Frankfurt

Dank an einen Freund der Juden

Angesichts jüngster antisemitischer Übergriffe hat sich Zentralratspräsident Dieter Graumann für den öffentlichen Beistand für Juden in Deutschland bedankt.

Medien und Kirchen hätten sich vorbildlich engagiert, aus der Politik hätte es viele Signale der Solidarität gegeben, sagte Graumann am Freitag in Frankfurt am Main bei einer Trauerfeier für den im Juni plötzlich verstorbenen Publizisten Frank Schirrmacher. Namentlich bedankte sich der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland beim anwesenden Bundespräsidenten Joachim Gauck für dessen »herzliche und bewegende Worte«.

Position bezogen Graumann hatte sich in seiner Rede vorgenommen, die »jüdische Perspektive« zu schildern. »Er hat sich immer wieder für uns eingesetzt«, so Graumanns Fazit, das er an Hand von drei unterschiedlichen Ereignissen belegen konnte.

So habe sich Schirrmacher geweigert, Martin Walsers Buch Tod eines Kritikers, das sich wie eine mörderische Abrechnung mit Marcel Reich-Ranicki liest, vorab in der FAZ abzudrucken. Auch habe niemand das Anti-Israel Gedicht von Günter Grass so glasklar analysiert und in seinem Ressentiments entlarvt wie Schirrmacher.

In der Beschneidungsdebatte hatte Schirrmacher ebenfalls eine projüdische Position bezogen: »Es hätte erst einmal gereicht, wenn die Justiz, die sich jetzt für Jahrtausende zuständig fühlt, damals sich nur für zwölf Jahre zuständig gefühlt hätte, als Deutsche und ihre Helfer nicht nur Körperverletzung an Juden betrieben, sondern Mord und Totschlag«, hatte der FAZ-Mitherausgeber 2012 in einer Rede zugespitzt formuliert.

Schmerz Vor allem aber habe Schirrmacher einen Satz geäußert, welchen er, Graumann, am liebsten »täglich als Rundmail verschicken« würde: »Das Maß des Schmerzes, den Deutsche Juden zugefügt haben, ist zu groß, als dass man auch nur ein falsches Wort vertragen kann.«

Diesen Ausspruch wertete Graumann als kluges und sensibles Bekenntnis »zur ganz besonderen, fragilen Gefühlswelt der jüdischen Gemeinschaft in Deutschland«. Und er fragte, wie Schirrmacher wohl in diesem »für uns nicht gerade leichten Sommer« auf die »antisemitischen Slogans von schamloser Scheußlichkeit«, wie man sie hierzulande plötzlich auf den Straßen höre, reagiert hätte.

Knapp drei Monate nach dem Tod des Publizisten am 12. Juni hatten sich in der Frankfurter Paulskirche Weggefährten und Prominente aus Medien, Kultur und Politik zu der Gedenkfeier versammelt. Zu den Gästen zählten neben Bundespräsident Joachim Gauck auch der Präsident des Europaparlaments, Martin Schulz (SPD), und der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU).

Frankfurts Oberbürgermeister Peter Feldmann (SPD) bezeichnete den Verstorbenen als »großen Visionär«, der »besessen von der Gegenwart« war und gleichzeitig auch ein »Mann der Vergangenheit« gewesen sei, weil er an die Tradition des Frankfurter Bürgertums angeknüpft habe. Gelte Ludwig Börne als Erfinder des Feuilletons, so war Schirrmacher dessen Reformer, indem er es für Naturwissenschaften und politische Diskurse öffnete.

Auch der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) würdigte Schirrmacher als »Protagonisten von Zukunftsdebatten«, der früher als alle Anderen kommende Themen aufgegriffen und mit Akribie bearbeitet habe. »Ich verneige mich mit Dank, in Namen Hessens, aber auch ganz persönlich, vor einer großen Lebensleistung und einer großen Persönlichkeit«, sagte Bouffier.

REich-Ranicki
Nur elf Tage vor seinem Tod hatte Schirrmacher noch an einem Festakt zu Ehren des am 18. September 2013 verstorbenen Marcel Reich-Ranicki in der Paulskirche teilgenommen. Er war dessen Nachfolger in der Redaktion »Literatur und literarisches Leben« in der FAZ.

Frank Schirrmacher, der eine Ehefrau und zwei Kinder hinterließ, wäre an diesem Freitag 55 Jahre alt geworden. Er war seit 1994 einer der Herausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Einer breiteren Öffentlichkeit wurde er unter anderem mit den Büchern Das Methusalem-Komplott (2004) und Ego (2013) bekannt. Er galt als einer der bedeutendsten Intellektuellen in Deutschland, der sich immer wieder in Debatten zu den Themen Gentechnik, Alterung der Gesellschaft und digitaler Wandel einschaltete. mit epd

Essen

Festival jüdischer Musik mit Igor Levit und Lahav Shani

Der Festivalname »TIKWAH« (hebräisch für »Hoffnung«) solle »ein wichtiges Signal in schwierigen Zeiten« setzen, hieß es

 15.09.2025

Bremen

Seyla Benhabib erhält den Hannah-Arendt-Preis für politisches Denken

Die Jury würdigte Benhabib als »herausragende politische und philosophische Intellektuelle«

 15.09.2025

Eurovision

Israel hält nach Boykottaufrufen an ESC-Teilnahme fest

Israel will trotz Boykott-Drohungen mehrerer Länder am Eurovision Song Contest 2026 teilnehmen. Wie andere Länder und Veranstalter reagieren

 15.09.2025

Antisemitismusskandal

Bundespräsident trifft ausgeladenen Dirigenten Shani

Nach dem Eklat um eine Ausladung der Münchner Philharmoniker in Belgien hat Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier den künftigen israelischen Chefdirigenten Lahav Shani ins Schloss Bellevue eingeladen

von Anne Mertens  15.09.2025

Literatur

Ein Funke Hoffnung

Rafael Seligmann hält Deutschland derzeit nicht für den richtigen Ort einer Renaissance jüdischen Lebens. Trotzdem gibt er die Vision nicht auf. Ein Auszug aus dem neuen Buch unseres Autors

von Rafael Seligmann  15.09.2025

Los Angeles

»The Studio« räumt bei den Emmys 13-fach ab

Überraschende Sieger und politische Statements: Ausgerechnet eine jüdische Darstellerin ruft eine israelfeindliche Parole

von Christian Fahrenbach  15.09.2025

Freiburg im Breisgau

»Keine Schonzeit für Juden«: Neues Buch von Rafael Seligmann

Antisemitismus, der 7. Oktober 2023, ein Umzug von Tel Aviv nach München in den 1950er Jahren und ein bewegtes Leben: Der Historiker streift und vertieft in seinem aktuellen Werk viele Themen

von Leticia Witte  15.09.2025

Kino

Für Hermann Göring lernte Russell Crowe Deutsch

Crowe spielt den Nazi-Verbrecher in »Nuremberg«, einem packenden Thriller über die Nürnberger Prozesse

von Manuela Imre  14.09.2025 Aktualisiert

Nach Antisemitismus-Eklat

Lahav Shani wird im Ruhrgebiet begeistert empfangen

Den Auftritt in Essen besuchte auch Belgiens Premier Bart De Wever

 14.09.2025 Aktualisiert