Geburtstag

Anna und das rosa Kaninchen

Da ist wieder ein Bild von dem Mann», sagte Elsbeth. «Meine kleine Schwester hat gestern auch eins gesehen und gedacht, es wäre Charlie Chaplin.» Anna betrachtete die starren Augen, den grimmigen Ausdruck. Sie sagte: «Es ist überhaupt nichts wie Charlie Chaplin, außer dem Schnurrbart.» Sie buchstabierten den Namen unter der Fotografie: «Adolf Hitler». «Er will, dass alle bei den Wahlen für ihn stimmen, und dann wird er den Juden einen Riegel vorschieben», sagte Elsbeth. «Glaubst du, er wird Rachel Löwenstein einen Riegel vorschieben?» «Das kann keiner», sagte Anna. «Sie ist Klassensprecherin. Vielleicht macht er es mit mir. Ich bin auch jüdisch.»

klassiker Die Geschichte des Mädchens Anna , das, weil es jüdisch ist, sein bisheriges Berliner Leben nicht weiterführen kann, sondern stattdessen mit seiner Familie in die Schweiz und weiter nach Frankreich und England fliehen muss, ist ein Klassiker der Jugendliteratur. Als Hitler das rosa Kaninchen stahl, heißt das 1971 erschienene Buch. Judith Kerr, die Autorin, wird an diesem Freitag 90 Jahre alt.

In dem Roman hat sie ihre eigene Emigrationsgeschichte verarbeitet. 1923 in Berlin als Tochter des legendären Theaterkritikers Alfred Kerr geboren, musste sie 1933 mit ihrer Familie aus Deutschland flüchten. Ihr Vater, dessen Bücher verbrannt wurden, stand als «zersetzender Jude» auf der Feindesliste der Nazis ganz oben. Judith Kerr wurde Britin und profilierte sich in ihrer neuen Heimat als Kinderbuchautorin und Illustratorin.

Den Ort ihrer Kindheit mied sie lange. Erst ab Anfang der 70er-Jahre und nach dem Erfolg ihres Buches besuchte sie Berlin wieder, zuletzt im Mai, als die Stadt ihr ein Fest ausrichtete. In den Medien wurde vor allem mit Erstaunen berichtet, wie geistig und körperlich fit die alte Dame ist. Möge sie es noch lange bleiben. Masel Tov und bis 120, Judith Kerr! ja

Lesen Sie auch unser Interview mit Judith Kerr:

www.juedische-allgemeine.de/kultur/du-musst-gluecklich-sein

TV-Tipp

Ein äußerst untypischer Oligarch: Arte-Doku zeigt Lebensweg des Telegram-Gründers Pawel Durow

Der Dokumentarfilm »Telegram - Das dunkle Imperium von Pawel Durow« erzählt auf Arte und in der ARD-Mediathek die Geschichte der schwer fassbaren Messengerdienst-Plattform-Mischung und ihres Gründers Pawel Durow

von Christian Bartels  24.11.2025

Nachruf

Das unvergessliche Gesicht des Udo Kier

Er ritt im Weltall auf einem T-Rex, spielte für Warhol Dracula und prägte mit einem einzigen Blick ganze Filme. Udo Kier, Meister der Nebenrolle und Arthouse-Legende, ist tot. In seinem letzten Film, dem Thriller »The Secret Agent«, verkörpert er einen deutschen Juden

von Christina Tscharnke, Lisa Forster  24.11.2025

TV-Kritik

Viel Krawall und wenig Erkenntnis: Jan Fleischhauer moderiert im ZDF den Kurzzeitknast der Meinungen

Mit »Keine Talkshow - Eingesperrt mit Jan Fleischhauer« setzt das ZDF auf Clash-TV: ein klaustrophobisches Studio, schnelle Schnitte, Big-Brother-Momente und kontroverse Gäste - viel Krawall, wenig Erkenntnis

von Steffen Grimberg  24.11.2025

Holzstörche zur Geburt in Niederösterreich. Noch immer werden neben den klassischen Namen viele biblische Namen den Kindern gegeben.

Statistik

Diese hebräischen Vornamen in Österreich sind am beliebtesten

Österreichische Eltern wählen gern Klassiker. Unter den Top Ten sind auch viele Namen biblischen Ursprungs

von Nicole Dreyfus  24.11.2025

Nürnberg

»Tribunal 45«: Ein interaktives Spiel über die Nürnberger Prozesse

Darf man die Nürnberger Prozesse als Computerspiel aufarbeiten? Dieses Spiel lässt User in die Rolle der französischen Juristin Aline Chalufour schlüpfen und bietet eine neue Perspektive auf die Geschichte

von Steffen Grimberg  24.11.2025

Sderot

Zweitägiges iranisches Filmfestival beginnt in Israel

Trotz politischer Spannungen will das Event einen Dialog zwischen Israelis und Iranern anstoßen

von Sara Lemel  24.11.2025

Genetik

Liegt es in der Familie?

Eierstockkrebs ist schwer zu erkennen. Warum ein Blick auf den Stammbaum nützen kann

von Nicole Dreyfus  23.11.2025

Hebraica

»Was für ein Buchschatz!«

Stefan Wimmer über die Münchner Handschrift des Babylonischen Talmuds als UNESCO-Weltkulturerbe

von Ayala Goldmann  23.11.2025

Aufgegabelt

Linsenpfannkuchen von König David

Rezept der Woche

von Jalil Dabit, Oz Ben David  22.11.2025