Debatte

Über den Hass reden

Die Lage analysieren» und «ein Bild bekommen»: Dies sollen nach Aussage des Diplomaten Felix Klein seine ersten Handlungen im neu geschaffenen Amt des Antisemitismusbeauftragten der Bundesregierung werden.

Warum diese Analyse so notwendig ist, zeigte am Montag eine Diskussionsveranstaltung zum Thema «Antisemitismus in Deutschland und Europa – Herausforderungen und Lösungen», zu der die dänische Botschaft in Berlin eingeladen hatte.

Schien nach persönlichen Erfahrungsberichten von Antisemitismus-Betroffenen wie dem Makkabi Berlin-Fußballer Fabian Weißbarth oder dem Restaurant-Inhaber Yorai Feinberg der Gesprächsgegenstand noch einigermaßen klar, so warf die folgende Debatte mehr Fragen auf, als sie beantworten konnte.

Allen voran: Gibt es tatsächlich eine Zunahme von antisemitischen Vorfällen in Deutschland, die sich auch in Zahlen ausdrücken lässt? Oder aber gibt es im Gegenteil eine erhöhte Sensibilität für das Thema, die Vorfälle ans Licht bringt, die früher im Dunkeln blieben?

Gesamtgesellschaft «Antisemitismus ist kein jüdisches Problem, sondern eine Herausforderung für die Gesamtgesellschaft, für unsere demokratische Grundordnung»: Dieser Einschätzung von Daniel Botmann, Geschäftsführer des Zentralrats der Juden in Deutschland, konnten sich am Montag noch alle Podiumsteilnehmer anschließen.

Komplizierter wurde es allerdings bei der Verortung dieses Phänomens. Antisemitismus der Rechten zählte Botmann ebenso auf wie den linken Antisemitismus und denjenigen, der seine Wurzeln in der muslimischen Gemeinschaft hat – um sich gleichzeitig gegen Versuche der «Anbiederung an die jüdische Gemeinschaft» durch rechtspopulistische Bewegungen wie Pegida zu wehren, auf deren Demonstrationen «perfiderweise Israelfahnen» zu sehen seien.

Die größte Kontroverse des Abends entzündete sich am entschiedenen Widerspruch der im Publikum sitzenden Historikerin Juliane Wetzel gegen die wiederholt geäußerte Feststellung eines zunehmenden Antisemitismus: Umfragen wie auch Statistiken zu Straftaten zeigten zwar ein hohes Level antisemitischer Vorfälle, aber eben keine Zunahme, so Wetzel. Als «herzlos» bezeichnete daraufhin der Islamismus-Experte Ahmad Mansour Wetzels Verweis auf die nackten Zahlen, denn immerhin seien Menschen betroffen: «Ich kenne Juden, die daran denken, auszuwandern.»

Moderatorin Lea Rosh nahm Wetzel gegen derlei Vorwürfe in Schutz, gab aber zu bedenken, dass Antisemitismus doch in jedem Fall offener gezeigt werde als früher.

Me-Too Interessante Parallelen versprach der wiederholt geäußerte Vergleich mit der «MeToo»-Debatte über Sexismus und Machtmissbrauch. Auch Betroffene von antisemitischen Vorfällen würden sich nach langem Schweigen teils erst jetzt an die Öffentlichkeit wagen, wurde Wetzel aus dem Publikum entgegengehalten.

Dass dies kein eigentlicher Widerspruch ist, sondern sich die Positionen hier möglicherweise treffen, ging in der hitzig geführten Diskussion leider unter: Denn auch die MeToo-Debatte belegt gerade keine Zunahme von Übergriffen, sondern eine erhöhte Sensibilität für das Thema.

Vielleicht liegt hierin die optimistische Botschaft des Abends, die die Berliner SPD-Politikerin Sawsan Chebli in folgende Worte fasste: «Das Bewusstsein, dass etwas passieren muss, war noch nie so groß wie heute.»

Lesen Sie mehr in der kommenden Printausgabe der Jüdischen Allgemeinen.

Großbritannien

Nike hat es »nicht böse gemeint«

Der Sportartikel-Konzern hing zum London Marathon ein Banner auf, das aus Sicht von Kritikern die Schoa lächerlich gemacht hat. Jetzt hat sich das Unternehmen entschuldigt.

 29.04.2025

Schweiz

Junger Mann wegen geplanten Anschlags auf Synagoge Halle verhaftet

Die Anschlagspläne soll er laut Staatsanwaltschaft zwischen Juli 2024 und Februar 2025 wiederholt in einer Telegram-Chatgruppe angekündigt haben

 29.04.2025

Sport

Nach Anti-Israel-Eklat: Jetzt sprechen die Schweizer Fechter

Bei der Nachwuchs-EM der Fechterinnen und Fechter kommt es in Estland zu einer viel diskutierten Szene. Nun haben sich die verantwortlichen Schweizer erklärt

 28.04.2025

Fecht-EM

Schweizer Fechter schauen bei israelischer Hymne demonstrativ weg

Nachdem die U23-Mannschaft der Schweizer Fechter gegen Israel protestierte, äußert sich nun der Schweizer Fechtverband und verurteilt den Vorfall

von Nicole Dreyfus  28.04.2025

Großbritannien

Israelfeindliche Aktivisten stören London-Marathon

Mitten im London-Marathon kommt es zu einer Protestaktion gegen Israel. Zwei Aktivisten springen auf die Strecke und streuen rotes Pulver

 27.04.2025

Essay

Wir gehen nicht allein

Zum ersten Mal hat unsere Autorin mit dem »Marsch der Lebenden« das ehemalige KZ Auschwitz besucht. Ein Versuch, das Unvorstellbare in Worte zu fassen

von Sarah Maria Sander  27.04.2025

Frankreich

Serge Klarsfeld: »Wir müssen vorbereitet sein«

Der Holocaust-Überlebende und Nazi-Jäger hat in »Le Figaro« einen dringenden Appell veröffentlicht und erneut für rechte Parteien geworben. Das Judentum sei bedrohter denn je, glaubt er

 25.04.2025

USA

Sharon Osbourne vs. die Anti-Israel-Popkultur

Rock-Veteranin Sharon Osbourne hat sich mit dem irischen Rap-Trio Kneecap angelegt, das offensichtlich meint, mit Hassrede gegen Israel seine Fanbase vergrößern zu können

von Sophie Albers Ben Chamo  25.04.2025

KZ-Gedenkstätte Auschwitz

Israels Präsident Isaac Herzog und Eli Sharabi beim »Marsch der Lebenden«

Auf dem Weg von Auschwitz nach Birkenau sind diesmal auch ehemalige israelische Geiseln der Hamas dabei. Israels Präsident Herzog erinnerte an die weiterhin in Gaza gefangen gehaltenen israelischen Geiseln

 24.04.2025