Finale

Der Rest der Welt

Israels Verteidigungsminister Moshe Yaalon liebt es leger. Oft sitzt er in Hemdsärmeln auf der Regierungsbank. Vorige Woche war es ihm offenbar dafür zu kalt. Bei einer Rede vor dem Parlament trug er eine Daunenjacke. Vielleicht war in der Knesset die Heizung ausgefallen.

Oder der Minister wollte das sichtbar neue Kleidungsstück den Abgeordneten stolz vorführen. In jedem Fall war es keine gute Idee. Daunenjacken tragen auf, wenn man nicht sehr schlank ist. Yaalon sah ein bisschen aus wie das Michelin-Männchen.

Im Deutschen Bundestag hätte das nicht passieren können. Dort gilt Jackettpflicht für die Abgeordneten. Ebenso vorgeschrieben sind anständige Beinkleider, nachdem bei der Eröffnungssitzung 1949 die Abgeordneten der separatistischen Bayernpartei kollektiv in Lederhosen erschienen waren. Auch andere westliche Parlamente haben strikte Dresscodes. Erst kürzlich pflaumte der britische Premierminister David Cameron den stets nachlässig gekleideten Chef der oppositionellen Labour Party, Jeremy Corbyn, bei einer Debatte an, er möge gefälligst einen anständigen Anzug anziehen und seine Krawatte richten.

Flip-Flops Die Knesset nimmt es da wesentlich lockerer. Untersagt sind im Hohen Haus in Jerusalem offiziell nur Shorts, Hosen mit Rissen, bauchfreie Tops, T-Shirts und Flip-Flops. Früher standen auch Jeans und Sandalen auf der Verbotsliste; aber nach Protesten von Abgeordneten wurde das aufgehoben. Die Einzigen, die noch würdevoll in dunklen Anzügen im Parlament sitzen, sind die Abgeordneten der ultraorthodoxen Kleinparteien.

Theodor Herzl wäre wahrscheinlich entsetzt. Auf Fotos des ersten Zionistenkongresses tragen er und die anderen Delegierten Frack. Menachem Begin, der Gründer der Likud-Partei, der Moshe Yaalon angehört, pflegte in der Knesset stets in Anzug und Krawatte aufzutreten, schon, um sich von der lange herrschenden Arbeiterpartei abzusetzen.

Deren Vertreter, bei David Ben Gurion angefangen, lehnten Schlipse ab und trugen demonstrativ offenen Schillerkragen. »Krawattenjude« war schließlich im 19. und frühen 20. Jahrhundert eine abschätzige Bezeichnung für Assimilanten gewesen. Und Jacketts trugen in der heißen israelischen Sonne meist nur deutschstämmige Einwanderer, die deshalb von der ostjüdischen Mehrheit spöttisch »Jeckes« genannt wurden.

Chanel Moshe Yaalon kann sich mit seiner Garderobe auf zionistische Tradition berufen. Die legere Kleiderordnung in der Knesset könnte natürlich auch andere Gründe haben. In der Vergangenheit ist es im israelischen Parlament gelegentlich zu nonverbalen Auseinandersetzungen zwischen Abgeordneten gekommen. Da wurde geschubst, mit Fäusten gedroht, Kolleginnen Wasser ins Gesicht geschüttet.

Bei solchen Konfrontationen leidet auch die Garderobe. Wer will schon riskieren, dass der teure Armani-Anzug oder das Chanel-Kostüm parlamentarisch beschädigt wird? Daunenjacken sind robuster.

Fernsehen

»Mord auf dem Inka-Pfad«: War der israelische Ehemann der Täter?

Es ist einer der ungewöhnlichsten Fälle der deutschen Kriminalgeschichte. Die ARD packt das Geschehen nun in einen sehenswerten True-Crime-Vierteiler

von Ute Wessels  30.04.2025

Sehen!

»Der Meister und Margarita«

In Russland war sie ein großer Erfolg – jetzt läuft Michael Lockshins Literaturverfllmung auch in Deutschland an

von Barbara Schweizerhof  30.04.2025

20 Jahre Holocaust-Mahnmal

Tausende Stelen zur Erinnerung - mitten in Berlin

Selfies auf Stelen, Toben in den Gängen, Risse im Beton - aber auch andächtige Stille beim Betreten des Denkmals. Regelmäßig sorgt das Holocaust-Mahnmal für Diskussionen. Das war schon so, bevor es überhaupt stand

von Niklas Hesselmann  30.04.2025

Medien

Leon de Winter wird Kolumnist bei der »Welt«

Bekannt wurde er vor mehr als 30 Jahren mit Romanen wie »Hoffmanns Hunger«. Jetzt will der niederländische Autor Leon de Winter in Deutschland vermehrt als Kolumnist von sich hören lassen

von Christoph Driessen  29.04.2025

Fernsehen

»Persischstunden«: Wie eine erfundene Sprache einen Juden rettet

Das Drama auf Arte erzählt von einem jüdischen Belgier, der im KZ als angeblicher Perser einen SS-Mann in Farsi unterrichten soll. Dabei kann er die Sprache gar nicht

von Michael Ranze  29.04.2025

Berlin

Antisemitismusbeauftragter für alle Hochschulen soll kommen

Details würden derzeit noch im Senat besprochen, sagte Wissenschaftssenatorin Ina Czyborra

 29.04.2025

Jerusalem

Seltenes antikes Steinkapitell wird in Israel ausgestellt

Ein Fund aus dem Jahr 2020 gibt israelischen Archäologen Rätsel auf. Die Besonderheit des Steinkapitells aus römischer Zeit: Es ist mit einem mehrarmigen Leuchter - im Judentum Menorah genannt - verziert

 29.04.2025

Berlin

Jüdisches Museum erforscht Audio-Archiv von »Shoah«-Regisseur

Claude Lanzmann hat mit seiner epochalen Dokumentation »Shoah« Geschichte geschrieben. Das Jüdische Museum Berlin nimmt ein Doppeljubiläum zum Anlass, um das umfangreiche Recherchematerial des Regisseurs zu erschließen

von Alexander Riedel  29.04.2025

Köln

»Charlie Hebdo«-Überlebender stellt Comic zu NS-Raubkunst vor

»Zwei Halbakte« heißt ein 1919 entstandenes Gemälde von Otto Mueller. Die Geschichte des Kunstwerks hat der französische Zeichner Luz als Graphic Novel aufgearbeitet. Mit teils sehr persönlichen Zugängen

von Joachim Heinz  28.04.2025