Finale

Der Rest der Welt

Ob Rabbi Jacob eine Antwort wüsste? Foto: Ullstein

Im Büro stellen mir Kollegen immer wieder Fragen zum Judentum. Die meisten kann ich schnell beantworten, da sie sich oft wiederholen: Warum beginnt der Schabbat schon am Freitagabend? Dürft ihr Juden Sushi essen? Wie häufig müsst ihr am Tag beten?

Vergangene Woche hat mir ein Arbeitskollege aber eine Frage gestellt, auf die ich keine Antwort wusste. Es geht um seinen Freund. Der ist katholisch und will seine Freundin heiraten. Die wiederum ist eine katholische Atheistin. Der Freund will sie aber nicht in einer Kirche heiraten, sondern in einer Synagoge. Und die Trauung soll ein chassidischer Rabbi durchführen.

Hochzeit Ich dachte zuerst an einen Witz. Der Freund meine es wirklich ernst, versicherte mir aber der Arbeitskollege. Er wolle an seiner Hochzeit keinen Pfarrer sehen, denn die seien »alle korrupt«. Auf die Wahl eines chassidischen Rabbis sei er dann bei einem Kinofilm gekommen.

»Teile ihm mit, dass das unmöglich ist«, sagte ich nur. Kein chassidischer Rabbi wird eine jüdische Hochzeit für zwei nichtjüdische Brautleute durchführen. Unmöglich.

Der Kollege schaute mich traurig an. Das habe er ihm auch schon gesagt. Daraufhin sei der Freund aggressiv geworden: »Du bist mein Trauzeuge, du musst meinen einzigen Wunsch verwirklichen!« Ich seufzte. Und überlegte laut: »Eine jüdische Hochzeitszeremonie mit zwei Nichtjuden ...«, »Nein!«, unterbrach er mich, »die Hochzeit soll christlich ablaufen, nur der Geistliche soll ein chassidischer Rabbi sein!« Aber das ist ja noch undenkbarer. Wo gibt es einen chassidischen Rabbi, der eine christliche Trauung durchführen würde? Und wie viel müsste man ihm dafür bezahlen?

Vaterunser »Gibt es denn in Zürich nicht auch chassidische Rabbis, die ein bisschen liberaler sind?« Mir kam nur der Chabad-Rabbiner in den Sinn. Ich kenne ihn gut. Er lädt viele Leute zum Schabbat ein. Er ist ein lustiger und toleranter Geselle. Aber würde er so weit gehen, in seiner Synagoge das Vaterunser vorzubeten?

Ich begann zu schwitzen. Denn ich will eigentlich allen Menschen helfen. Aber hier stoße ich an meine Grenzen. Mir kam dann noch ein anderer chassidischer Rabbi in den Sinn. Der hat mich einmal angeraunzt, ich solle nicht immer so einen Blödsinn in den Zeitungen schreiben. Das sei Gotteslästerung.

Ich versuchte, ihn zu besänftigen, aber er schrie nur noch lauter auf mich ein. Ich sei eine Schande für das Judentum und so weiter.

Ich habe in meinem Handy die Telefonnummer von diesem Rabbi gespeichert. Die Nummer gebe ich dem Bräutigam in spe gerne weiter. Er soll den Rabbi von mir grüßen. Und: Masal Tow!

Neuerscheinung

Albert Speer als Meister der Inszenierung

Wer war Albert Speer wirklich? Der französische Autor Jean-Noël Orengo entlarvt den gefeierten Architekten als Meister der Täuschung – und blickt hinter das Image vom »guten Nazi«

von Sibylle Peine  10.12.2025

Interview

»Mascha Kaléko hätte für Deutschland eine Brücke sein können«

In seinem neuen Buch widmet sich der Literaturkritiker Volker Weidermann Mascha Kalékos erster Deutschlandreise nach dem Krieg. Ein Gespräch über verlorene Heimat und die blinden Flecken der deutschen Nachkriegsliteratur

von Nicole Dreyfus  09.12.2025

Zahl der Woche

2 Jahre

Fun Facts und Wissenswertes

 09.12.2025

Sehen!

»Golden Girls«

Die visionäre Serie rückte schon in den jugendwahnhaftigen 80er-Jahren ältere, selbstbestimmt männerlos lebende Frauen in den Fokus

von Katharina Cichosch  09.12.2025

Film

Woody Allen glaubt nicht an sein Kino-Comeback

Woody Allen hält ein Leinwand-Comeback mit 90 für unwahrscheinlich. Nur ein wirklich passendes und interessantes Rollenangebot könnte ihn zurück vor die Kamera locken.

 09.12.2025

Glosse

Der Rest der Welt

Von Kaffee-Helden, Underdogs und Magenproblemen

von Margalit Edelstein  08.12.2025

Eurovision Song Contest

»Ihr wollt nicht mehr, dass wir mit Euch singen?«

Dana International, die Siegerin von 1998, über den angekündigten Boykott mehrerer Länder wegen der Teilnahme Israels

 08.12.2025

Feiertage

Weihnachten mit von Juden geschriebenen Liedern

Auch Juden tragen zu christlichen Feiertagstraditionen bei: Sie schreiben und singen Weihnachtslieder

von Imanuel Marcus  08.12.2025

Vortrag

Über die antizionistische Dominanz in der Nahostforschung

Der amerikanische Historiker Jeffrey Herf hat im Rahmen der Herbstakademie des Tikvah-Instituts über die Situation der Universitäten nach dem 7. Oktober 2023 referiert. Eine Dokumentation seines Vortrags

 07.12.2025