Bari Weiss, Journalistin, Millionärin und Medien-Unternehmerin ist seit Oktober neue Chefredakteurin von CBS News – sehr zum Entsetzen des »woken« Teils der Medienlandschaft. Zugleich verweist die Karriere der 41-Jährigen auf die Verengung mancher Diskurse in den vergangenen 20 Jahren: Erst kamen die politische Korrektheit und eine sich radikalisierende #MeToo-Bewegung, dann ein Verständnis von Diversität, das ethnische und sexuelle Vielfalt zu einem kompromisslosen Dogma verhärtete und schließlich eine »Wokeness«-Welle, die die eigentlich gute und richtige Sensibilität gegenüber Rassismus, Chauvinismus oder Sexismus und Antifeminismus zu einer Glaubensfrage machte. Das heterogene Gemisch kippte nach den Massakern der Hamas vom 7. Oktober 2023 teilweise in einen weltweit grassierenden Antisemitismus.
Etwas, das erkannte Weiss in den westlichen Gesellschaften schon vor Jahren und schrieb von einer illiberalen Bewegung, die aus einer »Mischung von Postmoderne, Postkolonialismus, Identitätspolitik, Neomarxismus, Critical Race Theory, Intersektionalität und therapeutischer Mentalität« befeuert werde. Der Satz erschien 2020 in einem Beitrag im »Tablet«-Magazin, der den Titel trug »Stop Being Shocked«. Weiss sieht den amerikanischen Liberalismus durch eine neue Ideologie bedroht – mit gefährlichen Folgen für Juden.
»Untergang des Abendlandes«
Gegenwärtig wird die Frau aus Pittsburgh zu den mächtigsten Persönlichkeiten in den US-Medien gezählt, Amazon-Gründer Jeff Bezos lud sie zu seiner Hochzeit nach Venedig ein, Linke hassen sie, Rechte verehren sie – Weiss verortet sich selbst in der politischen Mitte. Kritiker beschreiben sie als »anti-woke«, und nur pseudomäßig »anti-establishment«, und bedauern, dass sie sich pro Israel positioniert.
Frank Luntz, Meinungsforscher und politischer Berater der Republikaner, sagte über Weiss’ Einfluss: Sie spreche nicht nur zu dem einen Prozent der Mächtigen und Reichen auf der Welt, »sie spricht zu dem Hundertstel Prozent. Und das hört ihr zu«. Das mache sie für ihre Gegner zum Verdachtsfall. Wenn so jemand auch noch Chefin von CBS News werde, sei das ein Beweis für die Gleichschaltung aller Medien durch Rechtsextreme und komme dem Untergang des Abendlandes gleich.
Bari Weiss wuchs in Pennsylvania in einer Familie auf, die stets zionistisch gewesen sei, sagt sie. Ihre Kindheit beschreibt sie als idyllisch. Die Eltern besaßen das »Weisshaus«-Möbelunternehmen. Als Kind ging sie in die »Tree of Life«-Synagoge in Squirrel Hill, hatte dort ihre Batmizwa. In eben der Gemeinde, die 2018 Ziel des tödlichsten antisemitischen Angriffs in der Geschichte der USA werden sollte, als dort elf Menschen an einem Schabbatmorgen von dem weißen Rassisten Robert Bowers ermordet wurden.
Tränen am Schreibtisch
Nach der Highschool ging Weiss nach Israel, studierte in Jerusalem an der Hebräischen Universität und dann an der Columbia University in New York. Dort war sie Mitgründerin der jüdischen Studentenzeitschrift »Current«. Schon lange vor den Campus-Protesten im Nachgang des 7. Oktober 2023 hatte Weiss an der Columbia linken Antisemitismus erleben müssen. Als Gegenwehr gründete sie die Taskforce »Columbians for Academic Freedom«, die sie in ihrem Buch How to Fight Antisemitism beschrieb. Sie verfasste Artikel für den »Forward« und »Haaretz«, arbeitete für das »Tablet«-Magazin und wurde Meinungsredakteurin des »Wall Street Journal«.
Als Donald Trump 2016 erstmals die Wahlen gewann, brach Weiss weinend an ihrem Schreibtisch zusammen und wechselte 2017 zur »New York Times« (NYT). Sie habe sich damals zu liberal gefühlt, um weiter für das »Wall Street Journal« zu schreiben, sagte sie. 2020 wählte sie Joe Biden und kritisierte in dieser Zeit in ihren Artikeln immer wieder die Empathielosigkeit, die Doppelmoral und den Antisemitismus der sogenannten Progressiven. Damals schrieb Weiss auch einen viel beachteten Artikel, in dem sie den von der Linken gepredigten Intersektionalismus als neues Kastensystem bezeichnete.
Lange vor den Campus-Protesten hatte Weiss an der Columbia linken Antisemitismus erlebt.
