Glosse

Der Rest der Welt

Gefühlte 39 Grad und die letzte Staffel von »Friends« Foto: Getty Images / istock

Glosse

Der Rest der Welt

Es ist Herbst. Ich habe Husten, Schnupfen und Betriebsausflug

von Shira Silberstein  24.09.2019 12:58 Uhr

Mir geht’s gar nicht gut. Ich habe so ein Ziehen im Hüftbereich, ich glaube, mein Ischias meldet sich wieder! Auch habe ich so ein fieses Pochen im linken Unterkiefer: eine eitrige Wurzel-Entzündung? Und ich fühle mich so fiebrig und schwach.

Dokumente Jeden Morgen schleppe ich mich praktisch auf allen vieren ins Büro, wanke hustend und schniefend am Schreibtisch meines Chefs vorbei, damit er bemerkt, dass ich wirklich überhaupt nicht fit bin, aber er schüttelt nur den Kopf, rollt mit den Augen und vertieft sich wieder in seine Dokumente. Denn er weiß: In wenigen Tagen ist der jährliche Team-Building-Betriebsausflug, und alle wollen sich davor drücken.

Ist ja auch kein Wunder. Jedes Jahr denkt sich mein Chef eine neue Tortur aus: Adventure-Climbing, Rafting, Paintball, Escape Room: Haben wir alles schon hinter uns, und es ist jedes Mal eine Qual! Denn ich habe Höhenangst, Platzangst, bin ex­trem wasserscheu und außerdem eine Luxuspflanze.

Hundehaare Na und? Ich stehe nun mal nicht auf die miefigen Absteigen, in denen wir untergebracht werden. Ich hasse es, aus Kostengründen jedes Mal in den mit Hundehaaren übersäten Kleinbus meines kettenrauchenden Chefs gepfercht zu werden, wobei ein gewisser Kollege jedes Mal seine hausgemachten Fischbrötchen auspackt. Da würde ich am liebsten mitten auf der Autobahn die Tür öffnen und rausspringen!

Dieses Jahr wird alles noch einen Tick schlimmer! Denn die größte Zickenkollegin ist aus dem Mutterschutz zurück, und sie bringt ihr Baby mit. Dazu den Maxi-Cosi, das Baby-Reisebett, jede Menge Pampers, den Babybrei-Kocher und ihren Ehemann! Sodass es dieses Jahr richtig eng werden wird und ich endgültig auf den hintersten Rücksitz des Chef-Transporters verbannt werde, wo ich mir den Platz mit dem Chef-Labrador werde teilen müssen, denn der Hundesitter ist an diesem Wochenende beschäftigt.

Dieses Jahr wird alles noch einen Tick schlimmer! Denn die größte Zickenkollegin ist aus dem Mutterschutz zurück, und sie bringt ihr Baby mit.

Tischkalender Verzweifelt zähle ich auf meinem Tischkalender die Tage bis zur Abfahrt. Noch eine Woche! Ob ich ein gebrochenes Bein vortäusche? Bestimmt gibt’s bei eBay Fake-Gipsverbände speziell für solche Zwecke. Oder ich erzähle allen, dass ich eine Wurmkur mache, und lasse die entsprechenden Tabletten auf dem Schreibtisch herumliegen! Das wird die anderen so abtörnen, dass sie mich bis auf Weiteres aus dem Büro verbannen!

Plötzlich kommt ein Anruf von der Zickenkollegin: Die gesamte Kleinfamilie liegt mit fiebriger Erkältung darnieder und muss leider für den Betriebsausflug absagen! Gerade will ich auf meinen Schreibtisch klettern und dort einen Freudentanz aufführen, da wird mir auf einmal irgendwie flau. Meine Stirn ist heiß.

Hypochonder Als Hypochonder habe ich immer ein Fieberthermometer in der Schreibtischschublade: Ich bin krank! Auch mein Chef sieht etwas grün im Gesicht aus, die anderen Kollegen hängen ebenfalls entkräftet über ihren Tischen. Da geht wohl irgendetwas rum!

Ich verabschiede mich nach Hause, in mein Bett, bin dort telefonisch erreichbar, aber bitte lange klingeln lassen, denn ich muss mir heute noch die letzte Staffel von Friends reinziehen! Wiedersehen!

Literatur

Königin Esther beim Mossad

John Irvings neuer Roman dreht sich um eine Jüdin mit komplexer Geschichte

von Alexander Kluy  04.12.2025

Geheimnisse & Geständnisse

Plotkes

Klatsch und Tratsch aus der jüdischen Welt

von Katrin Richter, Imanuel Marcus  04.12.2025

Kulturbetrieb

»Wie lange will das politische Deutschland noch zusehen?«

Der Bundestagskulturausschuss hörte Experten zum Thema Antisemitismus an. Uneins war man sich vor allem bei der Frage, wie weit die Kunstfreiheit geht

von Michael Thaidigsmann  04.12.2025

Show-Legende

Mr. Bojangles: Sammy Davis Jr. wäre 100 Jahre alt geworden

Er sang, tanzte, gab den Spaßmacher. Sammy Davis Jr. strebte nach Erfolg und bot dem Rassismus in den USA die Stirn. Der Mann aus Harlem gilt als eines der größten Showtalente

von Alexander Lang  04.12.2025

Preisvergabe

Charlotte Knobloch kritisiert Berichterstattung von Sophie von der Tann

Dass problematische Berichterstattung auch noch mit einem Preis ausgezeichnet werde, verschlage ihr die Sprache, sagt die Präsidentin der IKG München

 04.12.2025

Philosophie

Drang zur Tiefe

Auch 50 Jahre nach ihrem Tod entzieht sich das Denken Hannah Arendts einer klaren Einordnung

von Marcel Matthies  04.12.2025

Zahl der Woche

2 Jahre

Fun Facts und Wissenswertes

 03.12.2025

Meinung

Gratulation!

Warum die Ehrung der ARD-Israelkorrespondentin Sophie von der Tann mit dem renommierten Hanns-Joachim-Friedrichs-Preis nicht nur grundfalsch, sondern auch aberwitzig ist

von Lorenz Beckhardt  03.12.2025 Aktualisiert

Medien

»Antisemitische Narrative«: Vereine üben scharfe Kritik an Preis für Sophie von der Tann

Die Tel-Aviv-Korrespondentin der ARD soll mit dem Hanns-Joachim-Friedrichs-Preis geehrt werden

 03.12.2025