Präsident 3.0

Russland nach der Wahl

Präsidenten als Matrjoschka Foto: Reuters

Über den Köpfen kreisen Hubschrauber, in der Ferne warten gepanzerte Wagen, Polizisten säumen den Weg. 12.000 sind es, werden die Behörden später mitteilen. Russland hat seinen Präsidenten gewählt – und die Staatsmacht verbarrikadiert sich vor seinen Bürgern.

Dabei ist die Wahl für den neuen, alten Mann im Kreml eine erfolgreiche: Knapp 64 Prozent aller Stimmen fährt Wladimir Putin ein, in einem »offenen und fairen Kampf«, wie er am Wahlabend vor 100.000 Anhängern in Moskau sagt. Wahlbeobachter, russische wie internationale, sprechen allerdings von »ernsthaften Problemen« bei der Abstimmung. Die Ergebnisse zeigen, wie gespalten das Land ist. Auch die jüdische Gemeinde in Moskau ist unterschiedlicher Meinung. Offiziell registrierte Organisationen halten sich zurück mit Jubel – und vor allem mit Kritik.

Trennung Im Staatsfernsehen spricht der designierte Präsident stets von »Stabilität«. Es ist eines von Putins Lieblingswörtern. Auf stabile Verhältnisse setzt auch Berl Lasar. Für den Oberrabbiner der Chabad-Organisation Föderation der jüdischen Gemeinden Russlands (FEOR) war Putin bereits vor der Wahl »der neue Präsident«.

Ist Putin der große Hoffnungsträger? Michail Sawin vom Russischen Jüdischen Kongress (REK) bezweifelt das. »Jeder hat seine eigenen Sympathien, aus der Politik halten wir uns ohnehin raus«, sagt der REK-Sprecher. Der Dachorganisation gehe es lediglich um eines: Russland solle seinen Charakter als Vielvölkerstaat wahren, in dem eine klare Trennung zwischen Staat und Religion herrscht, und hart gegen Rassismus und Antisemitismus vorgehen. »Zudem soll Russland die Kontakte zu Israel ausbauen«, so Sawin.

Der »Kongress der jüdischen religiösen Organisationen und Vereinigungen Russlands« (Keroor) wie auch die »Moskauer jüdische Religionsgemeinschaft« (Mero) wollen den Ausgang der Wahl gar nicht erst kommentieren. Dafür tun es jüdische Prominente umso mehr, wobei ihre religiöse Zugehörigkeit dabei keine Rolle spielt. Viele von ihnen setzen auf Protest.

»Nun werden wir der Macht ständig auf die Füße treten, und sie wird zurückweichen und sich rechtfertigen«, sagt Grigori Tschchartischwili. Der 55-Jährige, der in Russland unter dem Pseudonym Boris Akunin den Status eines Bestsellerautors genießt, war eigentlich gerade in Frankreich, um sein neues Buch zu schreiben. Die Dezember-Demonstrationen in Moskau wollte er aber nicht verpassen und mischt seitdem in den Organisationskomitees mit, gegen Putin. »Die Angst vor der Macht haben wir verloren, das System wird zusammenbrechen, schon bald«, sagt Masha Gessen, eine Journalistin, die in Moskau und New York lebt.

Die Furcht aber, sie hält sich dennoch wacker, in all der Drohkulisse, die der Staatsapparat mit dem Zusammenrücken der Militärs, mit Hubschraubern und Zehntausenden von Polizisten derzeit aufbaut.

Die in Genf geborene Schweizer Schriftstellerin und Philosophin Jeanne Hersch aufgenommen im März 1999

Philosophie

Der Moment des Staunens

Am 13. Juli jährt sich der Geburtstag von Jeanne Hersch zum 115. Mal. Lange wurde die Existentialistin ausgerechnet von der akademischen Forschung marginalisiert – und kaum als jüdische Philosophin wahrgenommen

von Richard Blättel  11.07.2025

Spanien

»Haut ab, ihr Hurensöhne« - Wirt vertreibt Israelis

Ein Gastwirt rastet gegenüber einer Gruppe israelischer Touristen aus, beschimpft sie und verweist sie des Lokals

von Michael Thaidigsmann  11.07.2025

Nachruf

Er bleibt eine Inspiration für uns alle

Der langjährige Zürcher Gemeinderabbiner Marcel Ebel ist verstorben. Eine Würdigung von seinem Nachfolger

von Rabbiner Noam Hertig  10.07.2025

Australien

Judenhass in Down Under

Mit unerwarteter Brutalität und Hemmungslosigkeit breitet sich der Antisemitismus im Land aus. Doch die jüdische Gemeinschaft gibt nicht auf

von Amie Liebowitz  10.07.2025

Großbritannien

BeTe’avon!

Das Jewish Museum London bittet britische Juden um Rezepte fürs Schabbatessen. Auf der Suche nach dem, was schmeckt

von Sophie Albers Ben Chamo  10.07.2025

USA

Die US-Regierung, Trump und der Fall Jeffrey Epstein

Trump wollte die Akten zum Sexualstraftäter Epstein veröffentlichen, seine Mitarbeiter verbreiteten Verschwörungstheorien. Nun wollen sie davon nichts mehr wissen - das macht einige Trump-Fans wütend

von Benno Schwinghammer  09.07.2025

Spanien

Mallorca hat einen neuen Rabbiner

Rund 1000 Juden leben auf der bei deutschen Touristen beliebten Baleareninsel

 09.07.2025

Österreich

»Geschichte wurde schon immer politisiert«

Die US-Historikerin Sarah Abrevaya Stein über Gier, Künstliche Intelligenz und den Baron-Wissenschaftspreis

von Stefan Schocher  09.07.2025

Iran

Esthers Kinder

Wie die älteste Diaspora-Gemeinschaft 2700 Jahre überlebte – und heute erneut um ihre Existenz kämpft

von Stephen Tree  09.07.2025