Belgien

Schächten nun fast überall verboten

Die Schlachtung von Tieren nach jüdischem Ritus ist in Flandern und Wallonien seit einigen Jahren verboten. Foto: dpa

Belgien

Schächten nun fast überall verboten

Juden und Muslime fühlen sich in Religionsfreiheit massiv beschränkt

 29.08.2019 15:08 Uhr

Externer Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel anreichert. Wir benötigen Ihre Zustimmung, bevor Sie Inhalte von Bottalk ansehen und mit diesen interagieren können.

Mit dem Betätigen der Schaltfläche erklären Sie sich damit einverstanden, dass Ihnen Inhalte aus Bottalk angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittanbieter übermittelt werden. Dazu ist ggf. die Speicherung von Cookies auf Ihrem Gerät nötig. Mehr Informationen finden Sie hier.

Im August feierten die Muslime in Belgien das Opferfest. Es ist Höhepunkt und Abschluss der jährlichen Pilgerfahrt nach Mekka und mit dem Fastenbrechen eines der wichtigsten Feste im Islam. Normalerweise werden dafür Tiere geschlachtet – nach dem von der Scharia vorgeschriebenen Ritus. Nicht so in Belgien.

Statt fast 6000 Tieren wie im Vorjahr wurden im Zuge des Opferfestes nur noch rund 2600 Tiere geschächtet. Denn seit Januar ist das Schlachten von Tieren ohne vorherige Betäubung in Flandern verboten. Trotzdem ist die Nachfrage nach wie vor groß; fehlendes Fleisch wurde aus Nachbarländern importiert.

JUDEN 2020 dürfte die Beschaffung noch schwieriger werden – denn ab 1. September wird Schlachten ohne Betäubung nun auch in Wallonien verboten. Damit ist es künftig nur noch in der Region Brüssel-Hauptstadt erlaubt – wo nur knapp jeder zehnte (1,2 Millionen) von rund 11,4 Millionen Belgiern lebt.

Das Schächten ist eine im Islam und Judentum vorgeschriebene rituelle Schlachtmethode, die den Verzehr von unblutigem Fleisch ermöglichen soll. Auf eine Betäubung wird verzichtet, so dass das Tier wegen des noch aktiven Kreislaufs vollständig ausbluten kann. Der Genuss von Blut ist Juden und Muslimen verboten.

Seit Jahren spaltet die rituelle Schlachtung Tierschützer und jene, die der Religionsfreiheit höheren Wert zuschreiben. Tierschutzorganisationen begrüßen das nun greifende Verbot in Belgien. Über Jahrzehnte setzte sich etwa der Präsident der Organisation GAIA, Michel Vandenbosch, für ein Schächtverbot ein. »In einer modernen säkularen Gesellschaft kann man nicht die Religion entscheiden lassen«, sagte Vandenbosch jüngst dem Onlinemagazin »Politico«.

Die Europäische Rabbinerkonferenz ist über das Verbot zutiefst empört.

EINSCHRÄNKUNG Juden und Muslime in Belgien fühlen sich durch das Verbot in ihrer Religionsfreiheit eingeschränkt. Das Schächtverbot in der Wallonie sowie entsprechende neue Vorstöße etwa in den deutschen Bundesländern Niedersachsen und Sachsen werfe für die jüdische Gemeinschaft die Frage auf, ob sie in Europa noch willkommen sei und ob das Recht auf Religionsfreiheit noch garantiert werden könne, sagte der Präsident der Europäischen Rabbinerkonferenz, Pinchas Goldschmidt, der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA).

Religionsfreiheit sei ein Menschenrecht. »Diese Werte unter dem Vorwand des Tierschutzes und einem winzigen Prozentsatz von betroffenen Tieren weiter auszuhöhlen, die Perversität der industriellen Massentierhaltung und -verarbeitung aber weiter zu dulden, ist scheinheilig und torpediert die kulturelle und religiöse Vielfalt Europas«, so Goldschmidt. Auch die muslimische Gemeinschaft von Belgien äußerte bereits mehrfach »Unzufriedenheit« über das Verbot. Das Tierwohl habe große Bedeutung im Islam, so der belgische Verband der Muslime EMB.

