USA

Sterling holt sich einen Korb

Ins Aus katapultiert: Donald Sterling Foto: dpa

Die Profiliga NBA ist in hellem Aufruhr, seit der Besitzer der LA Clippers, Donald Sterling, dabei erwischt wurde, rassistische Äußerungen von sich gegeben zu haben. »Die Bemerkungen«, kommentierte sogar US-Präsident Barack Obama während eines Staatsbesuchs in Malaysia, »sprechen für sich selbst«.

Auslöser der Aufregung war ein Telefonmitschnitt, der an die Öffentlichkeit gelangt war, in dem Sterling seine aus Mexiko stammende Freundin, die sich den Namen V. Stiviano gegeben hat, darum bittet, doch keine Schwarzen mehr mit zu seinen Spielen zu bringen. Stiviano hatte sich mit prominenten Afroamerikanern wie dem Basketball-Altstar Magic Johnson bei Spielen der Clippers fotografieren lassen und die Fotos stolz in sozialen Netzwerken verbreitet.

Das Telefonat, das Stiviano an die Klatschwebsite TMZ.com weitergegeben haben soll, löste Entrüstung aus. Sterling wurde Sklavenhaltermentalität vorgeworfen. NBA-Commissioner Adam Silver verhängte eine lebenslange Sperre: Der Teambesitzer darf nicht mehr die Spiele seiner eigenen Mannschaft oder irgendeiner anderen besuchen oder sich sonst wie ins Basketballtagesgeschäft einmischen.

Herkunft Sterling, der 1934 als Donald Tokowitz in Chicago geboren wurde, gehört auch zur jüdischen Gemeinde in Los Angeles. Seine Familie stammt aus Osteuropa, aufgewachsen ist er in dem jüdisch geprägten Viertel Boyle Heights im östlichen Los Angeles.

Sterling unterstützt durch eine Stiftung eine ganze Reihe jüdischer Einrichtungen in Südkalifornien, unter anderem die Jüdische Gemeinde für den Großraum Los Angeles, das Holocaust-Museum, das Toleranzmuseum und die Hilfsorganisation Beit Tshuva. 1991, als er schon zehn Jahre lang Besitzer der LA Clippers war, lud er Maccabi Tel Aviv zu zwei Freundschaftsspielen gegen seinen Club ein. Und im Jahr 2006 wurde er in die Southern California Jewish Sports Hall of Fame gewählt.

Jay Sanderson, Präsident der Jewish Federation of Greater Los Angeles, erkärte, in der Gemeinde sei man verstört über Sterlings Äußerungen. »Der Rassismus eines Einzelnen gibt nicht die Meinung der jüdischen Gemeinschaft wieder.« Abraham Foxman von der Anti-Defamation League nannte Sterlings Äußerungen »verwerflich«. Die Rabbiner Marvin Hier und Abraham Cooper vom Simon Wiesenthal Center Los Angeles schlossen sich der Kritik an. Und Rabbiner Steven Wernick und Richard Skolnik von der United Synagoge of Conservative Judaism erklärten, es sei »besonders verstörend« gewesen, Sterlings Tiraden gerade an Jom Haschoa zu lesen.

In dem mitgeschnittenen Telefonat hatte Sterling seine Äußerungen gegen die Kritik seiner Freundin auch mit Hinweisen auf Israel verteidigt: »So ist die Welt! Geh doch nach Israel, die Schwarzen werden da wie Hunde behandelt!« Als Stiviano ihm vorwarf, als Jude müsse er doch wissen, was Diskriminierung bedeute, antwortete er nur: »Du bist ein Fall für die Psychiatrie.«

Distanz Nun haben sich nicht nur NBA und die jüdische Gemeinde von Sterling distanziert. Auch seine Noch-Ehefrau Rochelle, mit der er drei Kinder hat, verurteilte seine Äußerungen. Und die Hauptsponsoren der LA Clippers kündigten die Zusammenarbeit auf, solange Sterling noch das Sagen hat.

Des Weiteren werden nun Schritte geprüft, wie man Sterling dazu bewegen kann, das Team zu veräußern. Das jedoch ist kompliziert. Zwar hat der Ligavorstand, bestehend aus allen 30 Mannschaftsbesitzern, das Mandat, Sterling zum Verkauf zu zwingen. Aber die Teambesitzer zögern, weil sie keinen Präzendenzfall schaffen wollen. Keiner der Eigner will es den anderen in der Zukunft zu leicht machen, einen von ihnen einfach loszuwerden.

