Finale

Der Rest der Welt

Mit Schokobonbons geht alles besser. Foto: Thinkstock

Finale

Der Rest der Welt

Für meinen Vater: Warum meine Woche so süß wie eine Tüte M&M’s ist

von Shira Silberstein  04.09.2017 17:16 Uhr

Montag: »Uschi, bei dir ist der Lack ab!« Nette Art, morgens so vom Chef begrüßt zu werden. Heißt im Chefsprech so viel wie: Ich sehe wieder einmal aus wie aus dem Kanal gefischt. Zugegeben, ich bin etwas zerknittert und wirke nicht mehr so taufrisch wie vor 15 Jahren, als ich noch ein richtig heißes Schnittchen im Minirock war und dieser Laden mich vom Fleck weg engagiert hat.

Aber inzwischen sind drei Kinder, ein Hund und eine fette Hypothek dazugekommen, ich bin ständig pleite und übermüdet. Von daher ist der Lack wohl schon etwas abgeblättert. Aber ich muss den Chef noch mal daran erinnern, dass ich nicht Uschi heiße. »Uschi« nennt er normalerweise sein Navi. Fühle mich total mies. Habe zum Glück noch eine Packung M&M’s im Schreibtisch versteckt. Hilft!

tarnscheitel Dienstag: Jetzt ist es passiert. Ich bin zur Unperson geworden. Geächtet. Verachtet. Aus allen WhatsApp-Gruppen rausgeworfen. Meine Kinder haben die Schule gewechselt (von der maroden religiösen Schule in die nigelnagelneue nicht so religiöse Schule), und prompt wechseln gewisse Leute die Straßenseite, wenn sie mich sehen. Denke darüber nach, mir einen Tarnscheitel und eine dunkle Sonnenbrille zu besorgen, bevor demnächst die faulen Eier und Tomaten fliegen! Meide deshalb erst mal den koscheren Supermarkt und kaufe meinen M&M-Nachschub lieber anderswo.

Mittwoch: Heute Abend steigt die ganz große Party – eine Barmizwa bei den populären Steinreichs. Sie haben ein Kreuzfahrtschiff gemietet – mit Live-Koch, Disco und beleuchtetem Pool! Leider steigt die Party ohne mich. Siehe Dienstag. Ich öffne eine Familienpackung M&M’s, eine neue Kleenex-Box und ziehe mir Game of Thrones rein. Ich stelle auf ganz, ganz laut, dann hört niemand, wie ich still vor mich hin weine.

barmizwa Donnerstag: Meine beste Freundin aus F. in D. erinnert mich an die Barmizwa ihres Jüngsten. Bin zu pleite, um hinzufahren. Siehe Montag. Fange am Telefon an zu heulen. Die M&M’s sind auch schon wieder alle!

Freitag: Meine beste Freundin hat uns alle ins Hotel nach F. in D. eingeladen! Klasse! OMG: Was ziehe ich nur an? Notiz: Muss meine M&M-Sucht bezwingen. Klamotten spannen um den Bauch herum.

Samstag: Glamour, Glamour! Die Synagoge ist rappelvoll. Gucci, Prada, Armani. Um mich rum nur Hungerhaken, niemand wiegt hier über 25 Kilo! Verstecke mich hinter einer Säule und beobachte den Barmizwa, der die Haftara fehlerlos liest und dann von seinen Kumpels auf Händen von der Bima heruntergetragen wird. Schnief! Ich muss mein Taschentuch herausholen. Habe keine Bonbons zum Runterwerfen, stattdessen werfe ich halt M&M’s.

Samstagabend: Hätte ich bloß gewusst, dass meine gesamten Ex-Madrichim auf der Party auftauchen würden! Die kannten mich alle vor 20 Jahren, als ich noch eine heiße Schnitte war. Siehe Montag. Egal! Kopf hoch, Bauch einziehen, ab auf die Tanzfläche! Meine beste Freundin trägt ein opalblaues Satinkleid und strahlt wie ein kleiner Diamant, ich trage was Dunkles (kaschiert!), meine Kinder stopfen sich an der Candy-Bar mit M&M’s voll, und wir tanzen bis um zwei Uhr früh! Das Leben ist schön.

Geheimnisse & Geständnisse

Plotkes

Klatsch und Tratsch aus der jüdischen Welt

von Imanuel Marcus, Katrin Richter  19.10.2025

Glosse

Der Rest der Welt

Über Wurstmeldungen und andere existenzielle Fragen

von Katrin Richter  19.10.2025

Aufgegabelt

Maroni-Kuchen

Rezepte und Leckeres

von Nicole Dreyfus  19.10.2025

Sachbuch

Ärger am Skopusberg

Yfaat Weiss skizziert die wechselvolle Geschichte der israelischen Exklave in Ost-Jerusalem zwischen 1948 und 1967

von Ralf Balke  19.10.2025

Innovation

Rettung für den Kinneret

Zum ersten Mal weltweit wird entsalztes Wasser in einen Süßwassersee geleitet

von Sabine Brandes  19.10.2025

Sehen!

»Red Alert«

Die Serie will das Geschehen des 7. Oktober in filmische Bilder fassen – die erzählerische Kraft des Vierteilers liegt in der Hoffnung

von Christoph Schinke  19.10.2025

Israel

Warum ich meine gelbe Schleife nicht ablege

Noch immer konnten nicht alle Angehörigen von Geiseln Abschied von ihren Liebsten nehmen

von Sophie Albers Ben Chamo  17.10.2025

Berlin

Neue Nationalgalerie zeigt, wie Raubkunst erkannt wird

Von Salvador Dalí bis René Magritte: Die Neue Nationalgalerie zeigt 26 Werke von berühmten Surrealisten. Doch die Ausstellung hat einen weiteren Schwerpunkt

von Daniel Zander  17.10.2025

Theater

K. wie Kafka wie Kosky

Der Opernregisseur feiert den Schriftsteller auf Jiddisch – mit Musik und Gesang im Berliner Ensemble

von Christoph Schulte, Eva Lezzi  17.10.2025