Kino

Der Mann, der Lemmy Caution war

Eddie Constantine als Eddie Ross im Film »Eddie – Miezen und Moneten« (1963) Foto: dpa

Er ging den umgekehrten Weg vieler Filmstars: von Hollywood nach Europa, von Los Angeles nach Paris. Der amerikanische Schauspieler Eddie Constantine war in Frankreich auf der Leinwand so populär wie der französische Superstar Jean Gabin. Das lag vor allem an seiner Rolle als Lemmy Caution.

Neun Mal verkörperte Constantine den Klischee-FBI-Agenten, sorgte in den 50er- und 60er-Jahre für volle Kinos auch in Deutschland. Und faszinierte selbst den französischen Nouvelle-Vague-Regisseur Jean-Luc Godard, für den er mehrfach vor der Kamera stand.

Schtetl Constantine wirkte schon als junger Mann immer so, als hätte er viel hinter sich. Zwei, drei Gesichtsausdrücke genügten ihm, um Eindruck zu machen. Vor 100 Jahren, am 29. Oktober 1917, kam er als Edward Constantinewski in Los Angeles auf die Welt. Seine Eltern waren jüdischen Emigranten.

Die Mutter des Schauspielers stammte aus einem polnischen Schtetl; der Vater, ein Opernsänger, war 1904 aus Russland gekommen und schlug sich in Hollywood als Requisiteur durch. In Wien studierte Eddie Gesang, arbeitete als Chorsänger in New Yorks »Radio City Music Hall« und gründete das Quintett »The Five Musketeers«.

Als Constantines erste Ehefrau Helenka Musilova, eine Balletttänzerin, in den späten 40er-Jahren beruflich nach Frankreich ging, kam er mit und traf in Paris die berühmte Edith Piaf. Sie wurden Freunde: »Die Piaf lehrte mich richtig zu singen.«

Constantine trat in Nachtclubs auf, auch im Pariser »Olympia«, und begeisterte das Publikum mit seinem Charme, seiner Stimme und der leicht geheimnisvollen Miene. Mit Chansons wie »L’homme et l’enfant« oder »Schenk Deiner Frau doch hin und wieder rote Rosen« landete er Hits in Frankreich und Deutschland.

Whiskey Das Kino war da nicht mehr weit. Schon sein zweiter Auftritt machte ihn 1953 zum Star: In Bernard Borderies Im Banne des blonden Satans spielte er den Agenten Lemmy Caution, der locker und mit Witz alle Gegner erledigt. Caution war Klischee pur: Hut, Trenchcoat, Zigarette im Mundwinkel, Whiskey-Glas in der Hand, eine attraktive Blondine im Arm, ein wenig müde wirkend.

Erfunden hatte ihn der britische Bestsellerautor Peter Cheyney, und Constantine präsentierte ihn perfekt. Eher schmächtig, mit schmalen Lippen, pockennarbigem Gesicht, dazu ein skeptischer Blick, der auch mal ein vorsichtiges Lächeln zuließ, erinnerte er in seiner zurückhaltenden Darstellungsweise an seine Vorbilder Humphrey Bogart und Jean Gabin. »Eddie setzte auf Charakter statt Mimik, auf Eindruck statt Ausdruck«, hieß es einmal in einem Porträt über ihn.

In Deutschland hatten die Lemmy-Caution-Filme so knackige Titel wie Rote Lippen – blaue Bohnen, Heisse Küsse – scharfe Schüsse, Gangster, Rauschgift und Blondinen. Das Nachrichtenmagazin »Der Spiegel« erkannte in dem Schauspieler 1958 das »erste einmütig umjubelte Idol Nachkriegs-Jungdeutschlands«, den Helden der Halbstarken.

freude Jean-Luc Godard sah in ihm eine »in sich fertige Figur«. In Godards romantischem Science-Fiction-Krimi Lemmy Caution gegen Alpha 60 konnte Eddie Constantine zu seiner Freude das Lemmy-Caution-Stereotyp ein wenig variieren: »Godard hat mir den Geschmack an der Arbeit wiedergegeben.« Der FBI-Agent kämpft in einer durch und durch von Maschinen bestimmten Welt gegen deren grausamen Herrscher.

