Finale

Der Rest der Welt

Die Vogue hat eine neue – angeblich super authentische – Insiderliste veröffentlicht, die endlich enthüllt, »wo die echten Tel Aviver speisen«. Das Magazin hat dafür sogar waschechte Tel Aviver befragt! Diese Top Ten ließen mich vergangene Woche allerdings beinahe an meinem Marmeladenbrot ersticken.

Offenbar hat die Journalistin der Vogue nur Tel Avivis mit prall gefülltem Portemonnaie, einem feinen Gaumen und einer unglaublichen Motivation, sich quer durch die Stadt zu bewegen, getroffen. Zuallererst sei nämlich gesagt, dass Tel Aviver noch kiezbezogener sind als Berliner. Jemand, der auf der Dizengoff-Straße wohnt, geht nicht einfach mal eben am Namal, dem Hafen im Norden der Stadt, beim Kitchen Market brunchen! Für echte Tel Aviver gleicht das einer Weltreise.

Datteln Womit die Vogue-Journalistin Celeste Moure allerding recht hat: Essen gehört zur israelischen Kultur. Dass Tel Aviver sich am liebsten den ganzen Tag in Restaurants aufhalten, stimmt. Nur gibt es sicherlich keinen, der Hunderte Schekel für Gnocchi mit Pilzen ausgibt! Da wären schließlich noch die horrenden Mieten und die Tierarztbesuche, die bezahlt werden müssen.

Statt der homogenen, reichen Forschungsgruppe hätte die Kollegin der Vogue besser mich interviewen sollen – jemanden, der Tel Aviv als arme Schülerin erlebt hat. Ich hätte Celeste mit auf einen Spaziergang über den Schuk genommen. Ein ganz wunderbarer Ort, weil man dort orientalische Köstlichkeiten einfach probieren kann, noch bevor jemand sagt: »Was eine Chuzpe!«. Die Händler wollen das – solange man auch demonstrativ und überzeugend zeigt, wie sehr es einem schmeckt.

Nach solch einem Spaziergang ist man von den feinsten Datteln und dem besten Obst so satt, dass man sich beim »Beer Bazar« am Schuk ein echtes israelisches Bier gönnen kann, um inmitten des Balagan die Menschen zu beobachten. Noch authentischer geht es allerdings nur in der Mensa meines Internats zu – und das ist ein echter Geheimtipp für die Vogue! Itzik, der Koch, freut sich schon auf euch.

Brot-Heimweh Mein Problem, und das vieler meiner Freunde, war aber eigentlich nie, dass wir kein gutes Essen finden konnten, sondern dass wir uns nach den Geschmäckern unserer Heimat sehnten. Tel Aviver sind schließlich oft auch Franzosen, Amerikaner oder eben Deutsche. Wobei die Franzosen ja jetzt von der Vogue wissen, wo es die besten Croissants gibt.

Wieso hat die Vogue sich nicht nach echtem Brot umgesehen? Nach Roggen- oder Schwarzbrot? Denn nach langjähriger Erfahrung kann ich jedem, den in Israel auch schon mal das »Brot-Heimweh« überfallen hat, nur zwei wenig befriedigende Alternativen empfehlen: bei Supersal aus Deutschland importiertes Schwarzbrot für 24 Schekel zu kaufen oder mal bei Dudi in der Bäckerei »Lecker« vorbeizuschauen. Sein Brot ist deutschem noch am ähnlichsten.

Letztendlich braucht man für Tel Aviv aber keinen »Food-Guide« – die Schwierigkeit ist eher, die kulinarischen Bedürfnisse aller Mitessenden und die des Portemonnaies mit nur einem Restaurant zu befriedigen. Bei »Keton« gibt es Mazze-Kneidel und Gefilte Fisch wie bei Oma. Und das Beste: Dort traut sich niemand zu sagen, dass es nicht schmeckt!

Streaming

Gepflegter Eskapismus

In der Serie »Call my Agent Berlin« nimmt sich die Filmbranche selbst auf die Schippe – mit prominenter Besetzung

von Katrin Richter  02.12.2025

Jean Radvanyi

»Anna Seghers war für mich ›Tschibi‹«

Ein Gespräch mit dem Historiker über die Liebesbriefe seiner Großeltern, Kosenamen und hochaktuelle Texte

von Katrin Richter  02.12.2025

TV-Kritik

Politisierende Ermittlungen

In »Schattenmord: Unter Feinden« muss eine arabisch-stämmige Polizistin den Mord an einem jüdischen Juristen aufklären

von Marco Krefting  02.12.2025

Meinung

Gratulation!

Warum die Ehrung der ARD-Israelkorrespondentin Sophie von der Tann mit dem renommierten Hanns-Joachim-Friedrichs-Preis nicht nur grundfalsch, sondern auch aberwitzig ist

von Lorenz Beckhardt  01.12.2025 Aktualisiert

Kommentar

Schiedsgerichte sind nur ein erster Schritt

Am 1. Dezember startet die Schiedsgerichtsbarkeit NS-Raubkunst. Doch es braucht eine gesetzliche Regelung auch für Werke in Privatbesitz, meint unser Gastautor

von Rüdiger Mahlo  01.12.2025

Rache

»Trigger-Thema« für Juden

Ein Filmseminar der Jüdischen Akademie untersuchte das Thema Vergeltung als kulturelle Inszenierung

von Raquel Erdtmann  01.12.2025

Wuppertal

Schmidt-Rottluff-Gemälde bleibt in Von der Heydt-Museum

»Zwei Frauen (Frauen im Grünen)« von Karl Schmidt-Rottluff kann im Von der Heydt Museum in Wuppertal bleiben. Nach Rückgabe an die Erbin erwarb die Stadt das Bild von ihr. Vorausgegangen waren intensive Recherchen zur Herkunft

 01.12.2025

Dorset

»Shakespeare In Love« - Dramatiker Tom Stoppard gestorben

Der jüdische Oscar-Preisträger war ein Meister der intellektuellen Komödie. Er wurde 88 Jahre alt

von Patricia Bartos  01.12.2025

Fernsehen

Abschied von »Alfons«

Orange Trainingsjacke, Püschelmikro und Deutsch mit französischem Akzent: Der Kabarettist Alfons hat am 16. Dezember seine letzte Sendung beim Saarländischen Rundfunk

 30.11.2025 Aktualisiert