Finale

Der Rest der Welt

Gestern bin ich schon wieder vom Crosstrainer gefallen. Wobei das Obenbleiben doch eigentlich supereinfach ist: einfach vorwärts schauen und sich konzentrieren. Aber wie soll ich das, wenn während meines Trainings das ganze Rest-Fitness-Studio über mich ablästert?

Auf zwei Steppern links von mir schielen die beiden Plutschnik-Schwestern flüsternd in meine Richtung, rechts von mir geben Mutter und Tochter Steinreich wispernd irgendwelche Gemeinheiten von sich. Ich musste ganz schön die Ohren spitzen und den Hals verrenken, um einige Läster-Fetzen aufzufangen: »... Edelstein ... aus Brüssel hergezogen ... Cellulite ...«, konnte ich noch hören, dann geriet ich aus dem Tritt, meine Schnürsenkel verfingen sich im Laufband und, schrumms, lag ich vor dem Crosstrainer flach auf dem Gesicht.

Das Hohngelächter der halben Gemeinde brummt immer noch in meinen Ohren, als ich Stunden später auf dem Sofa liege und meine blauen Flecken verarzte. Warum, frage ich mich, bin ich auf diesem Maso-Trip, seit wir nach Antwerpen gezogen sind? Warum muss ich unbedingt in das Fitness-Center pilgern, in dem auch alle anderen Juden eingeschrieben sind? Warum zwanghaft immer nur zu dem einen Spielplatz gehen, auf dem sämtliche jüdische Eltern herumhängen? Und warum immer nur in die Cafés, wo ich garantiert den Rest der Antwerpener Gemeinde treffe? Und warum endet es immer wieder in einem Desaster für mein armes angeknackstes Ego? Warum bin ich in dieser Stadt Miss Unbeliebt persönlich?

inspektion Ich beschließe, unseren Freund Mosche zu Rate zu ziehen, eine Art Antwerpener Urgestein. Er sagt nur »Kühlschrank«. »Dein Kühlschrank«, doziert er und schreitet langsam in meine Küche, »ist das Herzstück deiner Antwerpener Identität. Was du wohl immer noch nicht gemerkt hast, ist, dass sämtliche Gäste, Babysitter und Freunde deiner Kinder, sobald du mal kurz aus dem Zimmer gehst, den Kühlschrank aufs Genaueste inspizieren und sodann den anderen Bericht erstatten. Hier zum Beispiel: Dieser nicht sehr koscher aussehende Camembert und die reichlich treife Flasche Wein. Und da wunderst du dich noch, dass dein guter Ruf beim Teufel ist?«

»Und wie komme ich aus dem Kühlschrank-Schlamassel wieder heraus?«, frage ich. »Nichts einfacher als das«, erläutert Mosche mit einem geradezu großväterlich wirkenden Lächeln. »Sobald Besuch kommt, stellst du einfach koschere Joghurts in den Kühlschrank. ›Herzl und Gold‹ ist die koscherste Marke. Wenn dir das Zeug zu teuer ist, mach’ es wie ich: Füll’ leere Joghurtbecher mit Gips und klebe sie am Kühlschrankboden fest. Dito mit Käse- und Milchpackungen. Genial oder was?«

»Genial«, sage ich tonlos. Dann schiebe ich den endlos weiter salbadernden Mosche aus der Wohnungstür, setze mich an meinen Küchentisch und verzehre langsam und genussvoll einen richtig verruchten unkoscheren Milchreis mit Schoko-Brandy-Soße.

Berlin

Neue Nationalgalerie zeigt, wie Raubkunst erkannt wird

Von Salvador Dalí bis René Magritte: Die Neue Nationalgalerie zeigt 26 Werke von berühmten Surrealisten. Doch die Ausstellung hat einen weiteren Schwerpunkt

von Daniel Zander  17.10.2025

Theater

K. wie Kafka wie Kosky

Der Opernregisseur feiert den Schriftsteller auf Jiddisch – mit Musik und Gesang im Berliner Ensemble

von Christoph Schulte, Eva Lezzi  17.10.2025

Frankfurter Buchmesse

Schriftsteller auf dem Weg zum Frieden

Israelische Autoren lesen an einem Stand, der ziemlich versteckt wirkt – Eindrücke aus Halle 6.0

von Eugen El  17.10.2025

Kino

So beklemmend wie genial

Mit dem Film »Das Verschwinden des Josef Mengele« hat Kirill Serebrennikow ein Meisterwerk gedreht, das kaum zu ertragen ist

von Maria Ossowski  17.10.2025

Meinung

Entfremdete Heimat

Die antisemitischen Zwischenfälle auf deutschen Straßen sind alarmierend. Das hat auch mit der oftmals dämonisierenden Berichterstattung über Israels Krieg gegen die palästinensische Terrororganisation Hamas zu tun

von Philipp Peyman Engel  16.10.2025

Esther Abrami

Die Klassik-Influencerin

Das jüngste Album der Französin ist eine Hommage an 14 Komponistinnen – von Hildegard von Bingen bis Miley Cyrus

von Christine Schmitt  16.10.2025

Berlin

Jüdisches Museum zeichnet Amy Gutmann und Daniel Zajfman aus

Die Institution ehrt die frühere US-Botschafterin und den Physiker für Verdienste um Verständigung und Toleranz

 16.10.2025

Nachruf

Vom Hilfsarbeiter zum Bestseller-Autor

Der Tscheche Ivan Klima machte spät Karriere – und half während der sowjetischen Besatzung anderen oppositionellen Schriftstellern

von Kilian Kirchgeßner  16.10.2025

Kulturkolumne

Hoffnung ist das Ding mit Federn

Niemand weiß, was nach dem Ende des Krieges passieren wird. Aber wer hätte zu hoffen gewagt, dass in diesen Zeiten noch ein Tag mit einem Lächeln beginnen kann?

von Sophie Albers Ben Chamo  16.10.2025