Wuligers Woche

Bibi und die Autokraten

In der Politik kann man sich seine Gesellschaft nicht aussuchen. Foto: imago/ZUMA Press

Jair Messias Bolsonaro ist, nach allem, was man so hört und liest, eine unangenehme Erscheinung. Der neu gewählte brasilianische Präsident hetzt gegen Minderheiten, schwärmt für Militärdiktaturen und droht politischen Gegnern mit Gewalt.

Dass Benjamin Netanjahu nun angekündigt hat, zu Bolsonaros Amtseinführung zu fahren, stößt mir sauer auf. Genauso sauer, wie der Empfang von Ungarns Ministerpräsident Orbán im Sommer in Jerusalem oder Bibis kumpelhaftes Auftreten mit Donald Trump. Der Sultan von Oman, den Netanjahu kürzlich besuchte, zählt auch nicht gerade zu den Trägern von Demokratie- und Menschenrechtspreisen. Solche Leute würde ich nicht einmal mit der Kneifzange anfassen.

Kompass Aber ich bin auch kein Staat. Staaten können sich nicht aussuchen, mit wem sie zu tun haben wollen. Nicht Moral ist ihr Kompass, sondern Interessen. Israels Interesse ist es, Brasilien, das größte Land Lateinamerikas, für sich zu gewinnen, das jahrzehntelang pro-palästinensische Positionen einnahm.

Dafür nimmt man auch einen Faschisten in Kauf. Der jüdische Staat ist da nicht besser oder schlechter als beispielsweise Deutschland, das erst vor Kurzem dem unappetitlichen Herrn Erdogan einen festlichen Staatsempfang bereitete. Und Netanjahu verhält sich keinen Deut anders als etwa Schimon Peres, der mit Apartheid-Südafrika in den 70er-Jahren eine enge politische und militärische Zusammenarbeit betrieb.

Trotzdem tun gerade Juden sich schwer mit solcherart Realpolitik. Sie verträgt sich nicht mit unseren ethischen Prinzipien. Auf die hat das jüdische Volk 2000 Jahre lang gebaut. Politik betreibt es erst seit 70 Jahren. Und vor allem in der Diaspora besteht noch Gewöhnungsbedarf an deren schmutzige Seiten. Schöner wäre es, Israel verhielte sich tatsächlich wie das biblische »Licht unter den Völkern«. Das würde auch manche Diskussion mit Kritikern erleichtern.

Ermahnungen Doch Politik folgt – leider – den Maximen Niccolò Machiavellis mehr als den Ermahnungen Jesajas. Und so finden wir uns an der Seite Israels in Gesellschaft von Figuren wie Bolsonaro wieder. Da tröstet es auch wenig, dass sich im anderen Lager genauso schlimme und genauso viele Schurken tummeln.

Ich würde mich wohler fühlen, wenn der jüdische Staat nur mit liberalen Demokratien enge Beziehungen pflegen würde. Doch abgesehen davon, dass deren Zahl kontinuierlich abnimmt, ist mein Wohlbefinden nicht die Staatsräson Israels. Das Land hat wichtigere Prob­leme. Also werde ich demnächst mit Magengrimmen die Fernsehbilder eines lächelnden Netanjahu mit einem strahlenden Bolsonaro ansehen müssen.

»Zeig mir deine Freunde, und ich sag dir, wer du bist«, lautet ein Sprichwort. Aber in der Politik gilt eher das Zitat von Charles de Gaulle: »Staaten haben keine Freunde, nur Interessen«. Auch der Staat Israel. Das ist immer noch gewöhnungsbedürftig. Gewöhnen wir uns daran.

Aufgegabelt

Plätzchen mit Halva

Rezepte und Leckeres

 05.12.2025

Kulturkolumne

Bestseller sind Zeitverschwendung

Meine Lektüre-Empfehlung: Lesen Sie lieber Thomas Mann als Florian Illies!

von Ayala Goldmann  05.12.2025

TV-Tipp

»Eigentlich besitzen sie eine Katzenfarm« - Arte-Doku blickt zurück auf das Filmschaffen von Joel und Ethan Coen

Die Coen-Brüder haben das US-Kino geprägt und mit vielen Stars zusammengearbeitet. Eine Dokumentation versucht nun, das Geheimnis ihres Erfolges zu entschlüsseln - und stößt vor allem auf interessante Frauen

von Manfred Riepe  05.12.2025

Köln

Andrea Kiewel fürchtete in Israel um ihr Leben

Während des Krieges zwischen dem Iran und Israel saß Andrea Kiewel in Tel Aviv fest und verpasste ihr 25. Jubiläum beim »ZDF-Fernsehgarten«. Nun sprach sie darüber, wie sie diese Zeit erlebte

 05.12.2025

Genf

Entscheidung gefällt: Israel bleibt im Eurovision Song Contest

Eine Mehrheit der 56 Mitgliedsländer in der European Broadcasting Union stellte sich am Donnerstag gegen den Ausschluss Israels. Nun wollen Länder wie Irland, Spanien und die Niederlande den Musikwettbewerb boykottieren

von Michael Thaidigsmann  04.12.2025

Medien

»Die Kritik trifft mich, entbehrt aber jeder Grundlage«

Sophie von der Tann wird heute mit dem Hanns-Joachim-Friedrichs-Preis geehrt. Bislang schwieg sie zur scharfen Kritik an ihrer Arbeit. Doch jetzt antwortete die ARD-Journalistin ihren Kritikern

 04.12.2025

Antisemitismus

Schlechtes Zeugnis für deutsche Schulen

Rapper Ben Salomo schreibt über seine Erfahrungen mit judenfeindlichen Einstellungen im Bildungsbereich

von Eva M. Grünewald  04.12.2025

Literatur

Königin Esther beim Mossad

John Irvings neuer Roman dreht sich um eine Jüdin mit komplexer Geschichte

von Alexander Kluy  04.12.2025

Geheimnisse & Geständnisse

Plotkes

Klatsch und Tratsch aus der jüdischen Welt

von Katrin Richter, Imanuel Marcus  04.12.2025