Brasília

Wie brasilianische Juden auf Lulas Wahlsieg reagieren

Der frühere und künftige Präsident hatte es den Juden seines Landes in seiner ersten Amtszeit nicht leicht gemacht

von Imanuel Marcus  01.11.2022 18:41 Uhr

Auf Kuschelkurs: Präsidenten unter sich - Lula da Silva mit Mahmud Ahmadinedschad (Archiv) Foto: dpa

Der frühere und künftige Präsident hatte es den Juden seines Landes in seiner ersten Amtszeit nicht leicht gemacht

von Imanuel Marcus  01.11.2022 18:41 Uhr

Von den 215 Millionen Einwohnern, die Brasilien als siebtgrößter Staat auf diesem Planeten hat, sind rund 120.000 jüdisch. Ein Teil der Community ist unglücklich über den Wahlausgang, da Jair Bolsonaro, so rechts er auch ist, hervorragende Beziehungen zu Israels früherem Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu pflegte. Andere sind erleichtert, dass Bolsonaro gescheitert ist und hoffen auf einen Neuanfang mit dem linken »Lula«.

Diplomatische Reaktion

Bei der Stichwahl am Sonntag holte Da Silva 50,9 Prozent der Stimmen, während 49,1 Prozent auf den rechten Amtsinhaber entfielen, den sowohl Gegner als auch Fans als »Trump von Brasilien« sehen. In der Tat gibt es Parallelen. Zuletzt hofften viele Brasilianer, dass Bolsonaro im Gegensatz zu Trump seine Wahlniederlage anerkennen wird.

Das brasilianische Äquivalent des Zentralrats der Juden, nämlich die Confederação Israelita do Brasil, versucht, zwischen der jüdischen Gemeinschaft auf der einen und der Regierung und den Institutionen des Landes auf der anderen Seite zu vermitteln. Sie vertritt Juden mit den unterschiedlichsten Ansichten. Auch daher fiel die Reaktion der Organisation diplomatisch aus.

Konstruktiver Dialog

»Präsident Lula, wir wünschen Ihnen Erfolg für Ihre vierjährige Amtszeit«, schrieb der Präsident der Organisation, Claudio Lottenberg. »Zugleich bekräftigen wir unsere Bereitschaft zu einem konstruktiven und demokratischen Dialog.«

Das Wort konstruktiv ist wohl eine gute Wahl, denn Da Silva ist nicht gerade als größter Freund des einzigen jüdischen Staates auf der Welt bekannt. Vor zwölf Jahren war er das erste brasilianische Staatsoberhaupt, das Israel besuchte. Damals weigerte sich »Lula«, das Grab von Theodor Herzl zu besuchen, dem Vater des Zionismus. Stattdessen legte er einen Kranz auf dem Grab des früheren PLO-Führers Jassir Arafat in Ramallah ab. Dies war ein klares Zeichen. Selbiges galt für Lulas sofortige Anerkennung eines palästinensischen Staates, den es bis heute nicht gibt.

Israelische Flagge

Ein Jahr zuvor hatte Da Silva nicht nur die jüdischen Brasilianer schockiert, indem er den damaligen iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadineschād, einen ebenso prominenten wie notorischen Judenhasser und Holocaustleugner, nicht nur einlud sondern ihm auch noch einen warmen Empfang bereitete. Hier hagelte es natürlich auch im Ausland Kritik.

Noch-Amtsinhaber Bolsonaro wird seit seiner Amtsübernahme am 1. Januar 2019 Rassismus, Homophobie und Frauenhass vorgeworfen sowie Ignoranz beim Thema Klimakrise. Er wollte mit Härte gegen Umweltschützer und Urvölker im Amazonasgebiet vorgehen. Was man ihm sicherlich nicht vorwerfen konnte war eine antiisraelische Haltung. Wie brasilianische Medien berichteten, trug seine Ehefrau im Wahllokal am Sonntag sogar ein T-Shirt, das mit der israelischen Flagge versehen war. Ein Zufall war dies vermutlich nicht.

Zweite Runde

Da Silva hatte nach seiner ersten Präsidentschaft ein ganz anderes Problem. Er wurde zu einer Gefängnisstrafe verurteilt. Die Vorwürfe: Korruption und Geldwäsche. Lula selbst wies alle Anklagepunkte als falsch zurück, befand sich jedoch 580 Tage lang hinter Gittern, bis das Oberste Gericht Brasiliens die Urteile im vergangenen Jahr aufhob. Dies machte den Weg frei für die Kandidatur Da Silvas.

Die jüdische Gemeinschaft Brasiliens mag divers sein. Alle Lager, rechts, Mitte und links, hoffen jedoch auf eine bessere zweite Runde mit Luiz Inácio Lula da Silva.

Ungarn

Europäisch und zeitgemäß

Das einzige jüdische Theater heißt Gólem und ist jünger und provokanter, als die meisten erwarten

von György Polgár  18.04.2024

Großbritannien

Seder-Tisch für die Verschleppten

131 Stühle und zwei Kindersitze – einer für jede Geisel – sind Teil der Installation, die in London gezeigt wurde

 18.04.2024

Medien

Die Mutter einer Geisel in Gaza gehört zu den »einflussreichsten Menschen 2024«

Das Time Magazine hat seine alljährliche Liste der 100 einflussreichsten Menschen des Jahres veröffentlicht. Auch dieses Mal sind wieder viele jüdische Persönlichkeiten darunter

 18.04.2024

Indonesien

Unerwartete Nähe

Das Land mit der größten muslimischen Bevölkerung der Welt will seine Beziehungen zu Israel normalisieren

von Hannah Persson  18.04.2024

Schweiz

SIG begrüßt Entscheidung für Verbot von Nazi-Symbolen

Wann die Pläne umgesetzt werden, bleibt bisher unklar

von Imanuel Marcus  17.04.2024

Judenhass

Antisemitische Vorfälle in den USA um 140 Prozent gestiegen

Insgesamt gab es 8873 Übergriffe, Belästigungen und Vandalismusvorfälle

 17.04.2024

Chile

Backlash nach Boykott

Mit israelfeindlichem Aktionismus schadet das südamerikanische Land vor allem sich selbst

von Andreas Knobloch  16.04.2024

Kiew

Ukraine bittet um gleichen Schutz wie für Israel

Warum schützt der Westen die Ukraine nicht so wie Israel? Diese Frage stellt der ukrainische Staatschef Selenskyj in den Raum

von Günther Chalupa  16.04.2024

Statement

J7 Condemn Iranian Attack on Israel

The organization expressed its »unwavering support for Israel and the Israeli people«

von Imanuel Marcus  15.04.2024