Finale

Der Rest der Welt

Fremde lassen wir sowieso nicht mehr in die Wohnung. Foto: Getty Images / istock

Finale

Der Rest der Welt

Schwierige Zeiten oder Hoffentlich klopft der Messias nicht bei uns

von Beni Frenkel  02.04.2020 14:02 Uhr

Auf etwas bin ich stolz, und das ist die Vitrine im Wohnzimmer. Sie ist gefüllt mit jüdischem Nippes. Kerzenständer, Etrog-Büchse, Chanukkia und so weiter. Damit meine Schätze nach mehr aussehen, habe ich dahinter zwei Spiegel angebracht. Besucher stehen fasziniert vor der Vitrine und machen »Ah« und »Oh«.

Geschirr Auch in puncto Pessach-Zubehör fehlt es uns an nichts. Ich will nicht prahlen, aber unsere Sederschüssel sieht wunderschön aus. Wir haben ein 128-teiliges Geschirrset von der einen Uroma und Trinkgläser von der anderen Uroma. Was mir allerdings noch fehlt, ist ein schöner »Kos schel Elijahu«.

Das ist ein Pokal, der an den Pessachabenden auf dem Esstisch steht. Er ist trinkbereit für den jüdischen Messias, wenn er nach 2000 Jahren Verheißung plötzlich vor der Tür steht und Traubensaft trinken will.

Silberpokal Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass er ausgerechnet bei mir klopft? Ich hoffe, niedrig. Denn ich habe keinen richtigen »Kos schel Elijahu«. Seit Jahren suche ich nach einem günstigen Silber­pokal. Vergebens. Wir benutzen deswegen immer eine Blumenvase als »Kos schel Elijahu«. Vor drei Wochen hingegen habe ich auf eBay einen versilberten Pokal ersteigert.

Es handelt sich um einen Schützenpokal mit der Inschrift »Rigi-Schießen 1947, 7. Platz«. Darunter sieht man einen Schützen mit Karabiner. Ich habe den Becher ersteigert, weil ich es sympathisch finde, dass nicht nur der Sieger, sondern auch der Siebtbeste einen Preis gewinnt. Aber so richtig glücklich bin ich mit dem Pokal nicht.

Ein richtiger Messias-Becher sieht nämlich anders aus. Jüdische Symbole umranken den Becher, und eine Inschrift verspricht: »Schütte deinen Zorn auf die Nichtjuden«. Natürlich nur auf die Nichtjuden, die uns verfolgen, nicht auf den sympathischen Türken im Quartier, der so günstigen Fisch verkauft.

Dellen Ich bin mir noch nicht sicher, ob ich den »Rigi-Schießen«-Pokal an Pessach auf den Sedertisch stellen werde. Der Pokal, er war günstig, aber ist hässlich, das sieht ein Blinder. Er hat Dellen und Rostflecken, die ich bis jetzt nicht wegbekommen habe.

Ich persönlich würde nie aus diesem Pokal trinken. Dann lieber aus der Blumenvase. Andererseits leben wir in schwierigen Zeiten. Ich will nicht nochmal einen »Kos schel Elijahu« ersteigern.

Ich hoffe einfach, dass der Messias nicht bei uns klopft. Fremde lassen wir sowieso nicht mehr in die Wohnung.

Ausstellung

Die Schocken-Show

Das Jüdische Museum Berlin ehrt den Unternehmer und Verleger Salman Schocken dank eines Stars der US-Literatur

von Sophie Albers Ben Chamo  19.06.2025

Kulturkolumne

Zwischen Kotel und Kotti

Wie KI unseren Autor berühmt machte

von Eugen El  19.06.2025

FU Berlin

Sparmaßnahmen an Berliner Hochschulen treffen wohl auch Judaistik

An der Freien Universität ist unklar, ob eine Professur neu besetzt wird.

 19.06.2025

Fürth

Jüdisches Museum sucht geraubte kleine Dame

Man werde für eine Suchaktion an alle bekannten Kunstgalerien Flyer schicken und eine Anzeige in einer überregionalen Tageszeitung aufgeben

 18.06.2025

Sachbuch

Zweistaatenlösung, erster Versuch

Oren Kessler zeigt, wie sich bereits 1936 ein Grundmuster des Konflikts zwischen Israelis und Palästinensern herausbildete

von Ralf Balke  18.06.2025

Zahl der Woche

8. Platz

Fun Facts und Wissenswertes

 18.06.2025

Programm

Termine und TV-Tipps

Termine und Tipps für den Zeitraum vom 19. Juni bis zum 26. Juni

 18.06.2025

Berlin

Erste Ausstellung über den Architekten Ossip Klarwein

Präsentiert werden mehr als 100 Entwürfe und Modelle, darunter ikonische Bauten des 1933 nach Palästina geflohenen jüdischen Architekten

 17.06.2025

Nachruf

Chronist einer ganzen Epoche

Michel Bergmann war ein Schriftsteller, der viele Genres beherrschte

von Ellen Presser  17.06.2025