Sehen!

»Das kostbarste aller Güter«

Die Frau des Holzfällers und das Kind machen sich auf den Weg. Foto: ©Ex Nihilo / Les compagnons du cinéma / StudioCanal / France 3 / Les films du Fleuve 2024

Auf den ersten Blick klingt es irritierend: ein Schoa-Drama als märchenhafter Animationsfilm? Doch nach wenigen Minuten, nach dem Zeigen eines langen Standbilds einer verschneiten Winterlandschaft, in das sich der Film hineinbewegt, sowie dem märchenikonischen »Es war einmal in einem großen Wald« wird klar, dass Das kostbarste aller Güter, der auf dem gleichnamigen Jugendbuch des Drehbuchautors Jean-Claude Grumberg basierende Film von Michel Hazanavicius, als Hymne an die Menschlichkeit bestens funktioniert.

Erzählt wird darin die Geschichte von der Frau eines Holzfällers, die kinderlos und in größter Einsamkeit zu den »Zuggöttern« betet. Mitten im Wald findet sie eines Tages ein schreiendes Baby im Schnee. Es wurde, wie man später erfährt, von einem Richtung Auschwitz fahrenden Deportationszug geworfen. Für sie ist das Kind jedenfalls ein Geschenk, ihr Mann wiederum ist empört. Es stamme von einer »verfluchten Rasse«, von »Dieben«, die Gott getötet hätten. Doch als er mit eigenen Händen spürt, dass bei den vermeintlich »Herzlosen« ein Herz in der Brust schlägt, erkennt er, anders als sein antisemitisches Umfeld, seinen Irrglauben.

Grumberg, dessen Vater in Auschwitz ermordet wurde, stellt den Schrecken des Holocaust ein humanistisches Miteinander gegenüber.

Grumberg, dessen Vater in Auschwitz ermordet wurde, stellt den Schrecken des Holocaust ein humanistisches Miteinander gegenüber, das von Nächstenliebe getrieben ist. Hazanavicius, dessen Stummfilm-Hommage The Artist fünf Oscars gewann und der zuletzt mit der Zombiesatire Final Cut of the Dead beim Filmfest in Cannes, wo auch Das kostbarste aller Güter Premiere feierte, zu sehen war, findet in der Animation der grobstrichigen Zeichnungen eine allegorische Visualisierung. Sein Film, zu dem Alexandre Desplat eine teils arg ins Rührselige kippende Musik beigesteuert hat, ist ein zwischen Licht und Finsternis changierender Emotionalisierungsapparat.

Die Vernichtungsmaschinerie der Nazis ist, auch wenn der Film sich bewusst einer konkreten Verortung entzieht, durchweg präsent. Züge stampfen schwer durch den Wald, und mit einem Vogel blicken wir auf das Grauen im KZ, in dem später jemand ausgemergelte Leichen aus einer Kammer hievt. Der Animationsfilm richtet sich an ein jüngeres Publikum. Die Heftigkeit einiger Bilder darf trotzdem nicht unterschätzt werden.

Der Film läuft ab dem 6. März im Kino.

Meinung

Gratulation!

Warum die Ehrung der ARD-Israelkorrespondentin Sophie von der Tann mit dem renommierten Hanns-Joachim-Friedrichs-Preis nicht nur grundfalsch, sondern auch aberwitzig ist

von Lorenz Beckhardt  01.12.2025 Aktualisiert

Kommentar

Schiedsgerichte sind nur ein erster Schritt

Am 1. Dezember startet die Schiedsgerichtsbarkeit NS-Raubkunst. Doch es braucht eine gesetzliche Regelung auch für Werke in Privatbesitz, meint unser Gastautor

von Rüdiger Mahlo  01.12.2025

Rache

»Trigger-Thema« für Juden

Ein Filmseminar der Jüdischen Akademie untersuchte das Thema Vergeltung als kulturelle Inszenierung

von Raquel Erdtmann  01.12.2025

Wuppertal

Schmidt-Rottluff-Gemälde bleibt in Von der Heydt-Museum

»Zwei Frauen (Frauen im Grünen)« von Karl Schmidt-Rottluff kann im Von der Heydt Museum in Wuppertal bleiben. Nach Rückgabe an die Erbin erwarb die Stadt das Bild von ihr. Vorausgegangen waren intensive Recherchen zur Herkunft

 01.12.2025

Dorset

»Shakespeare In Love« - Dramatiker Tom Stoppard gestorben

Der jüdische Oscar-Preisträger war ein Meister der intellektuellen Komödie. Er wurde 88 Jahre alt

von Patricia Bartos  01.12.2025

Fernsehen

Abschied von »Alfons«

Orange Trainingsjacke, Püschelmikro und Deutsch mit französischem Akzent: Der Kabarettist Alfons hat am 16. Dezember seine letzte Sendung beim Saarländischen Rundfunk

 30.11.2025 Aktualisiert

Gerechtigkeit

Jüdische Verbände dringen auf Rückgabegesetz 

Jüdische Verbände dringen auf Rückgabegesetz Jahrzehnte nach Ende des NS-Regimes hoffen Erben der Opfer immer noch auf Rückgabe von damals geraubten Kunstwerken. Zum 1. Dezember starten Schiedsgerichte. Aber ein angekündigter Schritt fehlt noch

von Verena Schmitt-Roschmann  30.11.2025

Berlin

Späte Gerechtigkeit? Neue Schiedsgerichte zur NS-Raubkunst

Jahrzehnte nach Ende der Nazi-Zeit kämpfen Erben jüdischer Opfer immer noch um die Rückgabe geraubter Kunstwerke. Ab dem 1. Dezember soll es leichter werden, die Streitfälle zu klären. Funktioniert das?

von Cordula Dieckmann, Dorothea Hülsmeier, Verena Schmitt-Roschmann  29.11.2025

Interview

»Es ist sehr viel Zeit verloren gegangen«

Hans-Jürgen Papier, ehemaliger Präsident des Bundesverfassungsgerichts, zieht eine Bilanz seiner Arbeit an der Spitze der »Beratenden Kommission NS-Raubgut«, die jetzt abgewickelt und durch Schiedsgerichte ersetzt wird

von Michael Thaidigsmann  29.11.2025