Wuligers Woche

Augsteins Kronzeuge

»Sie sind Dummköpfe. Dreckige Arschlöcher, Juden eben«: Pamphlet von Louis-Ferdinand Céline Foto: pr

Wuligers Woche

Augsteins Kronzeuge

Der Spiegel-Online-Kolumnist und der antisemitische Klassiker

von Michael Wuliger  09.04.2018 17:50 Uhr

Wenn ein Autor keine eigenen Ideen hat, greift er gerne auf Gedanken anderer, größerer Geister zurück. So auch Jakob Augstein in seiner Spiegel-Online-Kolumne »Im Zweifel links« vergangene Woche. Augstein sieht den Dritten Weltkrieg herannahen und beklagt, dass die Massen, anders als er, nicht dagegen aufstehen. Im Gegenteil: »Die Leute wollen gar keinen Frieden. Ohne Krieg fehlt ihnen was. Darum bereiten sie ihn vor.«

Die Gattung Homo sapiens, resigniert Augstein, hat einen Webfehler. Und er schließt mit einem Zitat des französischen Schriftstellers Louis-Ferdinand Céline: »Vor den Menschen, vor ihnen allein muss man Angst haben, immer.« Vielleicht weiß Jakob Augstein nicht, wer Céline war. Möglicherweise hat er das Zitat aus Büchmanns Geflügelte Worte herausgeklaubt.

Barbaren Deshalb hier ein bisschen Nachhilfe. Louis-Ferdinand Céline war einer der berüchtigtsten antisemitischen Hetzer des 20. Jahrhunderts. In seinem Buch mit dem Titel Die Judenverschwörung in Frankreich (1937) forderte er seine Landsleute auf, die Juden – »eine Kreuzung aus Niggern und asiatischen Barbaren« – zu vernichten.

»Alles was ihm über den Weg läuft zu plündern, rauben, pervertieren, beschmutzen, auszubluten, das ist die Begabung des Juden, sein Existenzgrund von alters her«, heißt es dort. »Sie sind Dummköpfe. Dreckige Arschlöcher, Juden eben. Alles Versager! Unersättliche Blutsauger!«

Das war nicht bloß literarische Überspitzung, wie manche Céline-Apologeten bis heute behaupten. Nach der von ihm begeistert begrüßten deutschen Eroberung Frankreichs 1940 kollaborierte der Autor mit den Nazibesatzern. Wobei die ihm, was die Juden anbelangte, anfangs zu zahm waren. Sein nicht gerade zartbesaiteter Schriftstellerkollege Ernst Jünger notierte in seinem Tagebuch 1941 entgeistert, dass Céline im Deutschen Kulturinstitut in Paris enttäuscht gewütet habe, »dass wir Soldaten die Juden nicht erschießen, aufhängen, ausrotten – dass jemand, dem die Bajonette zur Verfügung stehen, nicht unbeschränkten Gebrauch von ihnen macht«. Célines Wunsch sollte bald in Erfüllung gehen.

Walser Das also ist Jakob Augsteins Kronzeuge im Kampf für den Frieden. Wie schon gesagt: Vielleicht wusste er nicht, wen er da zitiert. Zumal der leibliche Sohn Martin Walsers sich nicht nach Frankreich bemühen muss, wenn er literarischen Antisemitismus sucht. Andererseits war es möglicherweise aber doch kein Zufall.

Bei Wikipedia steht über Louis-Ferdinand Céline: »Der Hass auf das Judentum steigerte sich (...) auf eine Weise, dass manche Forscher von einer regelrechten Psychose sprechen. Dieser idée fixe ordnete er alle anderen politischen Vorstellungen unter.« Man ersetze »Judentum« durch »Israel«, und man hat Jakob Augstein. Great minds think alike. Zu Deutsch: zwei Doofe, ein Gedanke.

Jakob Augsteins Kolumne »Ostermärsche: Krieg, Krieg, Krieg«:
www.spiegel.de/politik/ausland/konflikte-ewiger-krieg-statt-oesterlicher-frieden-kolumne-a-1200892.html

Kulturkolumne

Was bleibt von uns?

Lernen von John Oglander

von Sophie Albers Ben Chamo  25.11.2025

Kultur

André Heller fühlte sich jahrzehntelang fremd

Der Wiener André Heller ist bekannt für Projekte wie »Flic Flac«, »Begnadete Körper« und poetische Feuerwerke. Auch als Sänger feierte er Erfolge, trotzdem konnte er sich selbst lange nicht leiden

von Barbara Just  25.11.2025

Jüdische Kulturtage

Musikfestival folgt Spuren jüdischen Lebens

Nach dem Festival-Eröffnungskonzert »Stimmen aus Theresienstadt« am 14. Dezember im Seebad Heringsdorf folgen weitere Konzerte in Berlin, Essen und Chemnitz

 25.11.2025

Hollywood

Scarlett Johansson macht bei »Exorzist«-Verfilmung mit

Sie mimte die Marvel-Heldin »Black Widow« und nahm es in »Jurassic World: Die Wiedergeburt« mit Dinos auf. Nun lässt sich Scarlett Johansson auf den vielleicht düstersten Filmstoff ihrer Laufbahn ein

 25.11.2025

TV-Tipp

Sie ging über Leichen: Doku »Riefenstahl« zeigt eine überzeugte Nationalsozialistin

Das Erste zeigt Andres Veiels vielschichtigen Dokumentarfilm über Leben und Wirken von Hitlers Lieblingsregisseurin Leni Riefenstahl. Der Film geht auch der Frage nach, wie ihre Filme bis in die Gegenwart ausstrahlen

von Jens Hinrichsen  24.11.2025

Nachruf

Das unvergessliche Gesicht des Udo Kier

Er ritt im Weltall auf einem T-Rex, spielte für Warhol Dracula und prägte mit einem einzigen Blick ganze Filme. Udo Kier, Meister der Nebenrolle und Arthouse-Legende, ist tot. In seinem letzten Film, dem Thriller »The Secret Agent«, verkörpert er einen deutschen Juden

von Christina Tscharnke, Lisa Forster  24.11.2025

TV-Kritik

Viel Krawall und wenig Erkenntnis: Jan Fleischhauer moderiert im ZDF den Kurzzeitknast der Meinungen

Mit »Keine Talkshow - Eingesperrt mit Jan Fleischhauer« setzt das ZDF auf Clash-TV: ein klaustrophobisches Studio, schnelle Schnitte, Big-Brother-Momente und kontroverse Gäste - viel Krawall, wenig Erkenntnis

von Steffen Grimberg  24.11.2025

Holzstörche zur Geburt in Niederösterreich. Noch immer werden neben den klassischen Namen viele biblische Namen den Kindern gegeben.

Statistik

Diese hebräischen Vornamen in Österreich sind am beliebtesten

Österreichische Eltern wählen gern Klassiker. Unter den Top Ten sind auch viele Namen biblischen Ursprungs

von Nicole Dreyfus  24.11.2025

Nürnberg

»Tribunal 45«: Ein interaktives Spiel über die Nürnberger Prozesse

Darf man die Nürnberger Prozesse als Computerspiel aufarbeiten? Dieses Spiel lässt User in die Rolle der französischen Juristin Aline Chalufour schlüpfen und bietet eine neue Perspektive auf die Geschichte

von Steffen Grimberg  24.11.2025