Paris

Weil sie Jüdin war

In Gedenken an Sarah Halimi Foto: Getty Images / istock

Vor genau zwei Jahren, am 4. April 2017, ist in Paris die französische Ärztin und Pädagogin Sarah Halimi ermordet worden. Der Täter war ihr Nachbar, der 27-jährige Muslim namens Kobili Traore. Er drang in die Wohnung der 66-jährigen Jüdin im Stadtteil Belleville ein, misshandelte die Frau und warf sie anschließend aus dem dritten Stock. Zeugen hörten, wie er dabei »Allahu akbar« schrie. In den Monaten zuvor hatte Traore seine Nachbarin wiederholt judenfeindlich beschimpft. Die Nähe der Familie des Täters zu Antisemiten und Islamisten war im Pariser Stadtteil Belleville bekannt.

»Ich hege keine Zweifel, dass meine Mutter getötet wurde, weil sie Jüdin war«, sagte Sarah Halimis Sohn Yonathan damals der jüdischen Zeitung Actualités Juives. Die Familie des Täters habe die Familie Halimi mehrmals judenfeindlich angegriffen. »Meine Schwester wurde geschubst und als dreckige Jüdin beschimpft«, berichtete Yonathan Halimi.

Externer Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel anreichert. Wir benötigen Ihre Zustimmung, bevor Sie Inhalte von Sozialen Netzwerken ansehen und mit diesen interagieren können.

Mit dem Betätigen der Schaltfläche erklären Sie sich damit einverstanden, dass Ihnen Inhalte aus Sozialen Netzwerken angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittanbieter übermittelt werden. Dazu ist ggf. die Speicherung von Cookies auf Ihrem Gerät nötig. Mehr Informationen finden Sie hier.

DROGEN Am Tag nach dem Verbrechen wurde Traore von der Polizei verhaftet und zunächst in eine psychiatrische Einrichtung eingewiesen. Die französische Polizei wollte zunächst nicht von einem judenfeindlich motivierten Mord ausgehen. Vielmehr nahm sie an, dass der Täter den Mord infolge einer psychischen Störung und unter Einfluss von Drogen begangen hat.

Zuerst wollten Polizei und Staatsanwaltschaft nicht von Judenhass als Motiv sprechen.

Auch die französische Staatsanwaltschaft verzichtete in ihrer Anklageschrift zunächst auf jeden Hinweis, dass es sich um ein antisemitisches Hassverbrechen handelte; laut Staatsanwaltschaft wurde der Mord infolge einer psychischen Störung begangen. Dagegen regte sich in Frankreich Protest: Mehr als ein Dutzend jüdischer Intellektueller forderte, das wahre Motiv beim Namen zu nennen. Der Forderung schlossen sich der jüdische Politiker Meyer Habib, Abgeordneter der französischen Nationalversammlung, und die – ebenfalls jüdische – EU‐Abgeordnete Frédérique Ries an.

KRITIK Meyer Habib hatte schon zuvor die französische Polizei dazu aufgerufen, den Mord an Sarah Halimi unter dem Gesichtspunkt des Judenhasses zu untersuchen. »Antisemitismus mag vielleicht nicht die Ursache des Mordes gewesen sein, aber zumindest der entscheidende Auslöser. Hätte der Mörder eine Frau aus Mali oder Algerien aus dem Fenster geschmissen? Wohl kaum«, schrieb Habib auf seiner Facebook‐Seite.

Die jüdische Gemeinschaft Frankreichs gedachte Sarah Halimis in Paris mit einem Schweigemarsch.

Auch die Medien und die französische Regierung sahen sich der Kritik ausgesetzt, das antisemitische Motiv der Tat verschleiern zu wollen. Es waren jüdische Medien, die über den Mord an Sarah Halimi zuerst unter dem Gesichtspunkt eines antisemitischen Hassverbrechens berichteten, darunter die Jewish Telegraphic Agency (JTA), der Jewish Chronicle, die Times of Israel, das Online-Portal Hagalil und auch diese Zeitung. Die jüdische Gemeinschaft Frankreichs gedachte Sarah Halimis in Paris mit einem Schweigemarsch. Mehr als 1000 Menschen nahmen an der Trauerveranstaltung teil. Sarah Halimi wurde in Anwesenheit ihrer beiden Töchter und ihres Sohnes in Jerusalem beigesetzt.

Am 12. Juli 2017 wurde Kobili Traore der »vorsätzlichen Tötung« Halimis angeklagt. Die Staatsanwaltschaft forderte aufgrund eines psychiatrischen Gutachtens schließlich vom vorsitzenden Richter, das antisemitische Motiv im Verfahren zu berücksichtigen. Bis heute ist noch kein Urteil gegen Traore gesprochen.  ja

Nachruf

Letzter Kämpfer des Aufstands des Warschauer Ghettos gestorben

Michael Smuss wurde 99 Jahre alt

 24.10.2025

Wien

Nobelpreisträger warnt vor technischer Abhängigkeit von den USA

Joseph E. Stiglitz kritisiert Präsident Trump und ruft Wissenschaft und Medien zur Verteidigung der Medienfreiheit weltweit auf

von Steffen Grimberg  24.10.2025

Polen

Antisemitische Hetzer verhindern Konzert jüdischer Musiker

Der Chor der Pestalozzi-Synagoge in Berlin war eingeladen, in Września gemeinsam mit dem dortigen Kinderchor den Komponisten Louis Lewandowski zu ehren. Nach Hetze und Drohungen wurden alle Veranstaltungen abgesagt

von Sophie Albers Ben Chamo  23.10.2025

Großbritannien

Jiddisch verbindet

Zwischen Identitätssuche, Grammatik und Klezfest. Unsere Autorin war beim Sprachkurs »Ot Azoy« in London

von Sabine Schereck  23.10.2025

Rabbiner Noam Hertig aus Zürich

Diaspora

Es geht nur zusammen

Wie wir den inneren Frieden der jüdischen Gemeinschaft bewahren können – über alle Unterschiede und Meinungsverschiedenheiten hinweg

von Rabbiner Noam Hertig  23.10.2025

Großbritannien

Ärztin wegen antisemitischer Agitation festgenommen

Dr. Rahmeh Aladwan wurde vorübergehend in Polizeigewahrsam genommen, weil sie die Hamas-Verbrechen vom 7. Oktober verherrlicht hatte. Nun muss der General Medical Council über ihre Approbation entscheiden

von Michael Thaidigsmann  22.10.2025

Regierungsrätin und Vorsteherin der Gesundheitsdirektion Natalie Rickli lehnte die unverbindliche Anfrage des Bundes ab, 20 Kinder aus Gaza in der Schweiz aufzunehmen.

Schweiz

Kinder aus Gaza bald in Zürich?

In der Schweiz wird eine politische Debatte darüber geführt, ob verletzte Kinder aus dem Gazastreifen aufgenommen werden sollen

von Nicole Dreyfus  22.10.2025

Mexiko

»La Doctora« liefert

Die Sozialdemokratin und Physikerin Claudia Sheinbaum ist seit einem Jahr Präsidentin. Eine erste Bilanz

von Michael Ludwig  21.10.2025

Charlotte (North Carolina)

Schachgroßmeister Daniel Naroditsky mit 29 Jahren gestorben

Das Charlotte Chess Center würdigt ihn als »herausragenden Schachspieler, Lehrer und geliebten Freund«

 21.10.2025