Foodtech

Das Gelbe vom veganen Ei

Israelische Start-ups wollen Alternativen zu tierischen Lebensmitteln zum Durchbruch verhelfen

von Ralf Balke  02.07.2022 23:31 Uhr

Henne oder Ei – was war zuerst da? Für Frühstücksfans könnte diese Frage bald obsolet werden. Foto: Getty Images/iStockphoto

Israelische Start-ups wollen Alternativen zu tierischen Lebensmitteln zum Durchbruch verhelfen

von Ralf Balke  02.07.2022 23:31 Uhr

Henne oder Ei – was war zuerst da? Für Freunde des gepflegten Frühstücks könnte diese Frage bald obsolet werden. Denn einem israelischen Foodtech-Start-up ist genau das gelungen, was viele Liebhaber von gebratenen, gekochten oder sogar pochierten Eiern bei den veganen Alternativen immer vermisst haben: ein Produkt zu schaffen, das einem Hühnerei nicht nur im Geschmack möglichst nahe kommt, sondern auch in Optik und Konsistenz.

Gewiss, wer aus ethischen oder sonstigen Gründen auf Milch, Fleisch und andere tierische Lebensmittel verzichten will, dem steht schon länger eine riesige Palette an Möglichkeiten zur Verfügung. Nur mit den Eiern war das stets so eine Sache. Das Fünf-Minuten-Ei oder das Spiegelei ließen sich bis dato kaum imitieren. Und die vegane Version eines Rühreis, zumeist auf Basis von Räucher-Tofu und einer Prise Kurkuma für die gelbliche Färbung, gleicht eher einer Verzichtserklärung und hat mit Genuss wenig zu tun.

Vegane Alternativen zum Ei waren bisher in flüssiger Form oder im Block zu haben.

»Yo! Egg«, ein 2019 in der israelischen Stadt Pardes Chana von der veganen Star-Köchin Yosefa Ben Cohen ins Leben gerufenes Start-up, wollte da Abhilfe schaffen. Aus pflanzlichen Proteinen, Wasser, Sonnenblumenöl, Soja, Mehl sowie einigen weiteren veganen Zutaten haben die Israelis ein Äquivalent zum Hühnerei geschaffen, das ohne Cholesterin ein sogenanntes Vollei-Erlebnis vermitteln soll, also richtiges Eiweiß mit einem – auf Wunsch leicht flüssigen – sattgelben Dotter.

Denn ansonsten waren die veganen Alternativen fast ausschließlich in flüssiger Form oder im Block zu haben. Nun ist Yo! Egg nicht das erste Unternehmen, das mit einem solchen Versprechen aufwartet. Den Anfang machte im Januar die Schweizer Handelskette Migros mit ihrem »V-Love The Boiled«. Doch geschmacklich fiel deren gekochtes Ersatz-Ei beim Verbraucher durch.

SPEISEKARTE Anders dagegen Yo! Egg. Ihre veganen Eier überzeugten selbst die kritischen Gaumen der Tester einer israelischen, auch in Berlin präsenten Frühstücksrestaurant-Kette, sodass sie dort auf der Speisekarte landeten. Und weil Israel bekanntlich ein kleiner Markt ist, steht nach einer ersten Finanzierungsrunde, die fünf Millionen Dollar Wagniskapital einspielte, das Debüt in der amerikanischen Gastronomie im Großraum Los Angeles an.

»Unser Team verfügt über exzellentes Know-how im Bereich Produktinnovation sowie das notwendige technische Talent, wodurch wir einen Beitrag leisten können, die Art und Weise, wie künftig Eier produziert und konsumiert werden, zu revolutionieren«, ist Eran Groner überzeugt. »Erklärtes Ziel ist es, der größte und nachhaltigste Eierproduzent der Welt zu werden, nur ohne Hühner eben«, so der Chef von Yo! Egg.

Offensichtlich gibt es in Israel reichlich Potenzial im Bereich Foodtech.

