USA

»The Harvard Crimson« und der Boykott

Moors Hall der Harvard University Foto: imago images/VWPics

Ende April veröffentlichte die Redaktion des »Harvard Crimson« ein Editorial mit dem Titel »Unterstützung für Boykott, Desinvestitionen, Sanktionen und ein freies Palästina«.

Mit diesem Bekenntnis zu der israelfeindlichen BDS-Bewegung löste die Studentenzeitschrift der Harvard University, eine der weltweit renommiertesten Bildungseinrichtungen, in den USA eine Kontroverse über Israelhass und Antisemitismus auf dem Campus aus.

Israeli Apartheid Week Der Stellungnahme des »Crimson« war die Israeli Apartheid Week vorangegangen, die jährlich vom »Harvard College Palestine Solidarity Committee« organisiert wird. Mitten auf dem Harvard-Campus wurde eine »Wall of Resistance« installiert, eine große Stellwand, auf der unter anderem stand: »Zionismus ist Rassismus, Siedler-Kolonialismus, Weiße Vorherrschaft, Apartheid«. Jüdische Studenten­organisationen kritisierten dies als antisemitisch.

Die Reaktion des »Crimson« auf diesen Vorwurf folgte prompt: »Wir fühlen die Notwendigkeit zu beteuern, dass die Unterstützung der palästinensischen Befreiung nicht antisemitisch ist«, schrieb die Redaktion in ihrem Editorial.

Die israelischen »Verstöße gegen die Menschenrechte und das internationale Recht« erforderten eine klare Haltung. »Es ist unser kategorischer Imperativ, an der Seite der Verletzbaren und Unterdrückten zu stehen.« Der Text endet mit den Worten: »Wir sind stolz, endlich die palästinensische Befreiung und BDS zu unterstützen.«

Pulitzer-Preis
Der »Crimson« ist keine simple Studentenzeitschrift. Er erscheint täglich in hoher Auflage als Print-Ausgabe und gilt als journalistische Talentschmiede – nach eigenen Angaben erhielten mehr als 25 ihrer ehemaligen Redakteure einen Pulitzer-Preis. Mit dem Ausmaß der landesweiten Kritik und Aufmerksamkeit, die das Editorial zu BDS erhielt, dürfte die Crimson-Redaktion dennoch nicht gerechnet haben.

Der »Crimson« ist keine simple Studentenzeitschrift. Er erscheint täglich in hoher Auflage als Print-Ausgabe und gilt als journalistische Talentschmiede.

Der republikanische Gouverneur von Texas, Ted Cruz, schrieb von einer »schandhaften Umarmung von BDS«, und Jonathan Greenblatt, Präsident der Anti-Defamation League (ADL), warf dem »Crimson« in Bezug auf Israel einen »blinden Fleck« vor und bezeichnete das Editorial als »mehr als verstörend«.

Zudem unterzeichneten etwa 100 Harvard-Wissenschaftler ein Statement in »Opposition zu BDS und der Crimson-Haltung«. Dort heißt es, »BDS ist respektlos gegenüber Juden«. Man sei zutiefst über die negativen Auswirkungen des Editorials auf »die Stimmung und das Wohlergehen von jüdischen und zionistischen Studenten in Harvard« besorgt. Die Unterzeichner erwarten von der Crimson-Redaktion, dass sie sich nun um Schadens­begrenzung bemühe.

Antisemitismus Die Ereignisse in Harvard lassen sich in einen Zusammenhang mit wachsendem Antisemitismus an amerikanischen Universitäten bringen. In einer Umfrage von 2021 stellt die ADL ein Allzeithoch von antisemitischen Zwischenfällen an Hochschulen fest. Demnach erlebten oder beobachteten 43 Prozent der befragten jüdischen Studierenden innerhalb eines Jahres Judenhass im Kontext ihres Studiums. 15 Prozent fühlen die Notwendigkeit, ihre jüdische Identität auf dem Campus zu verheimlichen. Diese Zahlen erklärt die ADL unter anderem mit einer zunehmend israelfeindlichen Haltung unter Studierenden.

