Viktor Orbán wirkte angesichts seines Wahlsiegs selbst etwas überrascht. »Wir haben einen Sieg errungen, der so groß ist, dass man ihn vom Mond aus sehen kann, und man kann ihn sicherlich auch von Brüssel aus sehen«, sagte der ungarische Ministerpräsident vor seinen Anhängern am Sonntagabend.
Nach Auszählung von mehr als drei Viertel der bei der Parlamentswahl abgegebenen Stimmen erreichte Orbáns Fidesz-Partei erneut die absolute Mehrheit – und konnte im Vergleich zur Wahl 2018 sogar deutlich zulegen. Es erscheint wegen des ungarischen Wahlsystems sogar möglich, dass der Fidesz eine Zweidrittelmehrheit der Sitze bekommen wird und damit die ungarische Verfassung nach Belieben ändern kann.
SOROS Das Oppositionsbündnis »Vereint für Ungarn«, in dem sich rechte und linke Parteien gegen Orbán zusammengeschlossen hatten, kam dagegen nur auf rund 35 Prozent der abgegebenen Stimmen. Orbáns Herausforderer Peter Marki-Zay gestand die Niederlage seines Bündnisses ein. »Unter ungleichen Bedingungen, mit zusammengebundenen Beinen, mit einer Lanze im Rücken sind wir in diesen Kampf gegangen”, sagte er. »Doch wir haben nicht gewonnen.«
Der seit 2010 amtierende Regierungschef wird damit voraussichtlich bis mindestens 2026 im Amt bleiben können. Orbán regiert Ungarn war zudem bereits zwischen 1998 und 2002 ungarischer Ministerpräsident. Vor seinen Anhängern sagte Orbán, der Wahlsieg sei gegen »mächtige ausländische Machtzentren« erkämpft worden. In Anspielung auf den ungarisch-jüdischen Philanthropen George Soros sagte er, dessen Unterstützung für die ungarische Linke sei wohl die schlechteste Investition seines gesamten Lebens gewesen.
»Dieser Sieg wird uns für den Rest unseres Lebens in Erinnerung bleiben, weil sich so viele Menschen gegen uns verbündet haben, darunter die Linke hier bei uns, die internationale Linke, die Bürokraten in Brüssel, das Soros-Imperium mit seinem ganzen Geld, die ausländischen Medien und am Ende sogar der ukrainische Präsident«, so Orbán.
KONFLIKTE Wolodymyr Selenskyj hatte sich in einer Videobotschaft während einer Sitzung des Europäischen Rates vorvergangene Woche direkt an Orbán gewandt und ihn aufgefordert, seine prorussische Politik aufzugeben. Orbán möge angesichts der Vorgänge in der Ukraine mal zum Holocaust-Denkmal an der Donau gehen. »Hör zu, Viktor, weißt du, was in Mariupol los ist? Bitte, wenn du kannst, geh an dein Ufer«, sagte Selenskyj.
In der Außenpolitik könnte Orbáns Wahlsieg vor allem verschärfte Konfrontationen mit der EU bedeuten. Wegen Verstößen gegen die Rechtsstaatlichkeit arbeiten die Brüsseler Institutionen daran, dem Land die EU-Fördermittel zu kürzen oder zu entziehen. Es besteht der Verdacht, dass ein Teil der EU-Gelder in korrupte Kanäle fließt und damit zur Stabilisierung des »Systems Orban« beiträgt.
TRIUMPHALISMUS Zugleich galt der Fidesz-Chef in den vergangenen Jahren als enger Verbündeter des russischen Präsidenten Wladimir Putin. Zwar trug der Ungar die EU-Beschlüsse zur Verurteilung Russlands und zur Bewaffnung der Ukraine mit. Bislang vermied Orbán es aber, Putin offen als Aggressor zu benennen. Damit steht er in EU und Nato isoliert da. Sein Wahltriumph mag ihm vorerst Genugtuung verschaffen. Wie weit diese ihn auf der internationalen Bühne tragen wird, erscheint jedoch ungewiss.
»Sein Triumphalismus wirft einen ominösen Schatten voraus«, meinte der Politologe András Bíró-Nagy in der Wahlsendung des Internet-Kanals Partizan. »Wir werden eine Fidesz-Politik sehen, die voll unter Testosteron steht.« mth/dpa