Niederlande

Siegeszug eines Comics

Anlass für die Bildgeschichte war der 70. Geburtstag Israels 2018. Foto: pr

Der Comic Tel Israel ist nicht das, was man einen Ladenhüter nennt. Von der niederländischen Urfassung wurden inzwischen an die 20.000 Exemplare verkauft. Die englische Übersetzung liegt stapelweise in den 140 Filialen der israelischen Buchhandelskette Steimatzky. Eine russische Bearbeitung ist nahezu fertig, und über eine deutsche wird verhandelt.

»Nicht schlecht für eine Zufallsidee«, freut sich André Diepenbroek, der Pressesprecher der israelischen Botschaft in Den Haag.

Anlass für die Bildgeschichte war der 70. Geburtstag Israels 2018. Alle Botschaften erhielten aus Jerusalem die Anregung, sich etwas Besonderes einfallen zu lassen, um dem Ereignis Glanz zu verleihen. »Das konnte ganz Verschiedenes sein: ein Konzert, etwas Kulinarisches, ein Empfang − also das Übliche«, sagt Diepenbroek. »Doch wir wollten etwas Ausgefalleneres.«

Idee Als sich das kleine Botschaftsteam Diepenbroeks Idee eines Comics zu Herzen nahm und auch der damalige Botschafter Avir Shir-On seinen Segen gab, begann Diepenbroek zu recherchieren, zuerst im Internet. »Etwas naiv dachte ich: Es wird sich schon etwas Schönes finden lassen, das wir einfach übersetzen können − und fertig. Aber ich war erstaunt, als sich so gar nichts finden ließ, weder in Israel noch in den USA, wo ich es irgendwie erwartet hätte.«

Dann machen wir es eben selbst und suchen einen Illustrator in Holland, dachte man sich. In den Niederlanden gibt es eine blühende Comic-Kultur, wusste der Botschaftssprecher, der selbst begeisterter Comic-Leser ist. Er erstellte eine Liste von Zeichnern, deren Stil ihm zusagte, und nahm per E-Mail Kontakt auf.

Ein Grafiker namens Danker Jan Oreel – er arbeitet viel für niederländische Firmen und Einrichtungen, hat aber auch schon The Rolling Stones »verstript« − reagierte umgehend und wurde so zum Mitgestalter des Heftes, dem sie den Titel Tel Israel gaben.

»Der Name basiert auf dem hebräischen Begriff ›Tel‹, was auf Deutsch so viel wie ›archäologischer Schutthaufen‹ heißt«, sagt Diepenbroek. »Es gibt in Israel viele solcher Hügel. Wir spielen damit auf die 1000-jährige Geschichte des Landes an.«

So weit, so gut. Aber damit waren Diepenbroeks Sorgen nicht vorbei. Da gab es auch noch das Honorar des Zeichners. Eine einzige Seite würde die Botschaft 600 Euro kosten, und das Heft sollte symbolisch 48 Seiten zählen, in Anlehnung an das Gründungsjahr des modernen Staates Israel. Das war nicht im Etat der Botschaft vorgesehen, folglich musste ein Sponsor her.

Hauptheld ist der israelische Archäologe David Horowitz.

»Wir fanden die niederländische Firma Sharement, eigentlich aktiv im Bereich der Unternehmensdienstleistungen. Sie war bereit, die Kosten zu übernehmen. Der Inhaber ist selbst Comic-Fan und macht viele Geschäfte in Israel. Ihm gefiel die Idee einer Bildgeschichte über die Gründung des Landes, und er zückte das Portemonnaie.«

Plot Als all das geklärt war, mussten Diepenbroek und Oreel alle Hebel in Bewegung setzen, um das Heft rechtzeitig zum Jubiläum fertig zu bekommen.

Der Botschaftssprecher hatte sich die Rahmengeschichte ausgedacht: David Horowitz, ein pensionierter israelischer Archäologe, der aufgrund seiner beruflichen Tätigkeit viel Wissenswertes über die alte und jüngere Geschichte Israels zu erzählen weiß, würde in seinem Geländewagen eine kleine Gruppe niederländischer Schüler durchs Land fahren. »Es kam mir entgegen, dass ich selbst Fremdenführer in Israel gewesen bin«, erklärt Diepenbroek.

Alle Zeichnungen mussten dem Botschafter vorgelegt werden, auch die Texte in den Sprechblasen, die noch nicht gedruckt und nur in Word-Dateien vorhanden waren. Der Diplomat sah sich alles zu Hause in Ruhe an und recherchierte Daten und Jahreszahlen, denn es sollte ein richtiger Doku-Comic werden. Der Illustrator hatte sich Hunderte Originalfotos angesehen und viele davon ganz oder teilweise abgezeichnet.

Der Comic enthält auch einige Seiten über seine Entstehungsgeschichte sowie eine Zeitleiste, die 1875 mit der Gründung Rosch Pinas beginnt, der ersten jüdischen Agrarsiedlung Israels, und heute endet mit der Feststellung, dass es inzwischen in Israel die größte jüdische Gemeinschaft der Welt gibt.

»Und so entstand etwas sehr Schönes«, sagt Diepenbroek. Offensichtlich so schön, dass die Zufalls­idee, die nur als einmaliger Gag gedacht war, inzwischen ihren Siegeszug durch die Welt angetreten hat.

Übersetzung In Israel wird momentan an einer russischen Fassung gearbeitet. Yelena und Yona Insulani, ein ukrainisch-niederländisches Übersetzerehepaar, hatten die Absicht, Tel Israel ins Russische zu übersetzen. Die in der Ukraine geborene Yelena möchte mit einer solchen Fassung vor allem Verwandte anspornen, auch nach Israel auszuwandern.

Zwischenzeitlich hatte Yelena beruflich zu viel zu tun, sodass sie eine Bekannte mit ins Boot holte, die aus Russland stammt: Daria Khodalev. Sie und ihre Mutter Olga helfen jetzt bei der Übersetzung. So arbeiten sie seit einigen Wochen zu viert an dem Projekt. Fehlt als Nächstes also nur noch die deutsche Fassung.

»Tel Israel. The Story of the Jewish State«. Sharement BV, 48 S., 9,95 €
www.telisrael.com

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