Finale

Der Rest der Welt

Als ich meine Familie an Rosch Haschana nach kleinen Anekdoten zu Sukkot fragte, meldete sich niemand zu Wort. Normalerweise ist es nie leise bei uns. Selbst wenn gerade mal keiner etwas sagt, hört man wenigstens genüssliches Schmatzen. Aber diesmal – totale Stille. Ich war verwirrt: »Was ist denn los?«, fragte ich, erstaunt über die plötzliche Verschwiegenheit meiner sonst so gesprächigen Verwandtschaft.

Ich hatte erwartet, die eine oder andere witzige Hüttengeschichte aus meiner Kindheit zu hören, auch wenn ich selbst daran keine Erinnerung mehr habe. Lediglich Sukkot in Israel – das sehe ich lebhaft und schrecklich stickig vor meinem geistigen Auge. Bei 30 Grad dicht an dicht in der Hütte zu sitzen, ist wahrhaft kein Zuckerschlecken.

Risiko Während man von einer Klimaanlage träumt, tröstet lediglich die Vorstellung, dass der am Körper hinabrinnende Schweiß ein wenig Abkühlung bringen möge. Aber immerhin: Es gab schulfrei. Wahrscheinlich wollte das Internat weder das Risiko eingehen, mit mehr als 35 halbstarken Jugendlichen eine Sukka zu bauen, noch sich der Herausforderung stellen, mit ebendiesen darin zu hocken. Da schickten sie uns lieber nach Hause.

Aber was, bitte, war das Problem in Deutschland? Da ich es immer noch nicht verstand, fragte ich erneut nach: »Wie feiern wir Sukkot denn eigentlich? Kann mich gar nicht erinnern.« Ähm, oh, hm. Alle drucksten herum, bis schließlich mein Vater einräumte, dass wir in den letzten Jahren gar nicht gefeiert hätten. Ehrlich gesagt, niemals. Zumindest nie gemeinsam.

Kaum war ihm dieses Geständnis über die Lippen gekommen, fand meine Familie auch ihre Sprache wieder und setzte den Abend in gewohnter Manier fort. Mir wurde klar: Ein Rosch-Haschana-Abend war mehr als genug, um mein Bedürfnis nach »Mischpoche Quality Time« zu stillen. Vor Jom Kippur graute mir ohnehin, denn da würden noch nicht einmal Äpfel mit Honig zur Beruhigung bereitstehen. Aber dann sieben Tage gemeinsam in der Sukka sitzen? Zu viel des Guten. Schlagartig dämmerte mir, warum das aus dem Festtagskalender gestrichen worden war.

Gott Aber irgendwie musste ich doch feiern ... In meiner Verzweiflung wandte ich mich an Gott. In ernstem Tonfall schlug Er mir vor, ich solle das Fest doch einfach ohne Familie begehen und es mir in meiner eigenen Hütte gemütlich machen.

Das klang toll! Ich würde in der Sukka fernab der Verwandtschaft entspannt meine Mahlzeiten einnehmen. Ein guter Plan – der mich allerdings nur überzeugte, bis ich am nächsten Morgen gegen sieben Uhr 30 in unserem Garten stand, bei höchstens 14 Grad Celsius, und feststellen musste, dass meine Lungenflügel sich zu Iglus verformten.

Für nächstes Jahr werde ich vorsorgen. Den Anzeigentext habe ich schon entworfen: »Suche sympathische Gesellschaft für nette Abende in Sukka mit Sitzheizung«.

Sehen!

»Der Meister und Margarita«

In Russland war sie ein großer Erfolg – jetzt läuft Michael Lockshins Literaturverfllmung auch in Deutschland an

von Barbara Schweizerhof  30.04.2025

Fernsehen

»Mord auf dem Inka-Pfad«: War der israelische Ehemann der Täter?

Es ist einer der ungewöhnlichsten Fälle der deutschen Kriminalgeschichte. Die ARD packt das Geschehen nun in einen sehenswerten True-Crime-Vierteiler

von Ute Wessels  30.04.2025

20 Jahre Holocaust-Mahnmal

Tausende Stelen zur Erinnerung - mitten in Berlin

Selfies auf Stelen, Toben in den Gängen, Risse im Beton - aber auch andächtige Stille beim Betreten des Denkmals. Regelmäßig sorgt das Holocaust-Mahnmal für Diskussionen. Das war schon so, bevor es überhaupt stand

 30.04.2025

Medien

Leon de Winter wird Kolumnist bei der »Welt«

Bekannt wurde er vor mehr als 30 Jahren mit Romanen wie »Hoffmanns Hunger«. Jetzt will der niederländische Autor Leon de Winter in Deutschland vermehrt als Kolumnist von sich hören lassen

von Christoph Driessen  29.04.2025

Fernsehen

»Persischstunden«: Wie eine erfundene Sprache einen Juden rettet

Das Drama auf Arte erzählt von einem jüdischen Belgier, der im KZ als angeblicher Perser einen SS-Mann in Farsi unterrichten soll. Dabei kann er die Sprache gar nicht

von Michael Ranze  29.04.2025

Berlin

Antisemitismusbeauftragter für alle Hochschulen soll kommen

Details würden derzeit noch im Senat besprochen, sagte Wissenschaftssenatorin Ina Czyborra

 29.04.2025

Jerusalem

Seltenes antikes Steinkapitell wird in Israel ausgestellt

Ein Fund aus dem Jahr 2020 gibt israelischen Archäologen Rätsel auf. Die Besonderheit des Steinkapitells aus römischer Zeit: Es ist mit einem mehrarmigen Leuchter - im Judentum Menorah genannt - verziert

 29.04.2025

Berlin

Jüdisches Museum erforscht Audio-Archiv von »Shoah«-Regisseur

Claude Lanzmann hat mit seiner epochalen Dokumentation »Shoah« Geschichte geschrieben. Das Jüdische Museum Berlin nimmt ein Doppeljubiläum zum Anlass, um das umfangreiche Recherchematerial des Regisseurs zu erschließen

von Alexander Riedel  29.04.2025

Köln

»Charlie Hebdo«-Überlebender stellt Comic zu NS-Raubkunst vor

»Zwei Halbakte« heißt ein 1919 entstandenes Gemälde von Otto Mueller. Die Geschichte des Kunstwerks hat der französische Zeichner Luz als Graphic Novel aufgearbeitet. Mit teils sehr persönlichen Zugängen

von Joachim Heinz  28.04.2025