Ein weiterer Grund ist die hohe Wahrscheinlichkeit einer Klage Sterlings. Eine Abmahnung durch die NBA, so spekulierte das Wall Street Journal, bedeute eine Entwertung von Sterlings Eigentum, die einer Marktverzerrung gleichkäme und gegen die der Milliardär kartellrechtlich vorgehen könnte. Schließlich könnten die Käufer den Preis bestimmen, falls Sterling keine andere Wahl hat, als zu verkaufen.

In der Tat dürften die Clippers zum Schnäppchen werden, denn die Mannschaft, die Sterling 1981 für 12,5 Millionen Dollar kaufte, ist heute so viel wert wie noch nie zuvor. Zum ersten Mal haben die Clippers einen Kader zusammen, der Chancen hat, um die Meisterschaft mitzuspielen. Sie haben ihre Lokalrivalen, die LA Lakers, überflügelt und beherrschen den lukrativen Medienmarkt Los Angeles. Auf bis zu 700 Millionen Dollar wird derzeit der Wert des Teams geschätzt.

So ist es kein Wunder, dass schon Stunden, nachdem der Skandal bekannt wurde, die Interessenten Schlange standen. Unter anderem ließ der amerikanisch-israelische Filmproduzent David Geffen durchblicken, das Team kaufen zu wollen. Auch die amerikanische Talk-Ikone und Medienunternehmerin Oprah Winfrey wird als mögliche Käuferin gehandelt. Gleichfalls im Rennen ist wohl auch der Ex-Basketballstar Magic Johnson, dessen Anwesenheit auf der Tribüne bei Clippers-Spielen Sterling so erzürnt hatte.

Bieter Bis die Bieter zum Zuge kommen, dauert es jedoch noch. Sterling wirklich loszuwerden, wird nicht so einfach, wie es war, ihn erst einmal symbolisch zu verurteilen. Vor Jahren, als die ewig erfolglosen Clippers noch ein Treppenwitz der Liga waren, wäre das leichter gewesen. Doch seinerzeit hat sich niemand um Sterlings schon damals aktenkundigen Rassismus geschert. Und so schaut man sich nun betreten an und fragt sich, warum niemand früher etwas getan hat.

Schon vor fünf Jahren hätte es die Gelegenheit gegeben, als der entlassene Teammanager Elgin Baylor öffentlich bekundet hatte, Sterling führe den Club »im Stil eines Südstaaten-Plantagenbesitzers«. Baylors Aussagen wurden durch einen außergerichtlichen Vergleich aus dem Jahr 2006 untermauert, indem der Immobilienbesitzer Sterling 2,7 Millionen Dollar bezahlte, weil er hispanische und schwarze Mieter diskriminiert hatte. Sie säßen den ganzen Tag faul vor dem Haus herum, beschwerte sich Sterling damals, außerdem röchen sie streng und zögen Nagetiere an. Der Jewish Daily Forward schrieb, Sterling entspreche »dem Stereotyp des jüdischen Miethais, der von der Vermietung an Arme profitiert«.

Doch alle Beteiligten, die Medien, die Basketballverantwortlichen, die Politik, hatten die Augen vor dem Sterling-Problem verschlossen. Das, so der Ex-Basketballstar Kareem Abdul Jabbar im Time Magazine, sollte der wahre Grund zur Empörung sein: »Wenn wir uns alle aufregen, dann darüber, dass wir nichts unternommen haben, als Sterlings Rassismus erstmals auftrat.«

Ein Grund dafür, dass Sterling so lange unter dem Radar fliegen konnte, dürfte sein, dass die Sensibilität gegenüber offenem Rassismus in den USA tatsächlich noch vor wenigen Jahren nicht so ausgeprägt war wie heute. Insofern hatte Obama sicherlich recht, als er im fernen Malaysia betonte, »dass Sterling so heftige Reaktionen hervorruft, spricht dafür, dass wir Fortschritte gemacht haben und dass sich unser Bild von uns selbst gewandelt hat«. Wie jung dieses Selbstbild ist, stimmt allerdings eher nachdenklich.

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