Wem gehörte einst das geerbte Kaffeeservice mit dem Blumenmuster? Wem der siebenarmige Leuchter? Nach Einschätzung einer Expertin befinden sich zahlreiche Alltagsgegenstände von emigrierten oder deportierten und ermordeten Jüdinnen und Juden auch 80 Jahre nach Kriegsende noch in vielen Haushalten in Deutschland.
»Wir werden das nie mehr ganz auflösen können, weil es in seiner Dimension unvorstellbar ist«, sagte Provenienzforscherin Meike Hopp, designierte Vorständin des Deutschen Zentrums Kulturgutverluste. Die Professorin der TU Berlin weist darauf hin, dass gerade »in einer gesellschaftlichen Situation, in der auch Geschichtsverleugnung zunehmend wieder en vogue wird« mehr Sensibilität hilfreich ist. »Wir haben die stummen Zeugnisse des Holocausts teilweise sogar noch in unseren eigenen Haushalten.«
Zwangsverkäufe und Beschlagnahmungen
Seit 1933 habe es sukzessive Auflösungen von jüdischen Haushalten gegeben, weil damals viele Jüdinnen und Juden in die erzwungene Emigration gehen mussten. Diese Zwangsverkäufe seien in der Regel nicht dokumentiert worden. Hinzu kämen die offiziellen Beschlagnahmungen von jüdischem Eigentum ab 1938 und die Veräußerungen über sogenannte Judenauktionen im damaligen Deutschen Reich, aber auch später in den von den Nazis besetzten Gebieten in West- und Osteuropa.
Auch dieser enteignete Besitz wurde demnach nach Deutschland gebracht, um Büros auszustatten oder Einrichtungen von im Krieg ausgebombten Wohnungen zu ersetzen. Demnach profitierte die deutsche Bevölkerung von über 70.000 aufgelösten Wohnungseinrichtungen allein aus den im Westen besetzten Ländern - von Möbeln, Alltagsgegenständen und Kunst.
Herkunft kaum zu rekonstruieren
»Wenn man sich diese ‚Umverteilung‘ vorstellt, dann wird man sich dessen bewusst, dass es tatsächlich überall noch solche Objekte geben muss«, sagte Hopp. Ihre Herkunft sei allerdings kaum noch zu rekonstruieren. Bei Möbeln gebe es eventuell noch Etiketten oder Stempel von Transportunternehmen. Bei Porzellan oder Gläsern sei dagegen oft nichts mehr erkennbar, das Aufschluss über die Herkunft gebe, da sie ja weiter als Gebrauchsgegenstände fungierten.
Wer sich fragt, woher ein ererbtes Stück stamme, könne sich unter anderem Rat im Antiquitäten- oder Kunsthandel holen. »Experten dort können in der Regel schnell anhand des Materials und des Stils einschätzen, aus welcher Zeit ein Gegenstand stammt«, erklärte die Kunsthistorikerin.