Großbritannien

Wie die BBC jüdische Opfer zu Tätern macht

Sitz der Rundfunkanstalt BBC in London Foto: imago images/imagebroker

»Tikra mischehu, se dachuf!« (»Ruf jemanden, es ist dringend!«), sagt ein Mann aufgeregt und besorgt auf Hebräisch ins Telefon. Gemeinsam mit rund 40 anderen orthodoxen Juden sitzt er am 29. November in einem Doppeldeckerbus, der im Rahmen einer Chanukkafeier durch die Londoner Oxford Street fährt.

Eine zur gleichen Zeit mit einer Handykamera gemachte Aufnahme zeigt, wie eine Gruppe Männer die Fahrgäste wutentbrannt antisemitisch beschimpft und dazu den Hitlergruß und andere Gesten zeigt, dem Bus hinterherläuft, gegen die Scheiben schlägt und spuckt.

vorfall Das ganze Land, darunter auch Premierminister Boris Johnson, Innenministerin Priti Patel, Londons Bürgermeister Sadiq Khan und die Polizei äußerten sich entsetzt über diesen Vorfall, und so berichtete einige Tage später auch die BBC darüber.

Man habe die in dem Video gesprochenen hebräischen Worte nicht verstanden, sagen später Mitarbeiter der BBC. Doch der Sender strahlt am 2. Dezember einen Nachrichtenbericht aus, in dem behauptet wird, es hätte sich um antimuslimische Provokationen gehandelt.

Damit machte das wichtigste britische Nachrichtenprogramm die Opfer eines antisemitischen Vorfalls zu Tätern. Wer den Bericht hörte, musste glauben, die Chanukka feiernde Gruppe habe die Männer außerhalb des Busses provoziert, und was die Kamerabilder zeigen, sei nur eine Reaktion gewesen.

Beschwerde Die jüdische Gemeinde war empört über den Fernsehbericht und geradezu sprachlos, als die BBC es ablehnte, sich dafür zu entschuldigen. Jüdische Gruppen demonstrierten vor dem Gebäude des Senders, die britische Medienministerin schaltete sich ein, und schließlich kam es zu einem Treffen von führenden Vertretern der BBC und der Vorsitzenden des Dachverbands Board of Deputies of British Jews, Marie van der Zyl. Auch Oberrabbiner Ephraim Mirvis beschwerte sich.

Die jüdische Gemeinde war empört über den Fernsehbericht und geradezu sprachlos, als die BBC es ablehnte, sich dafür zu entschuldigen.

Fast zwei Monate dauerte es, bis der Sender Ende Januar, nach direktem Einschreiten des Intendanten und nach einer Untersuchung durch den Vorstand, schließlich den Beschwerdeführern nachgab und die jüdische Gemeinde um Entschuldigung bat.

Der Bericht erfülle weder in der Fernseh- noch in der Online-Version die BBC-Standards für Korrektheit und Unparteilichkeit, hieß es. Beim Prüfen der Stelle seien Anfang Dezember drei Experten der Meinung gewesen, es handele sich bei dem hebräischen Satz um eine antimuslimische Bemerkung, aber eine vierte Person habe dem widersprochen. Da die Interpretation der Wörter nicht zweifelsfrei gewesen sei und sich der Board of Deputies beim Sender beschwert habe, hätte der Sender viel rascher erkennen müssen, dass es glaubhaften Zweifel an der Korrektheit der Nachricht gab.

UNTERSUCHUNG Inzwischen hat sich die britische Rundfunkaufsichtsbehörde Ofcom eingeschaltet und mit einer unabhängigen Untersuchung des Falls begonnen. Es steht die Frage im Raum, wie bei der BBC vorgegebene Regeln angewendet werden, die dafür sorgen, dass Berichte der Wahrheit entsprechen.

Van der Zyl begrüßt diesen Schritt. »Wir sind unzufrieden damit, dass die BBC ihre anfänglichen falschen redaktionellen Entscheidungen weiterhin rechtfertigt. Sie verdecken die Sachlage und verschlimmern das Leid der Opfer dieses Vorfalls.«

Die in Genf geborene Schweizer Schriftstellerin und Philosophin Jeanne Hersch aufgenommen im März 1999

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