Zu Fuß durchs jüdische New York

Steins Zeit

Im ersten Moment dachte ich, ich hätte mich in der Adresse geirrt. Als ich die schwere Tür in der 84. Straße in der Upper West Side von Manhattan aufgedrückt hatte, fand ich mich zwar – wie erwartet – im Vorraum einer Synagoge wieder, aber dann sagte der Chasan »Schabbes« statt »Schabbat« und »Bojruch« statt »Baruch«, außerdem trugen die Männer Tallitot mit blauen Streifen.

Und ich wollte doch zur Abwechslung einmal zu einem sefardischen Minjan! Auf der Webseite der West Side Sephardic Synagogue hatte es geheißen: In diesem Bethaus wolle man nicht nur allgemein fromm sein und einen Beitrag zum jüdischen Leben in New York leisten, sondern insbesondere die jüdischen Traditionen des Maghreb aufrechterhalten, also der Juden aus Marokko, Tunesien und Algerien. Ich schloss die Tür wieder hinter mir und schaute noch einmal auf die Hausnummer: Die Adresse stimmte.

Improvisiert Ich brauchte einen Augenblick, bis ich die Treppe neben dem Vorraum der aschkenasischen Synagoge entdeckte. Hinauf! Eine Minute später fand ich mich in einem kleinen improvisierten Betraum mit vielleicht 30 Leuten wieder. Hier klang das Hebräische so wie in Israel, ansonsten war es das übliche Gewusel: Kinder, die zwischen den Betenden herumspringen, von ihren Eltern in den Arm genommen und geherzt werden. Ein freundlicher junger Mann bot mir einen Tallit an, ich bedankte mich mit »Merci«, weil sein Englisch einen deutlich französischen Akzent hatte.

Die Torarolle war in einem Metallgefäß montiert, wie das bei den Sefardim eben so Brauch ist. Der Rabbiner hatte einen schütteren braunen Bart; sein Englisch klang hinterher beim »Drasch« nicht französisch, sondern israelisch.

Er sprach über die traurige Heldentat des Pinchas (4. Buch Mose 25, 7-8) und darüber, warum der Buchstabe »Waw« in dem Wort Schalom infolge dieser Heldentat durchbrochen ist. Manchmal wird der Friede mit unfriedlichen Mitteln wiederhergestellt. Während der Rabbi redete, dachte ich an die prächtige Portugiesische Synagoge in Amsterdam, in der ich einmal am Freitagabend war. Aber in der Upper West Side hat es mir letztendlich besser gefallen.

West Side Sephardic Synagogue, 270 West 84 Street

Die in Genf geborene Schweizer Schriftstellerin und Philosophin Jeanne Hersch aufgenommen im März 1999

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