Wie die britische Tageszeitung »The Guardian« berichtet, wurde die Frau, die Karim Khan, dem Chefankläger am Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag (IStGH), sexuellen Missbrauch vorgeworfen hat, im Rahmen einer verdeckten Operation von privaten Ermittlern ausspioniert.
Auftraggeber der Ausspähaktion soll das Emirat Katar gewesen sein, berichtet der »Guardian« unter Berufung auf Dokumente und mit dem Vorgang vertraute Personen.
In den Unterlagen fänden sich auch private Daten, darunter Pass- und Reiseinformationen, Details über das Privatleben der Frau, ihre früheren Beziehungen, ihre finanzielle Situation, Online-Passwörter sowie Informationen über ihr kleines Kind und andere Familienangehörige.
Nach Verbindungen zu Israel gesucht
Hauptziel sei es gewesen, Beweise zu finden, um der Anwältin, die wie Khan am IStGH arbeitet, Verbindungen zu Israel und dessen Geheimdiensten nachzuweisen, um sie zu diskreditieren und ihre Glaubwürdigkeit zu untergraben.
Die Vorwürfe umfassen sexuelle Nötigung durch einen Vorgesetzen. Bei Dienstreisen und in seinem Büro in Den Haag soll der Chefankläger, der sein Amt ruhen lässt, die Frau zum Sex mit ihm gedrängt haben.
Der britische Jurist bestreitet die Missbrauchsvorwürfe. In seinem Umfeld war zuletzt die Rede von einer von Israel unterstützten Verleumdungskampagne, die das Ziel habe, den Chefankläger zu diskreditieren. Khan hatte im vergangenen Jahr Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und dem damaligen Verteidigungsminister Yoav Gallant schwere Kriegsverbrechen in Gaza vorgeworfen und Haftbefehle gegen die beiden Politiker beantragt. Dem Antrag wurde später von einer Kammer des Gerichtshofs stattgegeben.
Die privaten Ermittlungen seien von einer Firma namens Highgate mit Sitz in London geleitet worden, berichtet der »Guardian«. In Zusammenarbeit mit mindestens einer anderen Firma habe Highgate versucht, mögliche Verbindungen zwischen der Frau und israelischen Behörden oder Geheimdiensten herzustellen. Dokumente, die vom »Guardian« eingesehen werden konnten, deuten jedoch darauf hin, dass keine derartigen Beweise gefunden wurden.
Auch habe der »Guardian« mit Personen gesprochen, die mit den Aktivitäten der privaten Ermittler vertraut seien. Diese hätten angegeben, dass die Operation von einer hochrangigen katarischen Stelle in Auftrag gegeben worden sei. Den Quellen zufolge soll sich Khan mit Vertretern von Highgate zu einem Gespräch getroffen haben. Beweise, die darauf hindeuten, dass der Jurist persönlich in den Spionage-Akt verwickelt sein könnte, fanden die Journalisten aber nicht.
In einer Erklärung bestätigte Highgate, dass man an einer Operation im Zusammenhang mit dem IStGH beteiligt gewesen sei, aber dass diese sich nicht »gegen eine Person gerichtet« habe. Auch dass Katar den Auftrag gegeben habe, wurde von Highgate abgestritten. Die Regierung von Katar habe bisher nicht auf eine Bitte um Stellungnahme reagiert, so der »Guardian« weiter.
Weitere Vorwürfe
Staatsanwalt Khan lässt sein Amt bis zu einer UN-Untersuchung der Vorwürfe gegen ihn ruhen. Im August hatte sich eine zweite Frau mit ähnlichen Vorwürfen gegen Khan gemeldet, die ebenfalls von der UN untersucht werden, so der Bericht.
Khans mutmaßliches, ausspioniertes Opfer wartet seit fast einem Jahr auf die UN-Untersuchung. »Wenn die internationale Gerechtigkeit so aussieht, dann ist es nicht das System, dem ich mein Leben gewidmet habe«, zitiert die »The Guardian«. »Ich habe meine Arbeit immer still und unter dem Radar getan. Ich bin gekommen, um zu dienen, nicht um gesehen zu werden.« ja