Nelly Toll bekam am Montagabend im Schlüterhof des Deutschen Historischen Museums einen besonders langen Applaus. Die 80-jährige Literaturprofessorin, die heute in den USA lebt, war Ehrengast bei der Eröffnung der Ausstellung »Kunst aus dem Holocaust«. Denn unter den 100 Bildern, die zum ersten Mal in Deutschland gezeigt werden, ist auch das der damals achtjährigen Nelly Toll, die sich als Kind mit ihrer Mutter vor den Nazis verstecken musste.
Sie malte sich die Einsamkeit, die Angst und die Ungewissheit von der Seele, schrieb Gedichte und führte Tagebuch – auf engstem Raum. Ein Leben, das Bundeskanzlerin Angela Merkel tief bewegt. Auch deswegen habe es Merkel »unheimlich berührt und gefreut«, Toll zu begegnen und mit ihr gemeinsam durch die Ausstellung zu gehen. »Ihre Werke sind unheimlich beeindruckend.«
Zivilisationsbruch Die Ausstellung, sagte Merkel, zeige »Zeugnisse des Zivilisationsbruches, die Kunst und Dokument in einem sind«. Es sei ein »Alltag jenseits der Alltäglichkeit« zu sehen. Die Bundeskanzlerin betonte, dass die millionenfachen Geschichten und das unfassbare Leid in »unserem nationalen Gedächtnis haften« bleiben.
Die überwiegend grafischen Blätter der Ausstellung stammen aus Konzentrationslagern, Arbeitslagern, Ghettos und entstanden im Geheimen. »Sie sind Ausdruck dessen, was die Opfer während der Schoa zu erleiden hatten«, sagt Avner Shalev, Vorsitzender der Jerusalemer Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem. In dieser Ausstellung sehe man »herausragende Kunst, besonders und zerbrechlich«, die trotz allem »eine außergewöhnlich Energie und Kraft vereint«, so Shalev.
Zeitpunkt Dass die Jerusalemer Gedenkstätte zum ersten Mal eine so große Anzahl Bilder aus ihrem Archiv nach Deutschland schicke, sei eine bewusste Entscheidung zum »richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort gewesen«, sagte Shalev bereits am Montagvormittag. Die Idee, 100 Bilder aus Yad Vashem in Deutschland zu zeigen, war auf Initiative des ehemaligen Bild-Chefredakteurs Kai Diekmann nach einem Besuch in der Gedenkstätte entstanden.
Für Diekmann, der seit 1985 beim Springer-Konzern als Journalist und später Chefredakteur arbeitete, sei »die Verpflichtung für und gegenüber Israel«, wie sie Konzerngründer Axel Springer in den Arbeitsverträgen der Redakteure festschrieb, eben nicht nur eine offizielle Formel gewesen. Wie alle anderen Springer-Redakteure »lebe« er sie. Diekmann betonte bei der Ausstellungseröffnung: »Es darf in Deutschland nie wieder Platz für Antisemitismus sein.« kat
Die Ausstellung ist täglich von 10 bis 18 Uhr zu sehen.
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