New York

»Man muss laut sein«

Ein Nachruf auf Edgar Bronfman, den früheren Präsidenten des World Jewish Congress

von Hannes Stein  23.12.2013 09:07 Uhr

Edgar M. Bronfman sel. A. Foto: imago

Ein Nachruf auf Edgar Bronfman, den früheren Präsidenten des World Jewish Congress

von Hannes Stein  23.12.2013 09:07 Uhr

Edgar Bronfman war ein Reicheleutekind. Er wuchs in einem Vorort von Montreal in Kanada so auf, wie sich der Kleine Moritz das vorstellt: in einer feudalen Villa mit einem Butler, einem Koch, verschiedenen weiblichen Domestiken, Kinderfrauen, Gärtnern und Chauffeuren, mit Ferienhäusern im Bundesstaat New York und in Lake Placid.

Es war aber trotzdem keine glückliche Kindheit, wie Bronfman später in seinen Memoiren festhielt: »Das hervorstechende Merkmal meiner Kindheit war die Spannung zwischen den Privilegien des Reichtums auf der einen und emotionaler Dysfunktionalität auf der anderen Seite.« Sein Vater, erinnerte er sich, sei kaum da gewesen, und seine Mutter habe ihm die kalte Schulter gezeigt.

Edgars Vater – das war der kanadische Whiskykönig Samuel Bronfman. Sein Geld hatte er in der Zeit der Prohibition gemacht, als die Vereinigten Staaten in einem Anfall von akutem Puritanismus den Alkohol verboten. In Kanada galt dieses Verbot nicht, und die Vereinigten Staaten waren über den Ontario- und den Eriesee gut mit dem Boot zu erreichen; das heißt, man konnte die hochprozentige Ware bequem schmuggeln. In seinen Memoiren schrieb Edgar später, er wisse nicht, wie viel von seinem Vermögen sein Vater mit Schmuggel verdient habe. Es wird ein schöner Batzen gewesen sein. Jedenfalls war er groß genug, dass Samuel die Firma seines Konkurrenten aufkaufte und übernahm: Seagram.

Religion Edgar Bronfmans jüdische Erziehung war widersprüchlich. Einerseits wurde zuhause koscher gegessen, und an den Wochenenden erhielten er er und seine Geschwister eine religiöse Erziehung. Unter der Woche aber besuchte er eine Privatschule, die sich an englischen Vorbildern orientierte. Es gab Schweinefleisch. Zum Schweinefleisch wurde Antisemitismus gereicht. Es habe zwar nie jemand ihn persönlich beleidigt, schrieb Bronfman später, aber herabsetzende Bemerkungen über Juden seien an der Tagesordnung gewesen.

Mit 21 Jahren trat Edgar Bronfman in den väterlichen Betrieb ein. Zu ihren Hochzeiten war jeder dritte hochprozentige Drink, der in den USA ausgeschenkt wurde, ein Produkt der Firma Seagram. Allerdings dauerten diese Hochzeiten nur ungefähr bis zum Ende der 50er-Jahre. Zum Glück hatte Edgar Bronfman seinem Vater schon früh geraten, ins amerikanische Ölgeschäft zu investieren. Durch seine Heirat mit Ann Loeb, der Enkelin eines Finanzmaklers an der Wall Street, wurde die väterliche Firma in den Stand gesetzt, die Texas Pacific Oil and Coal Company zu erwerben. Später – da war Edgar Bronfman längst amerikanischer Staatsbürger geworden – versuchte er, die Kontrolle über Seagram den Händen seines alternden Vaters zu entreißen, ohne Erfolg. Er investierte auch ins Filmgeschäft, mit mäßigem Erfolg.

World Jewish Congress Erinnern wird man sich an Edgar Bronfman vor allem als Präsident des World Jewish Congress (WJC). Bevor er dort die Zügel in die Hand nahm, handelte es sich um einen lockeren Verband von lokalen Organisationen mit wenig Einfluss in der Welt. Bronfman hat den WJC mit großer Energie umgekrempelt und in eine tatkräftige Organisation verwandelt.

Als erster bekam das Kurt Waldheim zu spüren, der über seine Vergangenheit in der deutschen Wehrmacht kräftig gelogen hatte, ehe er österreichischer Bundespräsident wurde. Edgar Bronfman hat diese Wahl nicht verhindert, aber das war auch gar nicht sein Anliegen. Vielmehr ging es ihm darum, Waldheim und seine Wähler gründlich zu blamieren, und das ist ihm gelungen.

In den 90er-Jahren – nach dem Fall der Mauer – kümmerte sich der WJC darum, dass jüdisches Eigentum, das die Nazis geraubt hatten, in Osteuropa den rechtmäßigen Erben zurückgegeben wurde. Ende der 90er-Jahre war der World Jewish Congress der lautstärkste Kritiker jener Schweizer Banken, die Einlagen von Juden gestohlen hatten, die während des Zweiten Weltkriegs ermordet worden waren. Am Ende erreichten Bronfman und seine Mitstreiter, dass die Schweizer Banken den Erben mindestens 1,25 Milliarden Dollar ausbezahlten.

Selbstverständlich hatte Bronfman jede Menge Kritiker; auch jüdische Kritiker. Er war ihnen zu laut, zu wenig diplomatisch. Bronfman entgegnete solchen Leuten, dass es nichts nütze, den Kopf einzuziehen. Man müsse laut sein, wenn man etwas erreichen wolle. »Ich möchte, dass jeder Jude auf der Welt sich in seiner Haut so wohl fühlt wie ich«, hat Edgar Bronfman einmal gesagt.

Am Samstag ist er in Manhattan im Alter von 84 Jahren gestorben – sichrono liwracha.

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