Fernseh-Tipp

Der Geist des Duce: TV-Doku über ernüchternde Erinnerungskultur

Benito Mussolini Foto: picture alliance / Heritage Images

Fernseh-Tipp

Der Geist des Duce: TV-Doku über ernüchternde Erinnerungskultur

Ein linker Politiker in Italien kämpft gegen den Geist Mussolinis - und stößt auf Gegenwind

von Valeria Nickel  18.04.2023 21:42 Uhr

Auch Jahrzehnte nach dem Untergang der faschistischen Regime in Europa spukt der Geist mancher Diktatoren noch heute durch deren Geburtsstädte. In dem italienischen Ort Predappio zum Beispiel ist Benito Mussolini (1883-1945) noch allgegenwärtig: ob als Büste in Souvenirläden oder in der Familiengruft auf dem Stadtfriedhof oder auf Fotos bei rechten Aufmärschen.

Die Arte-Doku »Der Bürgermeister, Mussolini und das Museum« am Mittwoch um 22.10 Uhr begleitet Lokalpolitiker Giorgio Frassineti. Er will einen öffentlichen Ort schaffen, an dem sich kritisch mit dem Faschismus und der Regierungszeit Mussolinis von 1922 bis 1943 auseinandergesetzt wird.

Dokumentationszentrum Der ehemalige Bürgermeister Predappios kämpft seit vielen Jahren dafür, aus dem einstigen Haus der Partei, der »Casa del fascio e dell’ospitalità«, das erste Faschismus-Dokumentationszentrum Italiens zu machen. Auf unterhaltsame Weise, mit herrlich scharfsinniger musikalischer Untermalung und einer Prise Ironie zeigt der Film, wie wichtig und schwierig das Erinnern an symbolischen Orten ist.

»In Predappio sollte man sich kritisch mit der Geschichte auseinandersetzen und kein Kaspertheater veranstalten«, sagt Frassineti in der Doku. Eigentlich müsste es ein so charismatischer Typ wie er mit seinen Vorhaben ziemlich einfach haben. Bei den Filmaufnahmen 2019 ist er seit zehn Jahren Bürgermeister der 6000-Seelen-Stadt. Die Menschen auf der Straße grüßen ihn herzlich.

Und doch will es mit dem Museum einfach nicht klappen. Die Casa del fascio steht leer, während Predappio drei Mal im Jahr voll von Anhängerinnen und Anhängern Mussolinis ist. Sie pilgern vor allem an Daten wie seinem Geburts- und Todestag sowie dem Jahrestag der faschistischen Machtübernahme in das Örtchen zwischen Bologna und dem Mittelmeer. »Duce! Duce!«, tönt es dann durch die Straßen, »Führer« auf Italienisch. Eindrucksvoll hält der Regisseur Piergiorgio Curzi aktuelle Aufnahmen neben Rückblenden in die Mussolini-Jahre. Es scheint, als wiederholte sich in Predappio die Vergangenheit.

Gegenargumente Die Kritik an Frassinetis Vorschlag: Ein Faschismus-Museum spiele Nostalgikern in die Hände und spalte die Gesellschaft. Um Gegenargumente zu sammeln, besucht er andere europäische Städte, die in Fragen rund um Erinnerungskultur weiter sind. In Braunau am Inn, wo Adolf Hitlers Geburtshaus steht, spricht er mit dem Politologen Andreas Maislinger. Dieser setzt sich für ein Gedenkprojekt in dem Gebäude ein.

»Wir wissen alle, dass das nicht sinnvoll ist, wenn man Geschichte verleugnet«, betont Maislinger. Auch die ehemalige NSDAP-Parteizentrale in München steht auf Frassinetis Reiseplan. Die Direktorin Mirjam Zadoff fragt er darüber aus, was das dort entstandene Dokumentationszentrum für die Stadt bedeute.

Bei allem Eifer vergisst Frassineti allerdings nicht das »Dolce Vita«. Die Kamera zeigt ihn mit flatterndem Hemd und blankem Bauch, auf einem Tretboot oder am Strand mit seinen Freunden, wie er sich leidenschaftlich über seine Kritiker ärgert. »Wir Italiener haben uns selbst freigesprochen. Wir haben den Faschismus erfunden und tun jetzt so, als gehe uns das nichts mehr an«, stellt Frassineti zum Ende des Dokumentarfilms fest. »Der Bürgermeister, Mussolini und das Museum« hält fest: Die Geister der Vergangenheit lassen sich so nicht vertreiben.

Die Arte-Doku »Der Bürgermeister, Mussolini und das Museum« läuft am Mittwoch um 22.10 Uhr.

Ferdinand von Schirach

»Sie werden von mir kein Wort gegen Israel hören«

Der Jurist und Schriftsteller war zu Gast bei Markus Lanz - es war eine in mehrfacher Hinsicht bemerkenswerte Sendung

von Michael Thaidigsmann  04.09.2025

Chemnitz

Kunstfestival: Beauftragter hält einige Werke für judenfeindlich

Thomas Feist warf einigen Beteiligten »die Übernahme von «Fakten‹ vor, die nichts als Übernahme von Hamas-Propaganda sind«

 04.09.2025

Fotografie

Mode, nackte Haut und Skandale

Helmut Newton gehört zu den populärsten Modefotografen der Popkultur. Eine Doppelausstellung in Berlin beleuchtet nun seine Werke - und bringt sie mit Bildern anderer Künstler in einen Dialog

von Daniel Zander  04.09.2025

Bundesamt für Statistik

Dieser hebräische Vorname ist am beliebtesten bei Schweizer Eltern

Auch in der Schweiz wählen Eltern weiterhin häufig biblische Namen für ihr Neugeborenes

von Nicole Dreyfus  04.09.2025 Aktualisiert

50. Filmfestival Toronto

Russell Crowe spielt Hermann Göring

Doku »The Road Between Us: The Ultimate Rescue« erzählt den Terrorangriff der Hamas vom 7. Oktober 2023 aus israelischer Perspektive

 04.09.2025

Geheimnisse & Geständnisse

Plotkes

Klatsch und Tratsch aus der jüdischen Welt

von Katrin Richter  04.09.2025

Sehen!

»Happy Holidays«

»Ajami«-Regisseur Scandar Copti erzählt die Geschichte einer arabischen und einer jüdischen Familie in Haifa

von Dietmar Kanthak  04.09.2025

Serie

Rath im Ruhestand: Volker Kutscher schließt das Kapitel Gereon Rath

Ein letztes Mal betritt Gereon Rath die Bühne: In »Westend« verwebt Volker Kutscher Zeitgeschichte, Erinnerung und Fiktion zu einem fulminanten Abschied von seinem Kommissar – und zeigt, wie Vergangenheit nachwirkt

 04.09.2025

TV-Tipp

Exil-Beziehung in Zeiten des Krieges: Arte-Doku zur Liebe von Erich Maria Remarque und Marlene Dietrich

Eine Arte-Doku zeichnet die Liebesbeziehung zwischen den deutschen Exil-Weltstars Marlene Dietrich und Erich Maria Remarque nach. Dabei setzt sie oft auf Interpretationen statt auf Fakten, hält aber dennoch die Balance

von Christian Bartels  03.09.2025