Finale

Der Rest der Welt

Früher habe ich morgens gerne gesnoozt und das Gedudel meines Radioweckers mit einem schlaftrunkenen Grabschen zum Schweigen gebracht. Die Zeiten sind vorbei. Heute weckt mich Schlag sechs Uhr mein Handy mit einem diktatorischen Schnarren, das ich so lange ignoriere, bis das Telefon sich fiepsend und vibrierend an den Nachttischrand vorarbeitet, von wo aus es mit einem unangenehm splitternden Geräusch auf dem Fußboden aufschlägt.

Spätestens dann bin ich wach, stehe auf und kann rechtzeitig den 6.40 IC Antwerpen – Brüssel bekommen. Denn seit wir umgezogen sind, habe ich mich notgedrungen der Schar der triefäugigen, mies gelaunten, graugesichtigen Frühaufsteher und Pendler angeschlossen.

abfluss Die Fahrt dauert 45 Minuten, genug Zeit, um im Zug Haushalt und Familienleben per Handy geregelt zu kriegen. Ich belle Kommandos an Sheindi, den Babysitter, und Chaja, die Putzfrau, säusele dem Schuldirektor, Mijnheer Kohn, Entschuldigungen für meine schlimmen Kinder ins Ohr, organisiere Lieferungen aus dem koscheren Supermarkt. Heute muss ich zusätzlich unseren verstopften Badewannenabfluss reparieren lassen. Nachbarn haben mir einen Klempner namens Herschi empfohlen. Ich bestelle ihn abends zu mir.

Als ich gegen 18 Uhr, völlig am Ende von der Pendelei und praktisch auf allen vieren robbend, den Schlüssel in die Eingangstür stecke, steht dort ein Typ in Schwarz, mit Tzitzes, Pejes, Hut und einem überdimensionalen Werkzeugkoffer in der Hand. »Sie hatten einen Klempner bestellt?«, fragt der Chassid höflich in perfektem Englisch mit australischem Akzent.

Und so mache ich Herschis Bekanntschaft. Ich geleite ihn ins Badezimmer, wo er erst einmal ein riesengroßes Loch in die Badewanne schlägt, dann mit einer Pumpe rumfuhrwerkt und schließlich achselzuckend erklärt, da sei nichts zu machen. Ich starre ihn schockstarr an, dann breche ich in Schluchzen aus: »Bitte tun Sie was. Ich habe drei Kinder!« Wie zum Beweis haben sich die drei an der Badezimmertür aufgebaut und beobachten fasziniert das Drama.

minjan Herschi seufzt, hängt sich ans Handy und ruft seine Kumpels zusammen. Eine halbe Stunde später beugt sich ein halber Minjan mit schlenkernden Pejes und Tzitzes über meine verwüstete Badewanne. Als nach einer Dreiviertelstunde Herschi, Shloimi, Janki und die anderen mein Badezimmer freigeben, haben sie nicht nur den Abfluss frei bekommen, sondern auch sämtliche Stöpsel erneuert, kaputte Glühbirnen ausgetauscht und abgeplatztes Email ausgebessert. Und all das für Umme. Die schwarze Klempnerschar grinst mich freundlich an: »Welcome to Antwerp!«

Debatte

Neue Leitlinie zum Umgang mit NS-Raubgut für Museen und Bibliotheken

In Ausstellungshäusern, Archiven und Bibliotheken, aber auch in deutschen Haushalten finden sich unzählige im Nationalsozialismus entzogene Kulturgüter. Eine neue Handreichung soll beim Umgang damit helfen

von Anne Mertens  27.11.2025

Fernsehen

Abschied von »Alfons«

Orange Trainingsjacke, Püschelmikro und Deutsch mit französischem Akzent: Der Kabarettist Alfons hat am 16. Dezember seine letzte Sendung beim Saarländischen Rundfunk

 27.11.2025

Programm

Termine und TV-Tipps

Termine und Tipps für den Zeitraum vom 27. November bis zum 3. Dezember

 27.11.2025

Fernsehen

Zieht Gil Ofarim ins Dschungelcamp? 

RTL kommentiert noch keine Namen - doch die Kandidaten-Gerüchte um Gil Ofarim und Simone Ballack sorgen schon jetzt für reichlich Gesprächsstoff

von Jonas-Erik Schmidt  27.11.2025

Rezension

Ein Feel-Good-Film voller kleiner Wunder

Ein Junge, der nicht laufen kann, Ärzte, die aufgeben, eine Mutter, die unbeirrt kämpft. »Mit Liebe und Chansons« erzählt mit Herz und Humor, wie Liebe jede Prognose überwindet

 27.11.2025

Geheimnisse & Geständnisse

Plotkes

Klatsch und Tratsch aus der jüdischen Welt

von Imanuel Marcus, Katrin Richter  27.11.2025

Kino

Echte Zumutung

Ronan Day-Lewis drehte mit seinem Vater Daniel als Hauptfigur. Ein bemühtes Regiedebüt über Gewalt und Missbrauch

von Maria Ossowski  27.11.2025

Das Ausmalbuch "From the river to the sea" in einer Buchhandlung in Zürich.

Meinung

Ausmalen gegen die Realität

Kinderbücher sollten nicht dazu instrumentalisiert werden, Kinder niederschwellig zu prägen

von Zsolt Balkanyi-Guery  27.11.2025

Hans-Jürgen Papier

»Es ist sehr viel Zeit verloren gegangen«

Der ehemalige Präsident des Bundesverfassungsgerichts zieht eine Bilanz seiner Arbeit an der Spitze der »Beratenden Kommission NS-Raubgut«, die jetzt abgewickelt und durch Schiedsgerichte ersetzt wird

von Michael Thaidigsmann  26.11.2025