Sprachgeschichte(n)

A tuches un a halb

»Wo Douches ist, ist auch Brouches.« Foto: imago

Sprachgeschichte(n)

A tuches un a halb

Variationen über das jiddische Hinterteil

von Christoph Gutknecht  11.11.2014 08:44 Uhr

Es stand kürzlich im Spiegel: »Ob Rihanna, Miley Cyrus oder Beyoncé, sie alle posten heutzutage auf Instagram Bilder ihres Hinterteils. Das neue Selfie ist das Belfie: das Bottom-Selfie, ein Porträt vom Popo.« Fürs »Hinterteil« gibt es viele Ersatzlexeme: das Lallwort »Popo« (mit den berühmten »vier Buchstaben«), den »Podex« (dessen lateinische Form harmloser klingt), die sperrige Wendung des »verlängerten Rückgrats« oder den »Allerwertesten« als Abmilderung des drastischen »Arschs«. Im Wienerischen kennt man auch den »Toches«, wie in »a Stampf in Toches«, ein »Tritt ins Gesäß«.

Dem Wort liegt das jiddische »táchaß«/ »tócheß« zugrunde, das seinerseits auf das hebräische Nomen und Adverb »tachath« (mit der Bedeutung »das Untere«/»unten«) zurückgeht. Es wurde von oberdeutschen Juden »dohes« artikuliert und landete als »toches«, »tokus«, »doches«/»dokes« oder »duches« im Jüdischdeutschen.

aussprache Die Aussprache erläutert Klepschs Westjiddisches Wörterbuch (2004): »Im Sephardischen, das der antiken Lautung des Hebräischen am nächsten kommt, wird die erste statt wie gewöhnlich die letzte Silbe betont. Dies mag die Dehnung und Hebung des ersten Vokals in einer frühen, vielleicht präaschkenasischen Vorstufe des Jiddischen frühzeitig begünstigt haben. In weiten Arealen Süddeutschlands ist der Tonsilbenvokal als langes /u:/ belegt.« Modifiziert ist er in der Redensart »Wo Douches ist, ist auch Brouches«, sinngemäß: Eine Frau mit einem Riesenpo hat auch Vermögen.

Yinglish-Sprecher in New York nennen einen großen Hintern ironisch »A tuches un a halb«. Volkshumor zeigt auch die »Übersetzungstechnik«, bei der man zum Beispiel deutsche Städtenamen in Teile zerlegt und dann ins Jiddische übertrug. Aschaffenburg wurde so zu »toches meloches zijaun«: Arschschaffen-Zion (= Burg). Wer »kein Hemd am Toches« hat, ist bitterarm; wer »den Toches voller Flöhe« hat, kann nicht stillsitzen, wer ihn »voller chauwes« hat, ist verschuldet. Keiner kann sich »mit einem Toches auf zwei chassenes (Hochzeiten)« vergnügen, weshalb Weinberg in Die Reste des Jüdischdeutschen (1973) mahnend zitiert: »Zu ’nem großen Toches gehört ’ne große Hose«, sprich, zum großen Auftritt gehören angemessene Mittel.

Derb ist die Aufforderung »Du kannst mich mal am Toches melochen«, als Interjektion verkürzt zu »Douchesmalouches!«. »Toches melochen« ist auch belegt als »versohlen« (im Rheinischen Wörterbuch, 1928) und als »homosexuell verkehren« (im Frankfurter Wörterbuch von 1971 sowie im Handwörterbuch der Münsterschen Masematte, 1996). Die Fassung »Leck mich im Toches« wird zuweilen auf die Initialen »L.m.i.t.« reduziert und als »Lieb mich in Treue« gedeutet.

 

Glosse

Der Rest der Welt

Von Kaffee-Helden, Underdogs und Magenproblemen

von Margalit Edelstein  08.12.2025

Eurovision Song Contest

»Ihr wollt nicht mehr, dass wir mit Euch singen?«

Dana International, die Siegerin von 1998, über den angekündigten Boykott mehrerer Länder wegen der Teilnahme Israels

 08.12.2025

Feiertage

Weihnachten mit von Juden geschriebenen Liedern

Auch Juden tragen zu christlichen Feiertagstraditionen bei: Sie schreiben und singen Weihnachtslieder

von Imanuel Marcus  08.12.2025

Vortrag

Über die antizionistische Dominanz in der Nahostforschung

Der amerikanische Historiker Jeffrey Herf hat im Rahmen der Herbstakademie des Tikvah-Instituts über die Situation der Universitäten nach dem 7. Oktober 2023 referiert. Eine Dokumentation seines Vortrags

 07.12.2025

Zwischenruf

Die außerirdische Logik der Eurovision

Was würden wohl Aliens über die absurden Vorgänge rund um die Teilnahme des jüdischen Staates an dem Musikwettbewerb denken?

von Imanuel Marcus  07.12.2025

Los Angeles

Schaffer »visionärer Architektur«: Trauer um Frank Gehry

Der jüdische Architekt war einer der berühmtesten weltweit und schuf ikonische Gebäude unter anderem in Los Angeles, Düsseldorf und Weil am Rhein. Nach dem Tod von Frank Gehry nehmen Bewunderer Abschied

 07.12.2025

Aufgegabelt

Plätzchen mit Halva

Rezepte und Leckeres

 05.12.2025

Kulturkolumne

Bestseller sind Zeitverschwendung

Meine Lektüre-Empfehlung: Lesen Sie lieber Thomas Mann als Florian Illies!

von Ayala Goldmann  05.12.2025

TV-Tipp

»Eigentlich besitzen sie eine Katzenfarm« - Arte-Doku blickt zurück auf das Filmschaffen von Joel und Ethan Coen

Die Coen-Brüder haben das US-Kino geprägt und mit vielen Stars zusammengearbeitet. Eine Dokumentation versucht nun, das Geheimnis ihres Erfolges zu entschlüsseln - und stößt vor allem auf interessante Frauen

von Manfred Riepe  05.12.2025