Australien

Neuanfang in Down Under

Beliebt bei Migranten: Sydney Foto: Thinkstock

Australien, der fünfte Kontinent mit seinen beiden multikulturellen Metropolen Sidney und Melbourne, zieht seit dem 19. Jahrhundert Einwanderer magisch an. Die beiden Millionenstädte bilden auch für die meisten der rund 100.000 Juden in Down Under den Lebensmittelpunkt. Nicht wenige Juden in Australien sind Flüchtlinge aus Europa, die die Schoa überlebt haben. In der neuen Heimat gelang ihnen eine rasche Integration, während sie ihre beruflichen und intellektuellen Fähigkeiten zur Entwicklung des Landes einsetzten. Eine Erfolgsgeschichte par excellence?

Antisemitismus Nicht ganz, denn die Australier waren lange Zeit von jüdischer Zuwanderung wenig angetan und sträubten sich dagegen – zumindest indirekt. Obwohl sich Juden bereits unter den ersten europäischen Siedlern befanden, hatte Antisemitismus in Down Under seit Langem eine gewisse Tradition. Der Nürnberger Historiker Jim G. Tobias spart diesen Aspekt in seiner jüngsten Untersuchung Neue Heimat Down Under nicht aus.

Er beschreibt packend die Auswanderung von mehr als 17.000 Schoa-Überlebenden, die zwischen 1946 und 1954 aus Deutschland nach Australien kamen. Tobias rekonstruiert, wie sich die australische Politik in jener Zeit zwar aktiv um Zuwanderung bemühte, gleichzeitig aber ethnisch-kulturelle Prioritäten setzte und gegen eine zum Teil fremdenfeindlich eingestellte Bevölkerung ankämpfen musste. Das Land konnte sich deshalb nur langsam öffnen – und noch langsamer für jüdische Überlebende.

Einen traurigen Rückschlag erfuhr beispielsweise das von dem polnisch-jüdischen Literaten Melech Rawitsch und dem einstigen russischen Revolutionär Isaac N. Steinberg favorisierte Projekt einer Ansiedlung Zehntausender osteuropäischer Juden auf dem unbewohnten westaustralischen Kimberley-Plateau. Jahrelang konzipierte, diskutierte und verhandelte man – doch 1944 lehnten Australiens Regierung und örtliche jüdischen Organisationen verängstigt ab.

Quote Nach 1945 öffnete sich Australien dann den Programmen der International Refugee Organisation (IRO) und damit auch der Aufnahme von europäischen Kriegsflüchtlingen in größerem Umfang. Einwanderungsminister Arthur Calwell versprach schon im Sommer 1945, vor allem die Einreise überlebender Juden aus den Vernichtungs- und Konzentrationslagern Dachau, Buchenwald, Bergen-Belsen und Auschwitz zu fördern. Doch die australischen Behörden beschränkten die Einreise jüdischer Passagiere schließlich auf 25 Prozent pro Migrantenschiff. Diese Regelung wurde erst Ende der 40er-Jahre gelockert.

Jim G. Tobias beschreibt kurz, prägnant und einfühlsam anhand von Einzelschicksalen und Kurzbiografien, wie vor allem deutschen und osteuropäischen Juden die Auswanderung nach Down Under gelang und sie im Land ihrer Wünsche mit Energie und Enthusiasmus ein neues Leben aufbauten.

Die vom Autor im Jahr 2009 interviewte die aus Polen stammende Jüdin Lena Midler – seit der Emigration 1949 heißt sie Lena Goldstein – bringt es auf den Punkt: »Damals verliebten wir uns in Australien, und unsere Liebesaffäre besteht noch immer, bis heute.« Tobias’ spannend geschriebene Untersuchung basiert auf der Auswertung bisheriger Forschungen und auf eigenen Archivrecherchen in New York, Canberra und Sidney. Doch sie lebt besonders von sieben Interviews mit Zeitzeugen, die dem Buch als DVD beiliegen.

Jim G. Tobias: »Neue Heimat Down Under. Die Migration jüdischer Displaced Persons nach Australien«. Antogo, Nürnberg 2014, 120 S. mit DVD, 21,90 €

Medienbericht

Katar soll mutmaßliches Missbrauchsopfer von Karim Khan ausspioniert haben

Das Emirat scheint sich in den Skandal um den Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs eingemischt zu haben, wie Recherchen nun zeigen

 07.11.2025

Kommentar

In Zohran Mamdanis New York werden Juden geduldet, nicht akzeptiert

»Liberale Zionisten« müssen in der Regierung des neuen Bürgermeisters keinen »Lackmustest« fürchten. Was beruhigend klingen soll, zeigt, wie stark der Antisemitismus geworden ist - nicht zuletzt dank Mamdani

von Gunda Trepp  07.11.2025 Aktualisiert

Hurrikan Melissa

»Ich habe seit einer Woche nicht geschlafen«

Wie ein Rabbiner vom Wirbelsturm in Jamaika überrascht wurde – und nun selbst Betroffenen auf der Insel hilft

von Mascha Malburg  06.11.2025

Kommentar

Wo Israel antritt, rollt der Ball ins moralische Abseits

Israelische Spieler und Fußballfans werden schon lange dafür diskriminiert, dass sie von anderen gehasst werden.

von Louis Lewitan  06.11.2025

Kommentar

Warum Zürichs Entscheid gegen die Aufnahme von Kindern aus Gaza richtig ist

Der Beschluss ist nicht Ausdruck mangelnder Menschlichkeit, sondern das Ergebnis einer wohl überlegten Abwägung zwischen Sicherheit, Wirksamkeit und Verantwortung

von Nicole Dreyfus  06.11.2025

New York

ADL will Mamdani unter Beobachtung stellen

Die Anti-Defamation League erwartet vom neugewählten New York Bürgermeister nichts Gutes. Jetzt hat die jüdische Organisation angekündigt, man werde genau hinschauen

 05.11.2025

Amsterdam

Wegen IDF-Kantor: Concertgebouw sagt Chanukka-Konzert ab

Die renommierte Musikhalle hat wegen des geplanten Auftritts von IDF-Chefkantor Shai Abramson das alljährliche Konzert abgesagt. Die jüdische Gemeinschaft ist empört und will gegen den Entscheid klagen

von Michael Thaidigsmann  05.11.2025 Aktualisiert

Essay

Mamdanis demokratische Steigbügelhalter

Führende Politiker der Demokraten haben aus Opportunismus die Wahl des Israel-Hassers Zohran Mamdani zum New Yorker Bürgermeister ermöglicht - und so in Kauf genommen, dass aus Worten gegen Israel wieder Gewalt gegen Juden werden könnte

von Menachem Z. Rosensaft  05.11.2025

Vatikan

Theologe: Antisemitismus bei Vatikan-Konferenz kein Einzelfall

Der Salzburger Theologe Hoff berichtet über Eklats bei einer jüngsten Vatikan-Konferenz. Ein Schweizergardist soll sich verächtlich über Mitglieder einer jüdischen Delegation geäußert und in ihre Richtung gespuckt haben

 04.11.2025