Ukraine

Nationalhelden und Nazi-Kollaborateure

Bei einem russischen Drohnenangriff wurde das Roman-Schuchewytsch-Museum zerstört. Der Wiederaufbau steht außer Frage. Foto: picture alliance / abaca

Am 1. Januar meldete der Bürgermeister der ukrainischen Stadt Lwiw, Andrij Sadowyj, die Zerstörung des Roman-Schuchewytsch-Museums: Die Russen hätten es mit einer iranischen Shahed-Drohne angegriffen. Auch die Nationale Landwirtschaftliche Universität sei ein Ziel des Angriffs gewesen – eine Hochschule, an der Stepan Bandera in den späten 1920er-Jahren studierte. Die russische Aktion fand wohl absichtlich am 1. Januar, Banderas Geburtstag, statt.

Der 1909 geborene Anführer der rechtsradikalen »Organisation Ukrainischer Nationalisten« (OUN) und Schuchewytsch, Befehlshaber der im Zweiten Weltkrieg gegründeten »Ukrainischen Aufstandsarmee« (UPA), gelten in Russland als »ukrainische Nazis«.

Für Bürgermeister Sadowyj und viele andere Ukrainer sind sie Nationalhelden, die ihr Leben im Kampf für die Unabhängigkeit der Ukraine verloren haben. Im Westen stößt die in der Ukraine – vor allem im westlichen Teil des Landes – verbreitete Glorifizierung der UPA und OUN immer wieder auf Kritik. Schließlich waren Bandera wie auch Schuchewytsch nicht nur rechtsradikale Antisemiten und Russen- und Polen-Hasser, sondern auch NS-Kollaborateure, die an verschiedenen Verbrechen mitgewirkt haben. In der Ukraine spielt diese Tatsache heute kaum eine Rolle. Im Gegenteil, dort werden Bandera und Schuchewytsch als erbitterte Gegner Russlands gewürdigt.

Schuchewytsch führte ethnische Säuberungen durch

Im Gegensatz zu Bandera ist Schuchewytsch in Europa deutlich weniger bekannt. Als OUN-Mitglied wirkte er während der Zwischenkriegszeit am gewaltsamen antipolnischen Widerstand in der Westukraine mit. Im Zweiten Weltkrieg stand er zunächst an der Spitze des vom deutschen Militärgeheimdienst zusammengestellten deutsch-ukrainischen Bataillons »Nachtigall«, das sich am Judenmord und an der Partisanenbekämpfung in Belarus beteiligte. Als UPA-Befehlshaber kämpfte er gegen die Rote Armee, führte ethnische Säuberungen durch und war bis zu seinem Tod 1950 die zentrale Figur der antisowjetischen Partisanenbewegung in der Ukraine.

Als Sinnbild des antisowjetischen Widerstandes und Opfer der sowjetischen Staatssicherheit ist Schuchewytsch in Zeiten des aktuellen Krieges gegen Russland gefragt wie nie. In manchen Städten stehen inzwischen Schuchewytsch-Denkmäler, Straßen sind nach ihm benannt. Der Wiederaufbau des zerstörten Lwiwer Museums steht außer Frage. Eine kritische Diskussion bleibt aus. Vor dem russischen Überfall haben Bandera und Schuchewytsch die ukrainische Gesellschaft noch polarisiert. Nun scheinen sie in der Ukraine weitgehend akzeptiert zu sein. Wegen Russland.

Spanien

Francos Erbe

Das Land, das den Sefardim einst ihren Namen gab, verlangt seinen Juden heute einiges ab

von Valentin Suckut  03.11.2025

»Nobody Wants This«

Alle wollen Esther

Einer der Gründe, die Netflix-Serie zu sehen, ist Jackie Tohn. Die Schauspielerin mit dem Blick, der Stahl schmelzen kann, tanzt gern auf vielen Hochzeiten

von Sarah Thalia Pines  03.11.2025

Slowakei

Neues Leuchten in Trenčín

Eine restaurierte Synagoge wird zum Herzstück der Kulturhauptstadt 2026 – und zum Zeichen jüdischer Erneuerung

von Kilian Kirchgeßner  03.11.2025

Amsterdam

Wegen IDF-Kantor: Concertgebouw sagt Chanukka-Konzert ab

Die renommierte Musikhalle hat wegen des geplanten Auftritts von IDF-Chefkantor Shai Abramson das alljährliche Konzert abgesagt. Die jüdische Gemeinschaft ist empört und will gegen den Entscheid klagen

von Michael Thaidigsmann  03.11.2025

USA

Unsicher in New York

Zohran Mamdani ist der mögliche nächste Bürgermeister der Metropole – und für viele Juden ein Problem

von Mark Feldon  30.10.2025

Judenhass

»Ich werde Selbstmordattentäter diese Nacht«: Mann plante Messerangriff auf Juden

Der arabischstämmige Mann wurde im letzten Moment von der Polizei festgenommen. Nun stand er vor Gericht

von Nicole Dreyfus  30.10.2025

Barcelona

Mordverdacht: Ermittlungen gegen Sohn von Mango-Gründer

Spanischen Medienberichten zufolge sind die Umstände des Todes des Modeunternehmers Isak Andic im Dezember 2024 noch nicht geklärt. Doch es gibt einen Verdacht

 30.10.2025

München

Europäische Rabbiner sagen Baku-Konferenz aus Sicherheitsgründen ab

Rund 600 Teilnehmer aus aller Welt sind angemeldet. Viel Geld war in die Vorbereitung geflossen

von Imanuel Marcus, Mascha Malburg  28.10.2025 Aktualisiert

Meinung

Antisemitismus der Anständigen

Judenhass in der Schweiz ist brandgefährlich, weil er so höflich und diskret daherkommt

von Zsolt Balkanyi-Guery  27.10.2025