Kolumne

Der Rest der Welt

Meine Tochter besucht gerade die »Kinder Academy« der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) in Zürich. In dieser »Academy« lernen die Kinder während einer Woche Experimente und Wissenswertes. Das Wochenthema lautet: Die kluge Weltreise. Nur wenn die Eltern an der ETH arbeiten, dürfen die Kinder mitmachen. Da meine Frau dort als Sachbearbeiterin tätig ist, kann unser Mädchen bei dieser Lernwoche teilnehmen.

Meine Tochter ist vier Jahre alt und sehr gescheit. In der Kita war sie die Gescheiteste und ebenso im Kindergarten. Sie kann schon bis 17 zählen und ihren Namen schreiben. Sie kennt den Unterschied zwischen Amsel und Rabe (gelber Schnabel) und Oma und Großmutter (schönere Geschenke).

Matheprof An der »Kinder Academy« nehmen viele Professorenkinder teil. Die Professoren fahren jeden Morgen mit einem dicken Auto vor und ermahnen ihren Nachwuchs auf Englisch und Mandarin, die Vollkornstulle schön artig aufzuessen. Einen kenne ich sogar. Er war mein Mathematikprofessor und ließ mich zweimal bei der mündlichen Prüfung durchfallen. Natürlich erinnert er sich nicht mehr an mich. Ich war Prüfungskandidat Nummer 57 und bin während den Vorlesungen nie besonders aufgefallen. Sein Junge heißt Maximilian. Er ist im gleichen Alter wie meine Tochter, der ich eine Woche vorher beigebracht habe, dass sie jetzt wahrscheinlich zu den dümmeren Kindern gehört.

Maximilian musterte an diesem Morgen meine Kleine und blaffte: »Ich kenne schon alle fünf Kontinente und auch die Hauptstädte von England, Frankreich und Spanien.« Meine Tochter entgegnete: »Ich trage dafür einen Hello-Kitty-Schlüpfer«. Natürlich schämte ich mich. Am nächsten Morgen paukte ich mit ihr die Hauptstädte von Israel, USA und China durch und forderte sie auf, laut »Ma Nischtana« zu singen und den Kindern zu erklären, das sei Japanisch gewesen.

Stammbaum Doch anscheinend hatte auch mein Ex-Professor nachgerüstet. Maximilian beherrschte nun sämtliche Länder Europas. Ich zwang meine Tochter, den Stammbaum von Adam bis Abraham auswendig zu lernen, auch wenn das mit der Weltreise auf den ersten Blick nicht viel zu tun hat. Außerdem musste sie jetzt endlich einmal bis 20 zählen können. Maximilian, so erzählte mir eine andere Mutter, kann bereits bis 100 zählen!

In diesen Tagen wurde ich sehr mürrisch. Das Mädchen plapperte Belangloses von den Ausflügen und berichtete mir erst beim wiederholten Nachbohren die Lernfortschritte Maximilians. »Übrigens, Maximilian sitzt stets alleine. Er pupst immer!«

Was? Wirklich? Das ist endlich eine gute Nachricht! Was hat hohe Intelligenz schon für einen großen Nutzen, wenn man immer pupsen muss? Wahrscheinlich habe ich deswegen die mündliche Prüfung nicht bestanden, weil ich mich nicht konzentrieren konnte bei dem Gestank. Ich habe wieder meinen Seelenfrieden.

Hans-Jürgen Papier

»Es ist sehr viel Zeit verloren gegangen«

Der ehemalige Präsident des Bundesverfassungsgerichts zieht eine Bilanz seiner Arbeit an der Spitze der »Beratenden Kommission NS-Raubgut«, die jetzt abgewickelt und durch Schiedsgerichte ersetzt wird

von Michael Thaidigsmann  26.11.2025

Hommage

Pionier des Erinnerns

Der Filmemacher und Journalist Claude Lanzmann wäre diese Woche 100 Jahre alt geworden. Unser Autor ist ihm mehrmals persönlich begegnet

von Vincent von Wroblewsky  26.11.2025

Zahl der Woche

6500 Rabbiner

Funfacts & Wissenswertes

 26.11.2025

Glosse

Der Rest der Welt

Coole Nichten, coole Tanten

von Katrin Richter  26.11.2025

Kulturkolumne

Lob der Anwesenheit

Lahav Shani und Jason Stanley: Warum unser Autor nicht nur in der Westend-Synagoge vor Ort ist

von Eugen El  26.11.2025

Film

Shira Haas ist Teil der Netflix-Serie »The Boys from Brazil«

Die israelische Schauspielerin ist aus »Shtisel« und »Unorthodox« bekannt

 26.11.2025

Kulturkolumne

Was bleibt von uns?

Lernen von John Oglander

von Sophie Albers Ben Chamo  25.11.2025

Kultur

André Heller fühlte sich jahrzehntelang fremd

Der Wiener André Heller ist bekannt für Projekte wie »Flic Flac«, »Begnadete Körper« und poetische Feuerwerke. Auch als Sänger feierte er Erfolge, trotzdem konnte er sich selbst lange nicht leiden

von Barbara Just  25.11.2025

Jüdische Kulturtage

Musikfestival folgt Spuren jüdischen Lebens

Nach dem Festival-Eröffnungskonzert »Stimmen aus Theresienstadt« am 14. Dezember im Seebad Heringsdorf folgen weitere Konzerte in Berlin, Essen und Chemnitz

 25.11.2025