Großbritannien

»Wie in der Nazizeit«

Neria (23, l.) und Daniel Sharabi (22) Foto: privat

Großbritannien

»Wie in der Nazizeit«

Daniel und Neria Sharabi haben das Nova-Massaker überlebt. Bei ihrer Einreise nach Manchester wurden sie beschimpft und schikaniert

von Daniel Zylbersztajn-Lewandowski  05.04.2024 11:05 Uhr

Daniel Sharabi, wie kam es dazu, dass britische Grenzbeamte Sie bei der Einreise am Flughafen Manchester festhielten, als Sie auf dem Weg zu einem Vortrag über Ihre Erlebnisse am 7. Oktober 2023 waren?
Am Anfang wollten wir gar nicht kommen, weil wir vom Antisemitismus in England gehört hatten, aber dann hat der Rabbiner uns überredet. Wir kamen also an, und zwei Grenzbeamte begannen, uns Fragen zu stellen. Ich erklärte, dass wir zu einem Vortrag bei Chabad in Manchester eingeladen waren. Mein Bruder sagte, dass es um den 7. Oktober gehe. Am Pass sahen sie, dass wir Israelis sind, und sie fragten nach unserer Religionszugehörigkeit. Als wir sagten, dass wir jüdisch sind, änderte sich ihr Verhalten. Schließlich sagte einer, er wolle meinen Reisepass überprüfen. Wir sollten uns hinsetzen und warten.

Israelische Staatsbürger benötigen kein Visum für Großbritannien. Wie haben die Beamten das erklärt?
Nach eineinhalb Stunden kam jemand mit noch mehr aggressiven Fragen, darunter auch zu unserem Militärdienst. Da war auch eine Beamtin. Ich blieb respektvoll, denn wir befürchteten, dass sie uns wegsperren könnten. Nach zwei Stunden fragte mein Bruder schließlich, ob all das geschehe, weil wir Juden sind. Der Beamte wurde zornig und sagte: »Ich möchte nur sicherstellen, dass ihr hier nicht das tut, was ihr in Gaza macht!« Genau das waren seine Worte! Da habe ich angefangen, mit dem Handy zu filmen. Am Ende hieß es, dass wir einreisen dürften. Da sagte die Beamtin noch, dass ihr missfalle, was wir in Manchester machen.

Die Beamten glaubten, Israelis könnten England angreifen?
Es ist Gehirnwäsche. Einige von uns sprechen öffentlich über das, was uns zugestoßen ist, und bekämpfen so Antisemitismus. Ich bin mir zu 90 Prozent sicher, wenn die Grenzbeamten meine Geschichte gehört hätten – zwei meiner Freunde wurden bei lebendigem Leibe verbrannt, mein bester Freund ist noch Geisel in Gaza –, dann hätten sie sich vielleicht anders verhalten. Ich verstehe, warum es so wichtig ist, dass wir unsere Erfahrungen teilen. Der Schmerz vom 7. Oktober hält an, Menschen wurden ermordet, ganze Familien traumatisiert.

Was war los mit den Beamten?
Offensichtlich Antisemitismus! Verglichen mit unseren Erlebnissen am 7. Oktober war das nichts, aber Grenzbeamte sind keine Zivilpersonen. Wenn man in ein anderes Land reist, möchte man glauben, dass die Polizei einen beschützt, oder? Aber ich hatte das Gefühl, dass sogar Leute kommen und versuchen würden, mich zu töten. Wie in der Nazizeit. Es fühlte sich nicht sicher an. Das sollte an keinem Ort der Welt passieren.

Schließlich konnten Sie einreisen …
Wir waren froh, nach der langen Reise endlich etwas schlafen zu können. Als wir dann bei der Veranstaltung am nächsten Tag davon berichteten, was am Flughafen passiert war, waren die Leute fassungslos. Ein Anwalt bat um mehr Informationen und mein Handyvideo. So kam es auch in die sozialen Medien.

Der britische Innenminister lässt den Vorfall untersuchen. Hat sich jemand bei Ihnen entschuldigt?
Nicht von offizieller Seite. Aber ich erwarte, dass diese Beamten nicht mehr befugt sind, ihre Macht zu missbrauchen.

Wie geht es Ihnen jetzt?
Wir fühlen uns in Israel wieder sicher. Für Neria war es besonders schlimm. Er ist seit dem 7. Oktober schwer traumatisiert. Er will nie wieder nach Großbritannien.

Die Brüder Sharabi werden in Israel als Helden gefeiert, nachdem sie beim Angriff auf das Nova-Festival Opfer verteidigt und Verwundete verarztet haben. Das Gespräch führte Daniel Zylbersztajn-Lewandowski.

München/Gent

Charlotte Knobloch spricht von »historischem Echo«

Nach der Ausladung des israelischen Dirigenten Lahav Shani von einem Musikfestival meldet sich Charlotte Knobloch mit deutlichen Worten

 11.09.2025

Italien

Jüdisches Touristen-Paar in Venedig attackiert

Die Täter schrien »Free Palestine«, bevor sie die Ehefrau mit einer Flasche attackierten und ihren Ehemann ohrfeigten

 11.09.2025

Georgien

Sicher und schön

Der Kaukasus-Staat pflegt Erbe und Zukunft der Juden. Und bietet atemberaubende Natur. Ein Besuch

von Michael Khachidze  11.09.2025

Belgien

Argerich, Maisky, Schiff empört über Gent-Festival

Bekannte jüdische und nichtjüdische Musiker haben eine Petition gestartet, um gegen die Ausladung der Münchner Philharmoniker und ihres Dirigenten Lahav Shani zu protestieren

 11.09.2025

Imanuels Interpreten (13)

Herb Alpert: Der Universalkünstler

Vom Trompeter zum Philantropen: Der Sohn jüdischer Einwanderer aus Kalifornien erreichte in den 90 Jahren seines bisherigen Lebens viel

von Imanuel Marcus  10.09.2025

Bundesamt für Statistik

Dieser hebräische Vorname ist am beliebtesten bei Schweizer Eltern

Auch in der Schweiz wählen Eltern weiterhin häufig biblische Namen für ihr Neugeborenes

von Nicole Dreyfus  10.09.2025 Aktualisiert

Südafrika

Unvergessliche Stimme

Die Schoa-Überlebende Ruth Weiss hat sich als Journalistin, Schriftstellerin und Kämpferin für Menschenrechte einen Namen gemacht. Sie wurde 101 Jahre alt. Ein Nachruf

von Katrin Richter  10.09.2025

Belgien

Aus der Straße des Antisemiten wird die Straße der Gerechten

In Brüssel gibt es jetzt eine Rue Andrée Geulen. Sie ist nach einer Frau benannt, die im 2. Weltkrieg mehr als 300 jüdische Kinder vor den deutschen Besatzern rettete. Doch bei der Einweihung herrschte nicht nur eitel Sonnenschein

von Michael Thaidigsmann  08.09.2025

Vuelta

Spanischer Radprofi Romo stürzt wegen Protestaktion

Die »propalästinensischen« Proteste bei der Spanien-Rundfahrt nehmen kein Ende. Auf der 15. Etappe ist es zu Stürzen gekommen

 07.09.2025