Nicht nur Godard schätzte Constantines Qualitäten als stoischer Typ. In den 70er-Jahren machte er noch einmal Karriere im deutschen Film und im Fernsehen. Rainer Werner Fassbinder drehte mit ihm Die dritte Generation und Warnung vor einer heiligen Nutte, in Peter Lilienthals Malatesta beeindruckte er als alternder Anarchist.

In Udo Lindenbergs Panische Zeiten prügelte er sich als klassischer Lemmy Caution durch eine schrille Geschichte. In der kultigen Fernsehserie Roncalli glänzte Constantine als greiser Clown Pablo und in der Serie Kottan ermittelt persifliert er augenzwinkernd seine Agenten-Rolle.

einsam Einen seiner letzten Filme macht Constantine zwei Jahre vor seinem Tod noch einmal mit Godard: Deutschland Neu(n) Null (1991). Noch einmal ist er Lemmy Caution, in einer rundum veränderten Welt: ein einsamer, ratloser Spion, der unter falschem Namen in Ost-Berlin haust.

Am 25. Februar 1993 starb Eddie Constantine in Wiesbaden an den Folgen eines Herzinfarkts. Dort, in einer Villa am Kurpark, hatte er mit seiner dritten Frau Maya Faber-Jansen zurückgezogen gewohnt, der Mutter seiner Tochter Mia. Sie war das jüngste von sechs Kindern aus drei Ehen. »Hier habe ich die Ruhe gefunden, die ich in Los Angeles immer vergeblich gesucht habe«, sagte Constantine über seine deutsche Wahlheimat.

Medien

»Besonders perfide«

Israels Botschafter wirft ARD-Korrespondentin Sophie von der Tann Aktivismus vor. Die Hintergründe

 18.07.2025

London

Kneecap und Massive Attack wollen andere israelfeindliche Bands unterstützen

Einige der Initiatoren einer neuen Initiative verherrlichten den palästinensischen und libanesischen Terror auf der Bühne. Andere verglichen das Vorgehen Israels gegen die Hamas mit dem Holocaust

von Imanuel Marcus  18.07.2025

Darmstadt

Literaturpreise für Dan Diner und Ilma Rakusa

Diner habe die Geschichte des Judentums immer wieder als »Seismograph der Moderne« verstanden, begründete die Jury die Wahl

 18.07.2025

Nachruf

Nie erschöpfter, unerschöpflicher Herrscher des Theaters

Claus Peymann prägte das Theater im deutschen Sprachraum wie nur wenige andere. Nun ist er in Berlin gestorben. Erinnerungen an einen Giganten der Kulturszene

von Christian Rakow  18.07.2025

Kulturpolitik

Weimer sieht autoritäre Tendenzen im Kulturbetrieb

Attacken auf das weltberühmte Bauhaus und steigende Judenfeindlichkeit: Nach Einschätzung von Kulturstaatsminister Weimer steht der Kulturbetrieb zunehmend unter Druck

von Katrin Gänsler  18.07.2025

Tournee

Bob Dylan auf drei deutschen Bühnen

Das Publikum muss sich bei den Vorstellungen der lebenden Legende auf ein Handyverbot einstellen

 18.07.2025

Marbach

Israelische Soziologin Eva Illouz hält Schillerrede

Illouz widme sich dem Einfluss wirtschaftlichen Denkens und Handelns und greife damit Widersprüche kulturgeschichtlich auf, hieß es

 17.07.2025

Musik

1975: Das Jahr großer Alben jüdischer Musiker

Vor 50 Jahren erschienen zahlreiche tolle Schallplatten. Viele der Interpreten waren Juden. Um welche Aufnahmen geht es?

von Imanuel Marcus  17.07.2025

Interview

»Eine Heldin wider Willen«

Maya Lasker-Wallfisch über den 100. Geburtstag ihrer Mutter Anita Lasker-Wallfisch, die als Cellistin das KZ Auschwitz überlebte, eine schwierige Beziehung und die Zukunft der Erinnerung

von Ayala Goldmann  17.07.2025 Aktualisiert