit 2028/29 übernimmt der Israeli auch die Position des Künstlerischen Leiters

 31.10.2025

Bochum

Peter-Weiss-Preis geht an Regisseurin Yael Ronen

Die Preisträgerin nutze Kunst als Instrument gesellschaftlicher Aufklärung, erklärte die Jury

 30.10.2025

Geheimnisse & Geständnisse

Plotkes

Klatsch und Tratsch aus der jüdischen Welt

von Bettina Piper, Imanuel Marcus  30.10.2025

Hollywood

Gegenwind für Boykotteure

Wie anti-israelische Kampagnen die Filmindustrie in den USA spalten

von Jana Talke  30.10.2025

Kulturkolumne

Motty Goldman sei Dank!

Meine Mutter ist mir nicht mehr peinlich

von Maria Ossowski  30.10.2025

Programm

Termine und TV-Tipps

Termine und Tipps für den Zeitraum vom 30. Oktober bis zum 6. November

 30.10.2025

Ehrung

Demokratiepreis für Graphic Novel über Schoa-Überlebende

Die Schoa-Überlebenden Emmie Arbel gewährte Zeichnerin Barbara Yelin vier Jahre lang Einblicke in ihr Leben

 30.10.2025

Analyse

Psychiater Otto Kernberg: Dieses Symptom verbindet Trump und Putin

von Anita Hirschbeck  29.10.2025

Wittenberg

Judaistin kuratiert Bildungsort zur Schmähplastik

Die Darstellung der sogenannten »Judensau« an der Wittenberger Stadtkirche, der früheren Predigtkirche des Reformators Martin Luther (1483-1546), gehört in Deutschland zu den bekanntesten antisemitischen Darstellungen des Mittelalters

 29.10.2025