Usbekistan

Neue Quellen in Taschkent

Blick auf die usbekische Hauptstadt Taschkent Foto: Getty Images/iStockphoto

Wer über die Geschichte der jüdischen Gemeinde in Usbekistan recherchieren will, dem steht künftig eine neue Quellensammlung zur Verfügung: Die Regierung des zentralasiatischen Landes hat angekündigt, eine bis dato für die Öffentlichkeit nicht zugängliche Sammlung zur jüdischen Emigration in der Zeit des Zweiten Weltkriegs im Nationalarchiv zu öffnen.

Die Sammlung umfasst rund 150.000 Dokumente, die beleuchten, wie Tausende jüdische Flüchtlinge vor allem aus anderen Teilen der Sowjetunion nach dem Einmarsch der Deutschen Wehrmacht 1941 in der damaligen sowjetischen Teilrepublik Usbekistan Zuflucht fanden – und das Land in der Folge zu einem wichtigen jüdischen Zentrum in der Region machten.

Kooperation Möglich geworden ist die Öffnung der Dokumentensammlung durch eine Kooperation zwischen dem usbekischen Nationalarchiv in Taschkent und dem israelischen Zentralarchiv in Jerusalem.

Die Vereinbarung zwischen den beiden Institutionen sieht auch eine gemeinsame historische Forschungsarbeit zur jüdischen Geschichte Usbekistans vor. In diese werden auch die Jerusalemer Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem und das United States Holocaust Memorial Museum in Washington eingebunden. Auf dessen Website können Interessierte schon jetzt 150.000 Einträge zu jüdischen Flüchtlingen einsehen, die während des Zweiten Weltkriegs nach Usbekistan kamen.

»Das Abkommen mit Usbekistan wurde durch die Öffnungspolitik des Landes und dank der Bemühungen der neuen usbekischen Botschafterin in Israel ermöglicht«, sagt Yochai Ben-Gedaliah, der Direktor des Jerusalemer Zentralarchivs.

Möglich wurde die Öffnung der Dokumentensammlung durch eine Kooperation zwischen dem usbekischen Nationalarchiv in Taschkent und dem israelischen Zentralarchiv in Jerusalem.

Auch der Chef des staatlichen Archivs »Uzarchive« in Taschkent, Ulugbek Yusupov, freut sich über die gemeinsame Initiative. »Jetzt, da der Zugang zu Informationen aus den Jahren 1941 bis 1945 zugänglich ist, können Experten aus Usbekistan und Israel gemeinsame Forschungsprojekte angehen«, sagt Yusupov.

Der israelische Historiker Zeev Levin, der sich auf die Geschichte der jüdischen Gemeinden in Zentralasien im 19. und 20. Jahrhundert spezialisiert hat, begrüßt die Öffnung ebenfalls. »Wie bei anderen Sammlungen im usbekischen Zentralarchiv wird auch diese Sammlung wichtige Daten über die jüdische Gemeinde bereithalten«, sagt Zeev, der derzeit ein Forschungsprojekt zu Waisenkindern in Usbekistan ab dem Jahr 1941 durchführt und für seine Arbeit schon häufig im Nationalarchiv in Taschkent recherchiert hat.

»Ich freue mich auf jeden Fall auf die Arbeit mit dem neu geöffneten Bestand, auch wenn ich mir nicht sicher bin, inwieweit die dortigen Akten Neues zu dem beitragen können, was wir bereits wissen«, sagt der Research Fellow am International Institute for Holocaust Research in Jerusalem.

Buchara Eine jüdische Präsenz ist im heutigen mehrheitlich islamischen Usbekistan bereits seit dem sechsten Jahrhundert v.d.Z. belegt. Damals kamen Juden, die aus der babylonischen Gefangenschaft freigelassen worden waren, in die Wirtschaftszentren Samarkand und Buchara. Vor allem in Buchara etablierte sich in der Folge jüdisches Leben. Die Nachfahren dieser historischen jüdischen Gemeinde werden Bucharen genannt. Über Jahrhunderte hinweg gedieh die Gemeinde mit einer eigenen sefardisch-orientalischen Tradition in Musik und eigenem Dialekt.

Den größten Zuwachs bekam die jüdische Gemeinde in Usbekistan im Zweiten Weltkrieg. Schätzungen zufolge suchten damals rund 20.000 Juden aus den von Deutschland besetzten Sowjetrepubliken Russland, Belarus und der Ukraine im unbesetzten Usbekistan Schutz. Viele blieben nach Ende des Krieges im Land.

Nach einer ersten großen Auswanderungswelle Anfang der 70er-Jahre nach Israel und in die USA lebten nach dem Fall des Eisernen Vorhangs 1989 noch knapp 95.000 Juden in Usbekistan. Für das Jahr 2007 gibt der Zensus noch 5000 Mitglieder jüdischer Gemeinden für das Land an.

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