Dass es dabei nicht um Peanuts geht, haben die Analysten von »Research and Markets« einmal ausgerechnet. Sie prognostizieren das Volumen des globalen Markts für vegane Eiprodukte auf einen Wert von 2,6 Milliarden Dollar im Jahr 2026. Zum Vergleich: 2019 waren es noch rund 650 Millionen Dollar. »Angesichts der Tatsache, dass Hunderte Millionen Menschen auf der ganzen Welt nach pflanzlichen Alternativen suchen, wird Yo! Egg gewiss ein Hit in den Restaurants«, meint Gigi Levy-Weiss von der amerikanisch-israelischen Investmentfirma NFX, einer der zwei Geldgeber von Yo! Egg.

methoden Egal ob vegane Eier, Fleisch aus dem 3D-Drucker oder Käse, der weder von Kühen noch von Ziegen stammt: Offensichtlich gibt es in Israel reichlich Potenzial im Bereich Foodtech. Etwa 400 Unternehmen tummeln sich mittlerweile in diesem Bereich, allein 100 davon beschäftigen sich mit neuen Methoden, Proteine zu gewinnen, die rein pflanzlich sind.

Eines von ihnen heißt InnovoPro. 2015 gegründet, war das Start-up vergangenes Jahr unter den Siegern des »Good Food For All«-Wettbewerbs der Vereinten Nationen, welcher besonders nachhaltige und Ressourcen schonende Innovationen in der Lebensmitteltechnik prämierte.

In den Labors von InnovoPro in Ra’anana dreht sich alles um die Verwendung von CP-Pro 70, einem von dem Start-up eigens entwickelten Kichererbsenprotein, in ganz verschiedenen Rezepten. »Wir haben vielleicht die Zauberformel gefunden, mit der Lebensmittelunternehmen völlig unterschiedliche Produkte wie Joghurt, Mayonnaise, Schokolade, Eier und Fleisch herstellen können«, bringt es Taly Nechushtan auf den Punkt.

experimente »Gerade laufen Experimente mit dem Material, das wir ›die geheime Soße‹ nennen«, so die Geschäftsführerin von InnovoPro. »Damit lässt sich von Eiscreme bis hin zum Cheddar-Käse eine Menge machen.« 23 Millionen Dollar steckten Investoren bis jetzt in die Idee.

Und InnovoPro ist nicht allein. Rund 36 Prozent aller weltweiten Investitionen in die Entwicklung und Herstellung von Proteinen sollen laut dem Good Food Institute (GFI) nach Israel fließen – eine unglaubliche Leistung für ein so kleines Land, wie Alla Voldman vom GFI findet. »Israel ist internationaler Innovationsführer in diesem Segment«, betont sie.

Neben Start-ups sind auch die Platzhirsche der Lebensmittelbranche in dem Segment aktiv.

Der Erfolg hat viele Väter und Mütter. Da ist zum einen die Israel Innovation Authority, eine Behörde, die für die Förderung der industriellen Forschung und Entwicklung zuständig ist. »Wir waren von Anfang an am Wachstum des Foodtech-Sektors beteiligt«, erklärt Anya Eldan, Vizepräsidentin der dortigen Start-up-Abteilung. »Viele, die im Hightech-Bereich in der Forschung tätig sind, haben nie daran gedacht, ihre Kompetenzen und ihr Wissen auch im Gebiet Lebensmittel einzusetzen.«

inkubator-programm Deshalb hatte man vor knapp acht Jahren ein Inkubator-Programm eingerichtet, das Wissenschaftler, die beispielsweise in der Biotechnologie arbeiten, mit Lebensmittelunternehmen zusammenbrachte.

Aber auch die Platzhirsche der Branche in Israel wurden aktiv, allen voran die Strauss-Gruppe, einer der großen Nahrungsmittelhersteller. 2015 schuf man seinen eigenen Ideen-Brutkasten, genannt »The Kitchen«, andere wie Tnuva oder Tempo folgten später. »Diese Idee hatte ansonsten noch niemand«, freute sich damals Amir Zaidman, Vize-Präsident und Mitbegründer der Innovationsküche. Auf diese Weise entstanden 22 neue Unternehmen allein in »The Kitchen«. Ob sie das Gelbe vom Ei sind, das wird die Zukunft zeigen, die Chancen stehen aber gut.

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