Wuligers Woche

Demo? Ein Jud gehört ins Kaffeehaus!

Wie Karneval diente auch die Demo primär dem Wohlbefinden der Teilnehmer. Foto: imago/Bildgehege

Auf die Gefahr hin, es mir jetzt mit etlichen Freunden zu verderben: Nein, ich war nicht auf der »unteilbar«-Demo vergangenen Samstag in Berlin, an der 240.000 Menschen teilgenommen haben.

Ich könnte dafür politische Gründe anführen, etwa, dass auch Antisemiten dort mitmarschierten, von Muslimbrüdern bis BDS. Aber die überwiegende Mehrzahl der Demonstranten, darunter auch eine ganze Reihe Juden, war aus ehrenwerten Motiven dabei. Und »für eine offene und solidarische Gesellschaft, in der Menschenrechte unteilbar, in der vielfältige und selbstbestimmte Lebensentwürfe selbstverständlich sind«, wie es im Aufruf zu der Veranstaltung hieß, bin ich selbstverständlich auch.

Gründe Dass ich den sonnigen warmen Nachmittag trotzdem lieber auf der Caféterrasse verbracht habe, hat banalere Gründe: Ich mag keine Menschenmassen. Mir ist schon die Fußgängerzone am Wochenende zu viel. Wenn die Masse zudem noch kollektiv gut drauf ist – in Berichten von der Demo war des Öfteren von »Volksfeststimmung« die Rede –, wird mir noch unbehaglicher. Es erinnert mich an Karneval in Köln mit seinem nervigen Zwang zur gemeinschaftlichen Fröhlichkeit.

Wie Karneval diente auch die Demo unter dem Hashtag »unteilbar« primär dem Wohlbefinden der Teilnehmer. Sie vermittelte das schöne Gefühl, unter ganz, ganz vielen Gleichgesinnten zu sein. Das will ich gar nicht bespötteln. In Zeiten, in denen täglich Horrormeldungen auf einen einprasseln, denen man sich hilflos ausgeliefert fühlt, tut es der Seele gut, zu sehen, dass man mit seinen Gefühlen nicht alleine ist. Das sei den Demonstranten gern gegönnt. Nur: Wesentlich mehr wird dabei auch nicht herauskommen.

»Viel mehr als eine Demonstration. Ein Ereignis. Ein Zeichen. Ein Aufbruch. Wir bleiben«, haben die Veranstalter sich im Rausch des Erfolgs gefeiert. Doch auf jeden Rausch folgt der Kater. Um beim Karneval zu bleiben: Am Aschermittwoch ist alles vorbei. Trotz »unteilbar« geht die politische Krise mit ihren gesellschaftlichen Verwerfungen weiter. Die liberale Ordnung wankt, die Extremisten werden stärker, das gesellschaftliche Gefüge reißt immer mehr auseinander. Ach ja, der Antisemitismus nimmt auch stetig zu.

Anekdote Und die große Demo in Berlin? Von der werden nostalgische Erinnerungen aus der Rubrik »Weißt du noch, damals?« bleiben. Es ist wie in der Anekdote über eine neue Kanone der österreichischen Armee zu Zeiten von Kaiser Franz Joseph: »Getroffen hat sie ned, aber die moralische Wirkung war a ungeheure.«

Demonstrationen sind politische Veranstaltungen. Von Politik erwarte ich, dass sie etwas bewirkt. Es muss ja nicht gleich ein Sturm auf die Bastille sein. Aber mehr als narzisstische Selbstbeweihräucherung sollte dabei schon als Ergebnis vorzuweisen sein. Bis dahin müssen Demos ohne mich auskommen. Massenaufmärsche überlasse ich anderen. Ein Jud gehört ins Kaffeehaus.

Fernsehen

»Mord auf dem Inka-Pfad«: War der israelische Ehemann der Täter?

Es ist einer der ungewöhnlichsten Fälle der deutschen Kriminalgeschichte. Die ARD packt das Geschehen nun in einen sehenswerten True-Crime-Vierteiler

von Ute Wessels  07.05.2025

Kulturstaatsministerium

Weimer sichert Zentralrat der Juden Solidarität zu

Neuer Minister nach Gespräch mit Josef Schuster: »Für mich ist es schmerzlich, ja unerträglich, zu sehen, wie der Antisemitismus in die Gesellschaft hineinkriecht«

 07.05.2025 Aktualisiert

Antisemitismus

Kanye Wests Hitler-Song »WW3« ist Hit auf Spotify

Der Text ist voller Hitler-Verehrung, gleichzeitig behauptet der Musiker, er könne kein Antisemit sein, weil er schwarz sei

 07.05.2025

Großbritannien

Jonny-Greenwood-Konzerte wegen Drohungen von BDS abgesagt

Israelhasser wollen nicht, dass der Radiohead-Gitarrist mit einem Israeli arabische Liebeslieder vorträgt. Und sie setzen sich mit Drohungen durch

von Imanuel Marcus  07.05.2025

Berlin

Weimer: Antisemitismus in der Kultur als erstes großes Thema

Der neue Staatsminister für Kultur und Medien will an seinem ersten Tag ein Zeichen setzen - und empfängt gleich einen besonderen Gast

 07.05.2025

Kulturstaatsministerium

Wolfram Weimer entlässt »Claudia Roths Gehirn«

Der umstrittene BKM-Amtschef Andreas Görgen verliert unter Roths Nachfolger Wolfram Weimer seinen Posten

 07.05.2025

Programm

Termine und TV-Tipps

Termine und Tipps für den Zeitraum vom 8. Mai bis zum 16. Mai

 07.05.2025

Kulturstaatsministerium

Wolfram Weimer entlässt »Claudia Roths Gehirn«

Der umstrittene BKM-Amtschef Andreas Görgen verliert unter Roths Nachfolger Wolfram Weimer seinen Posten

 07.05.2025

Literatur

Der Verschollene

Daniel Kehlmann entdeckt in einem wunderbaren Essay den Romancier Leo Perutz auf überraschende Weise neu

von Marko Martin  06.05.2025