Ist das Schächtverbot mit der EU-Grundrechtecharta vereinbar, in der auch die Religionsfreiheit aufgeführt ist?

Der Koordinationsrat muslimischer Institutionen in Belgien (CIB) sieht in dem neuen Gesetz eine Verletzung der Religionsfreiheit. Er ging gerichtlich gegen das Verbot in Flandern vor. Nun fragte das belgische Verfassungsgericht beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) an: Ist das Schächtverbot mit der EU-Grundrechtecharta vereinbar, in der auch die Religionsfreiheit aufgeführt ist? Bis es Schlussfolgerungen oder gar ein Urteil gibt, dürfte es aber noch dauern.

In Deutschland war das Schächten lange weitgehend verboten. Nach dem Tierschutzgesetz dürfen warmblütige Tiere nicht ohne Betäubung getötet werden. Anfang 2002 erlaubte das Bundesverfassungsgericht rituelle Schlachtungen mit Blick auf die Religionsfreiheit unter Auflagen.

So dürfen nur sachkundige Personen in zugelassenen und registrierten Schlachtbetrieben schächten. Das zuständige Veterinäramt muss dies überwachen. Auch in anderen europäischen Ländern ist das Schächten verboten, so in Polen, Dänemark, Norwegen, der Schweiz, Island und Liechtenstein.  kna

Ukraine

Jude, Comedian, Freiheitskämpfer

Selten ist ein Staatsmann so sehr in seinem Amt gewachsen wie Wolodymyr Selenskyj. Die erstaunliche Karriere des ukrainischen Präsidenten

von Michael Gold  21.08.2025

Meinung

Für Juden in Frankreich ist das Spiel aus

Präsident Emmanuel Macrons antiisraelische Politik macht ihn zum Verbündeten der Islamisten und deren linken Mitläufern. Für Juden wird das Leben währenddessen immer unerträglicher

von Haïm Musicant  20.08.2025

Österreich

Jüdische Familie aus Taxi geworfen

In Wien beschimpfte ein Uber-Fahrer seine jüdischen Gäste und attackierte dann den Familienvater

von Nicole Dreyfus  19.08.2025

Tschechien

Im Versteck der Zeit

Auf einem Hügel über Brünn liegt die Villa Wittal, fast unberührt seit der Deportation ihrer Bewohner 1942. Bald wird sie ein Ort für Gäste aus aller Welt – und das Herz eines Festivals, das Geschichte und Gegenwart verbindet

von Kilian Kirchgeßner  19.08.2025

Schweiz

Ein Mandat, das für Irritationen sorgt

Der World Jewish Congress fordert von der UBS mehrere Milliarden Dollar Entschädigung und holt dafür Urs Rohner, Ex-Verwaltungsratspräsident der früheren Credit Suisse, ins Boot

 19.08.2025

Österreich

Auge in Auge mit Antizionisten

Wie spricht man mit Menschen, die Israel hassen? Und was, wenn sie Juden sind? Ein Selbstversuch in Wien

von Gunda Trepp  18.08.2025

Berlin

Sam Altman: Ehrung von Axel Springer SE

Der amerikanische Jude gilt als Vordenker auf dem Feld der KI und als Architekt einer neuen technologischen Ära

 18.08.2025

Meinung

Soll die Schweiz Palästina anerkennen?

Eine Anerkennung von Palästina wäre für die Schweiz ein außenpolitischer Kurswechsel, von dem niemand profitiert

von Nicole Dreyfus  17.08.2025

USA

»Don’t dream it, be it!«

Auch die »Rocky Horror Picture Show« hat jüdische Seiten. Und dabei geht es nicht nur um Bagels. Mazal tov zum Fünfzigsten!

von Sophie Albers Ben Chamo  17.08.2025