Literatur

Barbara Honigmann erhält den Jean-Paul-Preis

Schriftstellerin Barbara Honigmann Foto: dpa

Literatur

Barbara Honigmann erhält den Jean-Paul-Preis

Jury: »Ihr Werk lässt in vielen Facetten und Nuancen ein differenziertes Bild jüdischer Identität in Deutschland und Europa entstehen«

 26.04.2021 17:20 Uhr

Die Schriftstellerin Barbara Honigmann erhält den mit 15.000 Euro dotierten Jean-Paul-Preis des Freistaates Bayern. Die 72-Jährige wird damit für ihr Lebenswerk ausgezeichnet, wie Kunstminister Bernd Sibler (CSU) nun in München bekanntgab.

Honigmanns Romane und Erzählungen ließen in vielen Facetten und Nuancen ein differenziertes Bild jüdischer Identität in Deutschland und Europa entstehen, sagte Sibler. »In ihrer Gesamtheit bilden ihre Geschichten eine eigene Chronik des 20. Jahrhunderts. Ihr Werk ist gleichermaßen Literatur und Geschichtsschreibung.« Die Verleihung ist für Dezember geplant.

Honigmann hat laut Jury über die Jahrzehnte ein vielschichtiges, oft autobiografisch grundiertes Werk geschaffen. »Die Auseinandersetzung mit den Biografien der Eltern wurde zum Lebensthema für Barbara Honigmann. Als Erinnernde überlässt sie sich den autobiografischen Materialien und betrachtet diese in der literarischen Spiegelung.« Honigmann erzähle oft von Menschen, die die Erfahrung machen müssten, beständig auf Ablehnung zu stoßen.

Ihre Erzählweise sei unaufgeregt leise, manchmal fast karg und gleichzeitig eindringlich. Sie verdecke nie den Untergrund ihres literarischen Werkes: »die Erfahrungen, die mit der Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden durch die Deutschen verbunden sind, aber auch das wenig beachtete jüdische Leben in der DDR. Das Werk dieser Erzählerin und Chronistin ist von großer Relevanz für die deutschsprachige Literatur.«

Honigmann kam 1949 in Ost-Berlin zur Welt und lebt seit den 80er-Jahren in Straßburg. Sie zählt zur zweiten Generation jüdischer Familien, die den Holocaust überlebt haben. Ihre Eltern Alice (»Lizzy«) Kohlmann und Georg Honigmann überstanden die NS-Zeit im britischen Exil und kehrten 1947 nach Berlin zurück. Honigmann studierte Theaterwissenschaft an der Humboldt-Universität und arbeitete als Dramaturgin und Regisseurin in Brandenburg und an der Volksbühne sowie am Deutschen Theater in Ost-Berlin. 1984 verließ sie die DDR.

Der Jean-Paul-Preis zu Ehren des gleichnamigen Literaten (1763-1825) wird seit 1983 alle zwei Jahre verliehen. Der Freistaat würdigt damit das literarische Gesamtwerk eines deutschsprachigen Schriftstellers. Zu den bisherigen Preisträgern zählen Friedrich Dürrenmatt, Botho Strauß, Brigitte Kronauer und Ursula Krechel. kna

Erinnerungskultur

»Algorithmus als Chance«

Susanne Siegert über ihren TikTok-Kanal zur Schoa und den Versuch, Gedenken neu zu denken

von Therese Klein  07.11.2025

Erinnerung

Stimmen, die bleiben

Die Filmemacherin Loretta Walz hat mit Überlebenden des KZ Ravensbrück gesprochen – um ihre Erzählungen für die Zukunft zu bewahren

von Sören Kittel  07.11.2025

New York

Kanye West bittet Rabbi um Vergebung

Der gefallene Rapstar Kanye West hat sich bei einem umstrittenen Rabbiner für seine antisemitischen Ausfälle entschuldigt

 07.11.2025

Rezension

Mischung aus Angst, alptraumhaften Erinnerungen und Langeweile

Das Doku-Drama »Nürnberg 45« fängt die Vielschichtigkeit der Nürnberger Prozesse ein, erzählt weitgehend unbekannte Geschichten und ist unbedingt sehenswert

von Maria Ossowski  07.11.2025

Interview

Schauspieler Jonathan Berlin über seine Rolle als Schoa-Überlebender und Mengele-Straßen

Schauspieler Jonathan Berlin will Straßen, die in seiner Heimat Günzburg nach Verwandten des KZ-Arztes Mengele benannt sind, in »Ernst-Michel-Straße« umbenennen. Er spielt in der ARD die Rolle des Auschwitz-Überlebenden

von Jan Freitag  07.11.2025

Paris

Beethoven, Beifall und Bengalos

Bei einem Konzert des Israel Philharmonic unter Leitung von Lahav Shani kam es in der Pariser Philharmonie zu schweren Zwischenfällen. Doch das Orchester will sich nicht einschüchtern lassen - und bekommt Solidarität von prominenter Seite

von Michael Thaidigsmann  07.11.2025

TV-Tipp

Ein Überlebenskünstler zwischen Hallodri und Held

»Der Passfälscher« ist eine wahre und sehenswerte Geschichte des Juden Cioma Schönhaus, der 1942 noch immer in Berlin lebt

von Michael Ranze  07.11.2025

Provenienzforschung

Alltagsgegenstände aus jüdischem Besitz »noch überall« in Haushalten

Ein Sessel, ein Kaffeeservice, ein Leuchter: Nach Einschätzung einer Expertin sind Alltagsgegenstände aus NS-Enteignungen noch in vielen Haushalten vorhanden. Die Provenienzforscherin mahnt zu einem bewussten Umgang

von Nina Schmedding  07.11.2025

Interview

»Mascha Kaléko hätte für Deutschland eine Brücke sein können«

In seinem neuen Buch widmet sich der Literaturkritiker Volker Weidermann Mascha Kalékos erster Deutschlandreise nach dem Krieg. Ein Gespräch über verlorene Heimat und die blinden Flecken der deutschen Nachkriegsliteratur

von Nicole Dreyfus  07.11.2025