2020 verließ Weiss die New York Times und prangerte in einem öffentlichen Kündigungsschreiben die Feindseligkeit ihrer Kollegen an, die sie für ihre pro-israelische Haltung und ihre Kritik an der ideologischen Kehrseite der Wokeness gemobbt hätten. Anlass ihrer Kündigung: Auf dem Höhepunkt der #Blacklivesmatter-Bewegung hatte der republikanische Senator Tom Cotton in einem Beitrag in der NYT mit dem Titel »Schickt die Truppen rein« den von Trump geforderten Militäreinsatz in den Städten befürwortet, um die Plünderung von Geschäften zu verhindern, zu denen es im Zuge der Proteste gegen den Mord an George Floyd gekommen war.
Cotton hatte sich dabei auf das sogenannte Aufstandsgesetz der amerikanischen Verfassung berufen. Der zuständige NYT-Meinungsredakteur hatte sofort gehen müssen. Weiss gründete und beteiligte sich an der Schaffung von »Safe Spaces« für »freies Denken« als Reaktion auf die von manchen Vertretern der woken Ideologie betriebene Ausgrenzung und Diskriminierung, wie sie es nannte.
2021 tat sie sich unter anderem an der University of Austin in Texas mit dem berühmten Historiker Niall Ferguson vom Hoover Institute und der Philosophie-Professorin Kathleen Stock zusammen, die nach einer Mobbing-Kampagne ihren Job an der Universität Sussex hingeschmissen hatte. Transgender-Aktivisten hatten Stock vorgeworfen, sie propagiere zu Unrecht, dass Menschen ihr biologisches Geschlecht nicht ändern könnten.
Ferner kooperierte Weiss mit dem renommierten Geophysiker Dorian Abbot, der vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) erst für einen Vortrag ein- und dann wieder ausgeladen wurde, nachdem er Kritik daran geübt hatte, dass einige Universitäten weiße Bewerber per se ausschließen würden. Auch mit dem Philosophen Peter Boghossian, dem Experimentalpsychologen Steven Pinker, der Wirtschaftswissenschaftlerin Deirdre McCloskey, dem Pulitzer-Preis-Gewinner David Mamet und der Politologin und Schriftstellerin Ayaan Hirsi-Ali fand Weiss eine gemeinsame Basis.
Schließlich gründete Weiss im Januar 2021 die Nachrichten-Plattform »Free Press«, die mittlerweile knapp zwei Millionen Abonnenten zählt und kürzlich von Paramount gekauft wurde. Das Unterhaltungs- und Medienunternehmen ist wiederum mit Skydance fusioniert, das von David Ellison – Sohn des zweitreichsten Mannes der Welt, Larry Ellison, ein Trump- und Netanjahu-Freund und einst Mentor von Elon Musk – geleitet wird.
Zu Paramount gehört ebenfalls der lange für offene Kritik an Trump bekannte Sender CBS, dessen News-Chefin Bari Weiss seit Oktober dieses Jahres ist. In einem ersten Polit-Talk-Spezial, das Weiss selbst moderiert, wird Erika Kirk zu Gast sein, die Witwe des im September ermordeten Rechtsaußen-MAGA-Aktivisten Charlie Kirk. Mit dabei sein sollen außerdem Vertreter aus dem gesamten politischen Spektrum, kündigte Weiss an, um über die Chancen einer Überwindung der Spaltung in der amerikanischen Gesellschaft zu sprechen.
Bari Weiss lebt heute mit ihrer Partnerin Nelly Bowles in New York City. Sie beschreibt sich als »Liberale«, die die »Exzesse der linken Kultur« ablehnt. Die Fronten bleiben verhärtet: Die Linke hasst Weiss, die Rechte bewundert sie, ohne dass sie diese Bewunderung bräuchte oder wollte. Zwar bot sie der neuen Rechten und deren Forderungen nach »Meinungsfreiheit« bereits 2018 mit dem viel beachteten Artikel »Meet the Renegades of the Intellectual Dark Web« in der New York Times ein erstes Forum, schrieb aber auch voller Selbstzweifel: »Da ich von der Linken angegriffen wurde, bin ich mir bewusst, dass ich Gefahr laufe, mich übermäßig auf deren Exzesse zu konzentrieren – und gewähre damit einigen Menschen, die ich zutiefst ablehne, Unterstützung.«
Gemäßigter, als viele Kritiker es wahrhaben wollen
Kritiker sehen in Weiss eine neue Zuarbeiterin Trumps und von dessen MAGA-Positionen. Sie ist gewiss konservativ, aber wohl gemäßigter als viele Kritiker es wahrhaben wollen – außer es geht um Israel.
Ihr Ziel, so schrieb sie an alle Mitarbeiter von CBS vor ihrem Amtsantritt, sei es, mit unterschiedlichen Meinungen produktiv umzugehen, um die Meinungsvielfalt zu stärken. Mit ihr würde CBS News der vertrauenswürdigste Nachrichtensender des 21. Jahrhunderts, verkündete sie vollmundig. Genau das muss die Zukunft aber noch zeigen.