USA

Wokeness, Postkolonialismus und die Angst auf dem Campus

Antisemitische Studenten-Proteste an der New York University Foto: picture alliance / NurPhoto

Es passiert fast täglich: Jüdische Studierende werden an Colleges in den USA antisemitisch beleidigt oder angegriffen. Mit Beginn des Krieges zwischen Hamas und Israel vor einem Monat kam es an amerikanischen Hochschulen zu Protesten und Kundgebungen. Diese richten sich nicht nur gegen die Boden­offensive der israelischen Armee, sondern immer häufiger auch gegen die Existenz des jüdischen Staates per se. Und gegen alle Juden.

Die College-Zeit ist für viele Amerikaner eine Lebensphase, in der sie ihre Meinungen formen. Das Debattieren ist wichtiger Teil des Unterrichts. In den vergangenen Wochen wird in den Seminarräumen immer öfter auch der hochkomplizierte Nahostkonflikt diskutiert. Von den Studierenden wird erwartet, Stellung zu beziehen, etwas zu Israel und Gaza zu sagen, auch wenn der Konflikt im Kurs gar nicht Thema ist.

Es gibt sogar Professoren, die eine Meinung einfordern, obwohl den Studierenden das Hintergrundwissen fehlt. Ihre Informationen holen diese sich dann aus den sozialen Medien und nehmen das, was gerade »angesagt« ist, als Verhaltensmuster an. Man kann tatsächlich sagen: Es liegt derzeit im Trend, gegen Israel zu protestieren, »From the River to the Sea« zu brüllen und Antisemitismus zu verbreiten.

Obwohl sich die Narrative der pro-palästinensischen Proteste an den Colleges hauptsächlich gegen Israel richten, gehen sie doch viel weiter. Den Hass bekommen auch Juden allgemein zu spüren. An der Elite-Universität Harvard skandierten Hunderte Studenten nur wenige Tage nach dem Hamas-Massaker: »Resistance is justified when people are occupied« (Widerstand ist gerechtfertigt, wenn Menschen unter einer Besatzung leben). Die Demonstranten behaupten damit, dass die furchtbaren Taten der Terrororganisation »Widerstand« und »gerechtfertigt« seien.

Einen Protest wie diesen erlebte Daniel Rosenman, der in Boston studiert. »Ich war auf dem Weg zu einem Schabbat­gottesdienst an meiner Uni, als ich diese hasserfüllten Worte hörte. Ich nahm meine Kippa ab, denn sie waren 100, und ich war einer.« Jüdische und israelische Studenten haben oft das Gefühl, die Proteste seien indirekte Morddrohungen. Sie haben Angst.

Es kam auch schon zu gewalttätigen Übergriffen. Vergangene Woche mussten sich jüdische Studierende am Cooper Union College in New York in der Bibliothek verbarrikadieren, während pro-palästinensische Demonstranten gegen die Tür schlugen. Auch in den sozialen Medien und in Internetforen werden Juden zur Zielscheibe gemacht: Die Ivy-League-Universität Cornell war kürzlich in den Schlagzeilen, als ein Student drohte, ein Gewehr mit auf den Campus zu bringen und die koschere Mensa anzugreifen. Der Mann wurde verhaftet.

Eine jüdisch-amerikanische Initiative auf Facebook veröffentlicht die Namen von Personen, die Poster der gekidnappten Israelis abreißen. Vor wenigen Tagen zeigte sie einen jungen Mann, der stolz verkündete, »Hitler hatte recht« und dass er die Hamas »vollkommen« unterstütze, während er eine Israelin belästigte, die Plakate auf dem Gelände der Universität anklebte.

Ob antisemitische Beleidigungen in den Vereinigten Staaten rechtliche Konsequenzen haben, ist nicht immer klar, denn Hassrede wird oft als Recht auf freie Meinungsäußerung angesehen.

Inbar Ofer studiert an der Northeastern University in Boston. Am vergangenen Wochenende baute sie dort gemeinsam mit der Hillel- und der Chabad-Gemeinde einen leeren Schabbattisch auf, als Symbol für die Entführten. Zwei Studierende kamen auf sie zu und insistierten, dass die Attacken der Hamas kein Terrorismus seien.

»Bei diesem friedlichen Anlass hat mich ihre Aggressivität besonders verletzt«, sagt Ofer. Die starke Zunahme antisemitischer Angriffe an amerikanischen Colleges, verbal und physisch, zeigt deutlich, wie nah Israel-Hass und Antisemitismus beieinanderliegen. Die Studentin ist davon überzeugt, »denn anscheinend wird Gewalt nur dann gerechtfertigt, wenn Juden die Opfer sind«..

TV-Tipp

Ein Skandal ist ein Skandal

Arte widmet den 56 Jahre alten Schock-Roman von Philip Roth eine neue Doku

von Friederike Ostermeyer  21.11.2025

Judenhass

»Wir wollen keine Zionisten«: Mamdani reagiert auf antisemitische Kundgebung vor Synagoge

Die Teilnehmer schrien unter anderem »Tod den IDF!« und »Globalisiert die Intifada!«

von Imanuel Marcus  21.11.2025 Aktualisiert

New York

Neonazi wollte als Weihnachtsmann jüdische Kinder mit Süßigkeiten vergiften

Der Antisemit soll zudem »Interesse an einem Massengewaltakt« gezeigt und Anleitungen zum Bau von Bomben geteilt haben. Nun wird er angeklagt

 21.11.2025

Holzstörche zur Geburt in Niederösterreich. Noch immer werden neben den klassischen Namen viele biblische Namen den Kindern gegeben.

Statistik

Diese hebräischen Vornamen in Österreich sind am beliebtesten

Österreichische Eltern wählen gern Klassiker. Unter den Top Ten sind auch viele Namen biblischen Ursprungs

von Nicole Dreyfus  20.11.2025

Philosophie

Hannah Arendt und die Freiheit des Denkens

Die politischen Katastrophen des 20. Jahrhunderts waren ihr Lebensthema. Sie sah ihre Aufgabe als politische Denkerin darin, die Welt und die Menschen zu verstehen. Die politische Theoretikerin starb vor 50 Jahren

von Jürgen Prause  20.11.2025

Russland

Der Vater der israelischen Rüstungsindustrie

Emanuel Goldberg war ein genialer Erfinder in der Weimarer Republik. Die Nazis sorgten dafür, dass er in Europa vergessen wurde. Doch bis heute macht der Mann aus Moskau Israel sicherer

von Leif Allendorf  20.11.2025

New York

Rekordpreis für »Bildnis Elisabeth Lederer« bei Auktion

Bei den New Yorker Herbstauktion ist wieder ein Rekord gepurzelt: Ein Klimt-Gemälde wird zum zweitteuersten je versteigerten Kunstwerk – und auch ein goldenes Klo wird für einen hohen Preis verkauft

von Christina Horsten  19.11.2025

Mexiko

Antisemitisches Graffiti gegen Claudia Sheinbaum sorgt für Empörung

Die Worte »puta judía« wurden auf Gebäude des Obersten Gerichtshofs geschmiert. Die jüdische Gemeinschaft des lateinamerikanischen Landes verurteilt den sich immer wieder äußernden Judenhass

 17.11.2025

USA

6500 Rabbiner auf einem Foto

»Kinus Hashluchim«: Das jährliche Treffen der weltweiten Gesandten von Chabad Lubawitsch endete am Sonntag in New York

 17.11.2025