Luxemburg

La Chanteuse

»Das Einzige, was mir Angst macht, wäre, mir vorzustellen, dass ich je etwas anderes machen müsste, als das, was ich tue«: Magali Dahan (37) Foto: PR

Luxemburg

La Chanteuse

Magali Dahan bringt in ihrem neuen Varieté-Programm französische Chansons auf die Bühne

von Emma Appel  30.07.2018 20:21 Uhr

Ihre Show im Luxemburger Kulturhaus »Kinneksbond« ist so gut wie ausverkauft. Die »Gala de la chanson française« findet hier schon seit Jahren statt und zieht Chanson-Liebhaber aus dem ganzen Land nach Mamer am Rande der Hauptstadt.

Die Kulisse kommt peppig daher und gleicht der eines Musicals oder eines Filmsets aus den 60er-Jahren. Da sind eine Vespa, ein rotes Sofa und eine Reihe mit Kinostühlen, auf denen die Tänzer der »Magma Show« kokett Platz nehmen und sogleich beginnen, Klassiker des französischen Chansons, wie Édith Piafs »Je ne regrette rien«, zu singen und in bunten Tüllkostümen zu tanzen.

Aus den Reihen des zwölfköpfigen Ensembles sticht eine Frau hervor, und das nicht nur durch ihre markante Stimme: Magali Dahan. Die 37-Jährige wirkt zerbrechlich und souverän zugleich. Sie strahlt selbstbewusst, und ihre grünen Augen funkeln. Wer sie erblickt, blickt nur auf sie.

Die Gründerin der »Magma Show« und Choreografin der Tanzgruppe ist nach Luxemburg zurückgekehrt, um hier, wo sie 20 Jahre lang lebte, ihre neue Show zu präsentieren, die zwar sehr französisch daherkommt, sich aber zweifellos an ein internationales Publikum richtet. Es ist ei­ne Mischung aus Musical und Varieté.

Jugend Den Wunsch, auf der Bühne zu stehen, hatte Magali Dahan schon als Kind. Im Alter von fünf Jahren besuchte sie eine Ballettklasse. Nach den ersten Schritten war für sie klar, dass sie Tänzerin werden will.

Nach ihrer Schulzeit in Luxemburg, in der sie bereits Gesangs- und Tanzkurse am Konservatorium belegte, zog sie nach Paris, wo sie ein Diplom als Tanzlehrerin machte und sich ins Bühnenleben stürzte. Ab und zu gab sie Tanz- und Gesangsstunden, um sich etwas hinzuzuverdienen. 2009 gründete sie dann gemeinsam mit Maryan Rousset, der als Moderator durch ihre Shows führt, ihre eigene Gruppe: die »Magma-Show«.

Dabei musste sie auch manche Hürde überwinden. »Es war ein steiniger Weg«, sagt Dahan, »und es ist noch nicht vorbei. Ich werde niemals in der Lage sein zu sagen: Ich habe es geschafft.«

Es sei eben nie vollendet, fährt sie fort. Doch genau darin liege der Schlüssel zum Er­folg: »dass du weißt, dass du nie ankommst«. So fasst sie ihren Perfektionismus in Worte. Was sie mit den Shows ihrer Gruppe will, ist der Tänzerin und Choreografin klar: »Ich möchte, dass die Leute bewegt sind und dass sie Glück empfinden.«

Nach ihrer Show in Luxemburg wird sie von einem Filmteam belagert und beantwortet die Fragen ihrer Fans. Dabei strahlt sie und wirkt kokett – und auch ein bisschen abgehoben.

zuhause Magali Dahan führt ein exzessives Diasporaleben, sie ist ständig auf Reisen. Wirklich zu Hause ist sie nirgendwo.

Heimat bleibt für sie ein Stück weit Luxemburg, wo sie geboren wurde, und heute ist es vielleicht auch Paris – aber letztlich ist es wohl überall. »Dadurch, dass ich für meine Arbeit viel reise, habe ich gelernt, mich immer dort zu Hause zu fühlen, wo ich gerade bin«: ob in Europa, Südamerika, unterwegs auf Schiffen oder monatelang in Hotels. Letztendlich ist sie zu dem Schluss gekommen, dass es nicht auf das Land ankommt, in dem man wohnt, und es nicht darum geht, wo man ist, sondern darum, wen man um sich hat. Gern trifft sie sich dabei mit Menschen, die nicht im Showbusiness arbeiten und ihr von ganz anderen Lebensentwürfen erzählen.

herkunft Sehr wichtig sind Magali Dahan ihre jüdischen Wurzeln. Wenn sie von ihrer Kindheit spricht, streicht sie sich durchs Haar und erzählt, dass sie mit vielen jüdischen Bräuchen erzogen wurde. »Ich habe die Traditionen beibehalten«, sagt sie, und man spürt eine gewisse Nostalgie. Auch wenn es manchmal schwer mit ihrer Arbeit zu vereinbaren ist, begeht sie bis heute die jüdischen Feiertage – mitunter jedoch allein, gesteht sie, denn die meisten ihrer Kollegen sind nicht jüdisch.

Aber ob sie an Pessach nun gerade auf Tour in Brasilien oder Schweden ist – »überall habe ich bisher Mazzen gefunden«, sagt sie. »Dadurch halte ich die Verbindung zu meiner Familie. Und diese Verbindung ist sehr stark.« Offenbar braucht es diese Stärke, um die häufige Einsamkeit ertragen zu können.

