Portugal

Wie wir wurden, wer wir sind

Szene aus dem Film »Sefarad« des portugiesischen Regisseurs Luís Ismael Foto: Courtesy Jewish Community of Oporto

Die jüdische Gemeinde in der nordportugiesischen Stadt Porto hat in den vergangenen zwei Jahrzehnten einen enormen Wandel vollzogen. War das Auftreten Anfang des Jahrtausends noch zurückhaltend, setzt sie seit geraumer Zeit auf öffentlichkeitswirksame Aktionen.

Das hat dazu geführt, dass die Gemeinde heute wahrgenommen wird – und wächst. Während es zeitweise schwierig war, ausreichend Männer für einen Minjan zusammenzubekommen, zählt die Gemeinde nach eigenen Angaben mittlerweile 400 Mitglieder. Insbesondere die Änderung des Nationalstaatsgesetzes vor vier Jahren hat ihr Zuwachs beschert. Nachfahren sefardischer Juden können seit 2015 einen Antrag auf die portugiesische Staatsangehörigkeit stellen, wenn eine Gemeinde die Zugehörigkeit bestätigt. Bis zu 250 Euro kostet die Ausstellung des Zertifikats durch die Gemeinden.

In Porto versucht sich die Gemeinde jetzt mit einem Filmprojekt: Es heißt Sefarad und kann via iTunes oder Amazon Prime gestreamt werden. Als Teil eines weltweiten Projekts finanzierten jüdische Philanthropenden den Film.

Festivals Bereits vor zwei Jahren entstand der siebenminütigen Kurzfilm The Nun’s Kaddish des Regisseurs Luís Ismael. In dem Streifen, der bereits bei mehr als 20 Filmfestivals gezeigt wurde, geht es um Emil Oppenheim, der in den 30er-Jahren von Deutschland nach Porto flüchtete. Als er 1982 starb, bestand die jüdische Gemeinde in Porto nur noch aus einer Handvoll Menschen, und er wurde auf dem Friedhof in Porto beigesetzt, ohne dass das Kaddisch gesprochen wurde. Eines Tages besucht eine katholische Nonne, die Oppenheim in seinen letzten Jahren gepflegt hatte, sein Grab und spricht das Kaddisch. Der Film betont die Bedeutung des interreligiösen Austauschs und hat sogar Papst Franziskus zu einem Dankesbrief an die Gemeinde bewegt.

In Sefarad wird in 90 Minuten ein großer historischer Bogen geschlagen: Der Film beginnt im Jahr 1496 und reicht bis ins 20. Jahrhundert. Die Anfangssequenz des Films erweckt mit ihren historischen Kostümen, Bühnenbild und zahlreichen Komparsen das spätmittelalterliche Porto zum Leben. Es folgt die Inquisition und damit die Vertreibung und Auslöschung des jüdischen Lebens in Portugal. Nach einem Zeitsprung von vier Jahrhunderten setzt der Film im Jahr 1923 ein, als der Barros Basto, ein Armeeangehöriger, zu seinen jüdischen Wurzeln zurückfindet und die Gemeinde in Porto zu neuem Leben erweckt. Mit finanzieller Unterstützung durch die Kadoorie-Familie baut er die größte Synagoge auf der Iberischen Halbinsel.

In den 30er-Jahren wird Barros Basto zum Retter jüdischer Flüchtlinge aus ganz Europa. Das alles bringt ihm die Feindschaft der damals herrschenden klerikal-faschistischen Diktatur ein. Man setzt ein Gerücht in die Welt, klagt ihn wegen sexuellen Fehlverhaltens an und entlässt ihn aus der Armee.

Mit Luís Ismael wurde einer der bekanntesten Filmemacher des Landes engagiert. Sefarad hat bereits einen Preis in Moskau erhalten und wurde von B’nai B’rith International ausgezeichnet. Für dieses Jahr kündigte Gemeindesprecher Michael Rothwell einen Film an, der sich vor allem mit der Zeit der Inquisition in Portugal beschäftigen soll.

Schweiz

Fünf Übergriffe auf Juden an einem Wochenende in Zürich

Die jüdische Gemeinschaft der Schweiz ist zunehmend verunsichert - der Antisemitismus hat ein Allzeithoch erreicht

 11.12.2024

Osteuropa

Der Zauber von Lublin

Isaac Bashevis Singer machte die polnische Stadt im Roman weltberühmt – jetzt entdeckt sie ihr jüdisches Erbe und bezieht es in die Vorbereitungen auf das Europäische Kulturhauptstadtjahr 2029 mit ein

von Dorothee Baer-Bogenschütz  10.12.2024

Sofia

Nach Nichtwahl ausgeschlossen

Bulgarien steckt in einer politischen Dauerkrise - und mittendrin steht ein jüdischer Politiker, den seine Partei jetzt ausschloss

von Michael Thaidigsmann  09.12.2024

Vatikan

Papst Franziskus betet an Krippe mit Palästinensertuch

Die Krippe wurde von der PLO organisiert

 09.12.2024

Österreich

Jüdisch? Arabisch? Beides!

Mit »Yalla« widmet sich das Jüdische Museum Hohenems einer komplexen Beziehungsgeschichte

von Nicole Dreyfus  07.12.2024

Australien

Anschlag auf Synagoge »völlig vorhersebare Entwicklung«

Die jüdische Gemeinde in Australien steht unter Schock. Auf die Synagoge in Melbourne wurde ein Anschlag verübt. Die Ermittlungen laufen

 06.12.2024

Streit um FPÖ-Immunität

Jüdische Studenten zeigen Parlamentspräsidenten an

Walter Rosenkranz habe Ansuchen der österreichischen Staatsanwaltschaft auf Aufhebung der Immunität von drei FPÖ-Parteifreunden verschleppt.

von Stefan Schocher  05.12.2024

USA

Trump will Jared Isaacman zum NASA-Chef ernennen

Der mögliche zweite Jude auf dem Chefsessel der Weltraumbehörde hat ehrgeizige Vorstellungen

von Imanuel Marcus  05.12.2024

Frankreich und der Nahe Osten

Diplomatisches Tauziehen

Paris soll eine Schlüsselrolle im Aushandeln der Waffenruhe im Libanon gespielt haben

von Florian Kappelsberger  04.12.2024