Auch »The Harvard Crimson« hat in seiner Einstellung zu Israel in den vergangenen Jahren einen dramatischen Wandel vollzogen. 2002 hatte die Redaktion einen Boykott des Landes noch strikt abgelehnt. 2020 sprach sie sich dann dafür aus, ergebnisoffen über die Ziele von BDS zu debattieren. Zwei Jahre später kam schließlich das klare Bekenntnis zugunsten der Bewegung.

Das ist ein Wandel, den die jüdische Harvard-Studentin und Crimson-Redakteurin Natalie L. Kahn nicht kampflos hinnehmen möchte. In einem Kommentar, den »The Harvard Crimson« veröffentlichte, schrieb sie: »Ich bin Zionistin, und ich stehe an der Seite Israels.« BDS lehnt sie ab und glaubt fest, dass viele Crimson-Redakteure das ähnlich sehen wie sie. »Ich habe nicht die Absicht aufzuhören«, schreibt Kahn mit Blick auf ihre Arbeit bei der Studentenzeitschrift.

Meinung

New York: Zohran Mamdani und der Clash der Generationen

Der Bürgermeisterkandidat der Demokraten wurde nicht zuletzt wegen seiner antizionistischen Haltung gewählt. Während er unter jungen jüdischen New Yorkern Unterstützer hat, stehen die älteren überwiegend fest an Israels Seite

von Hannes Stein  06.07.2025

Ungarn

Wo der Wunderrabbi wirkt

Zur 100. Jahrzeit von Reb Shayele pilgern Tausende Chassidim nach Kerestir – im festen Glauben, dass seine Kraft bis heute fortlebt. Zu Besuch an einem Ort voller Hoffnung und Geschichte

von György Polgár  06.07.2025

Antisemitismus

Angriff auf Synagoge und Restaurant in Melbourne

Während etwa 20 Menschen Schabbat feierten, setzte ein Mann die Tür des Gebäudes in Brand. Kurz darauf wurde ein koscheres Restaurant gestürmt. Nun hat die Polizei einen Verdächtigen festgenommen

 06.07.2025 Aktualisiert

Belgien

»Gaza gleich Auschwitz«-Karikatur gewinnt Wettbewerb

Der erste Preis des Press-Cartoon-Belgium-Wettbewerbs ging in diesem Jahr an eine Zeichnung einer Landkarte, in der die Umrisse des Eingangstores von Birkenau auf die des Gazastreifens gelegt sind

von Michael Thaidigsmann  04.07.2025

Kommentar

Zürich sollte Francesca Albanese keine Bühne bieten

Die antisemitische UN-Sonderberichterstatterin tritt am Freitag in der Zürcher Zentralwäscherei auf - subventioniert durch die Steuerzahler der Stadt

von Ronny Siev  03.07.2025

Großbritannien

Unterhaus: Palestine Action als Terrororganisation eingestuft

Mitglieder der radikalen Anti-Israel-Gruppe waren im Juni auf einen britischen Luftwaffenstützpunkt eingedrungen und hatten dort Flugzeuge beschädigt

 03.07.2025

Ukraine

Putins Krieg und Trumps Frieden

Während sich die Medienaufmerksamkeit auf Nahost konzentriert, bombardiert Russland weiterhin das Land. Nun schlägt sogar der US-Präsident neue Töne an

von Michael Gold  03.07.2025

Australien

Zwei Krankenpfleger, die damit drohten, jüdische Patienten zu töten, haben Arbeitsverbot

Im Februar sorgte ein TikTok-Video für Abscheu und Empörung, in dem zwei Krankenpfleger ihrem blanken Judenhass freien Lauf ließen. Nun stehen sie vor Gericht

 02.07.2025

Großbritannien

Warten auf »Bridgerton«

Die Sehnsucht nach der vierten Staffel des Netflix-Hits ist groß. Aber wie war eigentlich das reale jüdische Leben in der Regency?

von Nicole Dreyfus  29.06.2025