Im vergange­nen Jahr sang Ma­gali Dahan am Lu­xemburgischen Nationalfeiertag erstmals in der liberalen Gemeinde in Esch/Alzette. Ein Pariser Freund begleitete sie auf der Gitarre. Die Vorbereitung auf den Auftritt war für sie eine gute Gelegenheit, die Lieder Leonard Cohens zu entdecken, dessen Werk sie bis dahin kaum kannte. Es habe sie sehr berührt, sagt sie, in ihrem Geburtsland in einer Synagoge zu singen.

Antisemitismus Manchmal wird Dahan gefragt, ob sie Antisemitismus erlebt. »Am eigenen Leibe nicht«, sagt sie dann und schiebt nachdenklich hinterher: »Ich weiß, dass ich da bisher enormes Glück hatte.« Doch räumt sie zögernd ein, dass sie ihren Magen-David-Anhänger, den sie liebt, weil er ein Familiengeschenk ist, nur selten trägt – »wahrscheinlich auch aus dem Bewusstsein heraus, dass etwas passieren könnte«.

Ihre Herkunft versteckt sie allerdings nicht. So gehört die Choreografie, in der ihre Gruppe den Tanz des orthodoxen Rabbi Jacob aus dem berühmten Louis-de-Funès-Film tanzt, zum festen Repertoire ihrer Shows.

Dass diese Szene, in der die Tänzer mit langen Bärten und Schläfenlocken euphorisch tanzen, falsch aufgefasst werden und Klischees nähren könnte, will sie nicht zulassen. »Ich möchte nicht, dass diese Frage aufkommt! Die meisten Zuschauer finden diesen Tanz witzig, es ist ein fröhlicher Augenblick.« Und letztlich, davon ist sie überzeugt, werde die Fröhlichkeit siegen.

Unter den acht Shows ihres Repertoires gibt es auch eine Weltreise durch die Kulturen, die »Tour du Monde«. Der Tanz des Rabbis gehört dazu, und dazu gehören auch arabische Songs. Die mag sie – vielleicht auch, weil ihre Wurzeln in Ägypten liegen. Ihr Vater wurde in Alexandria geboren. »Ich will in meinen Shows niemanden diskriminieren. Unser Programm ist auf Liebe und Verständigung ausgerichtet«, sagt sie, »es soll die Zuschauer zum Lachen bringen.« In der Regel funktioniere das.

Dahan selbst lacht perlend und wechselt rasant vom Französischen ins Englische und wieder zurück.

Inspiration holt sie sich oft in ihrer Freizeit. Oft geht sie ins Kino, besucht Shows und Konzerte, um neue Nuancen für ihre Auftritte zu entdecken.

Im vergangenen Sommer war sie zwei Wochen in den USA. Eines Morgens wachte sie auf und wusste, dass sie nach New York reisen will. Irgendwie war sie vernarrt in diese Stadt. Dort angekommen, stürzte sie sich ins Bühnenleben – vor allem, um noch mehr zu lernen. »Ich wollte New York kennenlernen und Neues erfahren.«

Dieses Frühjahr verbrachte sie zwei ganze Monate in der Metropole und nahm Kurse. Was fasziniert sie so an Amerika?
»Ich finde es interessant, dass die Choreografen, die ich dort beobachtete, kein Detail außer Acht lassen.« Vor Kurzem, erzählt sie, habe sie sich Videos eines Kollegen angesehen, der Musicals choreografiert. Nichts von dem, was er mache, sei zufällig. Alles werde genau einstudiert, um es an sein Vorhaben anzupassen. Alles sei sorgsam darauf abgestimmt, was für eine Botschaft er transportieren will. »Dafür bewundere ich ihn!«, schwärmt sie.

Doch will sie sich auf kein Vorbild festlegen. »Es gibt Leute, deren Stimme ich bewundere, andere wiederum verehre ich wegen ihrer Vokaltechnik. Daran feile ich schon seit 15 Jahren und weiß, dass es noch viel daran zu arbeiten gibt.« Wieder meldet sich ihr Perfektionismus.

Dahan ist bekannt für ihre Offenheit. Ihre Faszination reicht von spanischer und portugiesischer Folklore bis zu klassischer Klaviermusik. Vielleicht erklärt diese Offenheit, warum sie auf der Bühne so wirkt, als könne sie mühelos von einem Genre ins andere wechseln. Doch dahinter steckt harte Arbeit. Sie scheint den »American Dream« verinnerlicht zu haben: »Dream big. Work hard. Never stop believing that everything is possible«, steht als Motto auf dem Profil ihrer Facebook-Seite.

Hat Dahan keine Zweifel, keine Angst vor dem Scheitern? Ihre Antwort ist entschieden: »Das Einzige, was mir Angst macht, wäre, mir vorzustellen, dass ich je etwas anderes machen müsste, als das, was ich tue.«

Ein Leben für die Arbeit? Nein, neben dem Showbusiness gibt es auch Freunde – und natürlich die Familie! Wo immer auf der Welt Dahan gerade ist, denke sie an ihre Eltern, sagt sie. »Ich versuche, so oft es geht, nach Luxemburg zu kommen, habe meine Eltern ständig am Telefon, sie wissen immer, wo ich gerade bin.«

Die nächste Gala findet am 20. Oktober im »Kinneksbond« in Mamer statt.

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