Brasilien

Rio im Rückblick

Gemeinsam auf dem Siegertreppchen: Alija Mustafina, Simone Biles und Aly Raisman (v.l.) Foto: imago

Judoka Yarden Gerbi holt die erste Medaille für Israel, springt auf die Tribüne mit den vielen Fans aus ihrer Heimat, wird umarmt, geküsst, Selfies ohne Ende – die jüdischen Gemeinden weltweit sind aus dem Häuschen. Und erst in Rio! In den jüdischen Willkommenszentren der brasilianischen Megametropole tanzen die Leute. Mehrere Zehntausend angereiste Juden – aus den USA, Europa oder Südafrika – feiern das Ereignis bis tief in die Nacht.

Medaillen Ab jetzt konnte es nur noch besser werden – zumal auch jüdische Sportler aus anderen Ländern Medaillen holten. Anthony Ervin aus Los Angeles ist mit 35 Jahren gar der älteste Schwimmer, der in der Olympia-Geschichte eine Goldmedaille gewinnt. Auch US-Gold-Schwimmerin Katie Ledecky hat jüdische Wurzeln. Sie selbst ist zwar katholisch, aber von ihrer jüdischen Großmutter heißt es, sie sei eine sehr inspirierende Person gewesen.

Reichlich berührende Momente gab es bei diesen Olympischen Spielen, die sich vielen eingeprägt haben: Eine Christin – Simone Biles (USA) –, eine Jüdin – Aly Raisman (USA) – und eine Muslima – Alija Mustafina (Russland) – stehen bei den Gymnastikwettkämpfen zusammen auf dem Siegertreppchen. Und da ist eine NGO, die israelische und palästinensische Kinder für ein gemeinsames Fußballmatch nach Brasilien holt. Vergnügt spielen die Jungen auf dem Rasen und nehmen hoffentlich viel von dem olympischen Geist mit nach Hause. Doch eben daran mangelt es auch bei diesen Spielen.

Dies zeigt sich unter anderem, als der ägyptische Judoka Islam El Shehaby seinem israelischen Gegner Or Sasson nach der Niederlage die Hand verweigert. Fälle wie diese, in denen jüdische Athleten in Rio diskriminiert werden, bringen Brasiliens Außenminister José Serra auf die Palme: »Erbärmlich« und »unwürdig« nennt er dies. »Aber das reicht nicht als Antwort«, kontern Juden und Nichtjuden an der Copacabana: Brasilien habe ein Antidiskriminierungsgesetz – das müsse angewendet werden.

Auch der Sprecher des Internationalen Olympischen Komitees, Mark Adams, äußert sich zu den Vorfällen: »Inakzeptabel, unentschuldbar« seien sie, »antisemitische Kommentare während der Spiele werden nicht akzeptiert«.

Antisemitismus Spürbare Ablehnung jüdischer Sportler und Fans von arabischer Seite gab es bereits am ersten Tag, als die libanesische Delegation israelischen Athleten den Zutritt zu einem Bus zur Eröffnungszeremonie verweigerte. Einige Tage später entdecken jüdische Angestellte im Radrennstadion eine Hakenkreuz-Schmiererei.

Unter diesen Umständen berührte es besonders, dass – auch durch Intervention dreier Juden an der Spitze des brasilianischen Organisationskomitees – erstmals bei Spielen im Olympischen Dorf eine Gedenkstätte für die 1972 beim Attentat von München ermordeten israelischen Sportler eingeweiht wurde.

Gemeinde Von selbst versteht sich, dass Rios Juden den Schabbat gemeinsam mit der israelischen Olympiamannschaft sowie mit jüdischen Sportlern und Fans aus aller Welt begingen. In der Gemeinde stießen die Athleten auf ein fachkundiges Publikum. So wurde Windsurferin Maayan Davidovich von den jungen Leuten besonders gefeiert – denn Surfen gehört am Zuckerhut zu den beliebtesten Freizeitbeschäftigungen.

Die Gemeinde freut sich, dass sie die israelischen Athleten unterstützen konnte. »Die halbe Delegation hat vor den Spielen bei uns trainiert«, sagt Avi Gelberg stolz. Er ist Chef von Maccabi Brazil, dem weltweit größten jüdischen Sportverein.

Was aber wird bleiben von Olympia Rio 2016? Carlos Arthur Nuzman, Präsident des Olympischen Komitees von Brasilien, bilanziert knapp: »Nie hatten Olympische Spiele mit so vielen Schwierigkeiten zu kämpfen«. Was man von diesen Spielen in Erinnerung behalten wird, sind eben auch die vielen Überfälle auf Olympiateilnehmer und -besucher, die grauenhaften Zustände in Rios Krankenhäusern, brutal unterdrückte Anti-Olympia-Proteste – und immer wieder fast leere Zuschauertribünen.

Großbritannien

Aufsicht rügt BBC wegen »schwerwiegender Irreführung«

Eine BBC-Doku aus Gaza drehte sich um den 13-jährigen Sohn eines hochrangigen Hamas-Funktionärs. Doch davon erfuhren die Zuschauer nichts. Jetzt beschloss die Ofcom Sanktionen gegen den Sender

 17.10.2025

Meinung

Das moralische Versagen der Linken

Wenn Antisemitismus offen auf der Straße marschiert, dann hört man aus den linken Reihen: nichts.

von Nicole Dreyfus  17.10.2025

USA

Auf der Suche nach dem »Jewish Glam«

Wie jüdische Fotografinnen und Fotografen Hollywood zu seinem berühmten Glamour verhalfen

von Ute Cohen  17.10.2025

Stockholm

Wirtschaftsnobelpreis geht auch an jüdischen Ökonom

Joel Mokyr, Philippe Aghion und Peter Howitt werden für ihre Forschung zu nachhaltigem Wachstum geehrt

 13.10.2025

Kommentar

Kein Wunder in Bern

Bei gewaltbereiten Demonstrationen in der Schweizer Bundeshauptstadt hat sich ein Teil der Palästina-Solidarität einmal mehr selbst entlarvt: Es ging nie darum, das Leid im Gazastreifen zu beenden oder einen angeblichen Genozid zu stoppen

von Nicole Dreyfus  12.10.2025

Malibu

Kiss-Sänger Gene Simmons bei Unfall verletzt

Der 76-Jährige soll hinter dem Steuer das Bewusstsein verloren haben

 10.10.2025

Meinung

Außen hui, innen pfui: Trumps Umgang mit den Juden

Während sich der US-Präsident um die Juden in Israel verdient macht, leidet die jüdische Gemeinschaft im eigenen Land unter seiner autoritären Innenpolitik. Das sollte bei aller Euphorie über den Gaza-Deal nicht vergessen werden

von Joshua Schultheis  09.10.2025

Literatur

Nobelpreis für Literatur geht an László Krasznahorkai

Die Literaturwelt blickt erneut gebannt nach Stockholm. Dort entscheidet man sich diesmal für einen großen Schriftsteller aus Ungarn - und bleibt einem Muster der vergangenen Jahre treu

von Steffen Trumpf  09.10.2025

Italien

»Mein Sohn will nicht mehr Levy heißen«

Wie ist es in diesen Tagen, Jude in einer europäischen Metropole zu sein? Ein Besuch bei Künstler Gabriele Levy im jüdischen Viertel von Rom

von Nina Schmedding  06.10.2025