Raubkunst

Biografie der Bilder

Die Rückseite des Bildes ist mit Papieraufklebern und Namen bestückt. »No 1468, Galerie Kahnweiler, Rue Vignon« ist darauf zu lesen. Auf der Vorderseite sieht man eine Zeitung und ein Glas. Es handelt sich um das Stillleben mit Glas und Zeitung von Georges Braque von 1913, das einst dem jüdischen Kunsthändler Kahnweiler gehörte, der während der Schoa aus Paris fliehen musste.

Derzeit wird es im Museum Berggruen gezeigt – und zwar von beiden Seiten. Die Ende November eröffnete Ausstellung Biografien der Bilder widmet sich schwerpunktmäßig deren Herkunft.
»Die Vorderseiten erzählen Geschichten, aber eben auch die Rückseiten – jedes Kunstwerk hat eine eigene Biografie«, sagt Udo Kittelmann, Direktor der Nationalgalerie.

ZEUGEN Die Bilder seien »Zeugen der Geschichte«, man müsse sie nun »zum Reden bringen«. Die vergessenen, versteckten und manchmal bewusst verborgenen Details in den Biografien der Objekte ins Bewusstsein zu holen, ist Ziel der Provenienzforschung – von der Entstehung des Werkes bis hin zu dem Zeitpunkt, als das Objekt ins Museum gelangte.

Denn einige der Bilder sind unrechtmäßig durch die Nazis geraubt worden. Andere der in der Ausstellung gezeigten 45 Bilder haben mehrmals den Besitzer gewechselt. So wie das Stillleben von Georges Braque: Von Paris gelangte es nach London, von dort nach Philadelphia, mit Zwischenstationen wieder in London, New York und Italien, bis es 1981 von dem jüdischen Kunstsammler Heinz Berggruen gekauft wurde.

Die Kuratoren haben acht Themenräume eingerichtet. Neben jedem Bild kann man die Namen der Besitzer lesen.

Die Forscher nutzten dazu Karteikarten Berggruens, Archive, Museen und Bibliotheken.

Ein weiteres Thema sind »Kunsthändler und -sammler«. So wird etwa der jüdische Sammler Daniel-Henry Kahnweiler porträtiert, es geht um Kunstraub in Frankreich während der Nazizeit; ein Krimi um ein Stillleben mit multiplen Identitäten zeigt, wie schwierig es ist, zu forschen. Natürlich wird auch Heinz Berggruen vorgestellt; ebenso wird erklärt, was Provenienzforschung genau ist. In einem Raum hat der Künstler Raphael Denis eine Installation angefertigt, in der er den Kunstraub beeindruckend thematisiert.

PICASSO Auch den eigenen Museumsbestand aus der ehemaligen Privatsammlung Berggruens, der im Jahr 2000 von der Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK) erworben wurde, nahmen die Forscher unter die Lupe, berichtet Kuratorin Doris Kachel. 135 Rückseiten von Werken des Museums Berggruen wurden dafür gesichtet, darunter berühmte Bilder von Pablo Picasso, Paul Klee, Georges Braque, Henri Matisse und Henri Laurens, die bis 1945 in Europa und in den USA gehandelt wurden.

Sie wurden systematisch untersucht, um NS-verfolgungsbedingt entzogenes Kulturgut, insbesondere aus jüdischem Besitz, zu ermitteln. Die Forscher nutzten dazu Karteikarten Berggruens, Archive, Museen und Bibliotheken und recherchierten zu Verfolgungsschicksalen.

Heinz Berggruen hatte keines der Bilder vor 1945 erworben. Bisher konnte bei 83 Werken ein NS-verfolgungsbedingter Verlust ausgeschlossen werden, sagte Doris Kachel. Bei vier Werken von Picasso konnte ermittelt werden, dass sie vom »Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg« (ERR) beschlagnahmt worden waren, einer NSDAP-Rauborganisation für Kulturgüter aus den besetzten Ländern während des Zweiten Weltkriegs unter der Leitung des NS-Parteiideologen Alfred Rosenberg und des von ihm geführten Außenpolitischen Amtes.

LÜCKEN Alle vier Werke wurden als NS-Raubkunst an die rechtmäßigen Eigentümer zurückgegeben. Sie gelangten erst später in die Sammlung Berggruen. Bei 48 Werken gebe es noch Lücken bei der Herkunft.

In den vergangenen 20 Jahren hätten die Museen immer mehr ihre Verantwortung wahrgenommen, ihre Bestände auf NS-Raubkunst zu prüfen, sagte SPK-Präsident Hermann Parzinger. Die Stiftung hat einige Forschungsprojekte durchgeführt und zahlreiche Einzelfälle geprüft.

Mehr als 350 Kunstwerke und mehr als 2000 Bücher konnten an die rechtmäßigen Erben zurückgegeben werden. »Transparenz und Vermittlung der Ergebnisse sind uns wichtig«, betonte Hermann Parzinger. Deutschland habe eine ganz besondere Verantwortung. Deshalb freue er sich über die Ausstellung, die von der Nationalgalerie, den Staatlichen Museen zu Berlin und dem Zentralarchiv organisiert wurde.

Genf

Entscheidung gefällt: Israel bleibt im Eurovision Song Contest

Eine Mehrheit der 56 Mitgliedsländer in der European Broadcasting Union stellte sich am Donnerstag gegen den Ausschluss Israels. Nun wollen Länder wie Irland, Spanien und die Niederlande den Musikwettbewerb boykottieren

von Michael Thaidigsmann  04.12.2025

Medien

»Die Kritik trifft mich, entbehrt aber jeder Grundlage«

Sophie von der Tann wird heute mit dem Hanns-Joachim-Friedrichs-Preis geehrt. Bislang schwieg sie zur scharfen Kritik an ihrer Arbeit. Doch jetzt antwortete die ARD-Journalistin ihren Kritikern

 04.12.2025

Antisemitismus

Schlechtes Zeugnis für deutsche Schulen

Rapper Ben Salomo schreibt über seine Erfahrungen mit judenfeindlichen Einstellungen im Bildungsbereich

von Eva M. Grünewald  04.12.2025

Literatur

Königin Esther beim Mossad

John Irvings neuer Roman dreht sich um eine Jüdin mit komplexer Geschichte

von Alexander Kluy  04.12.2025

Geheimnisse & Geständnisse

Plotkes

Klatsch und Tratsch aus der jüdischen Welt

von Katrin Richter, Imanuel Marcus  04.12.2025

Show-Legende

Mr. Bojangles: Sammy Davis Jr. wäre 100 Jahre alt geworden

Er sang, tanzte, gab den Spaßmacher. Sammy Davis Jr. strebte nach Erfolg und bot dem Rassismus in den USA die Stirn. Der Mann aus Harlem gilt als eines der größten Showtalente

von Alexander Lang  04.12.2025

Preisvergabe

Charlotte Knobloch kritisiert Berichterstattung von Sophie von der Tann

Dass problematische Berichterstattung auch noch mit einem Preis ausgezeichnet werde, verschlage ihr die Sprache, sagt die Präsidentin der IKG München

 04.12.2025

Philosophie

Drang zur Tiefe

Auch 50 Jahre nach ihrem Tod entzieht sich das Denken Hannah Arendts einer klaren Einordnung

von Marcel Matthies  04.12.2025

Kulturbetrieb

»Wie lange will das politische Deutschland noch zusehen?«

Der Bundestagskulturausschuss hörte Experten zum Thema Antisemitismus an. Uneins war man sich vor allem bei der Frage, wie weit die Kunstfreiheit geht

von Michael Thaidigsmann  04.12.2025