Bahrain

Jüdisch am Golf

Als Mitte September in Washington die diplomatischen Vereinbarungen zwischen Israel, den Vereinigten Arabischen Emiraten und Bahrain unterzeichnet wurden, war Ebrahim Dahood Nonoo den Tränen nahe. »Das war wirklich ein historischer Moment«, sagt er. »Ich hätte nicht für möglich gehalten, dass so ein Schritt noch zu meinen Lebzeiten geschieht.«

Nonoo ist Vorsitzender der jüdischen Gemeinde in Bahrains Hauptstadt Manama. Die Gemeinde, die seinen Angaben zufolge 50 Mitglieder zählt, ist die einzige in dem von einem sunnitischen Herrscherhaus regierten Königreich.

SYNAGOGE In Manama betreibt die Gemeinde eine Synagoge, in der zu besonderen Anlässen nach modern-orthodoxem Ritus gebetet wird. Die regelmäßigen Gottesdienste wie etwa zu Kabbalat Schabbat finden aufgrund der kleinen Mitgliederzahl in Privatwohnungen statt. Nahe der Synagoge, die derzeit renoviert wird, gibt es einen historischen jüdischen Friedhof, den die Gemeinde bis heute nutzt.

Einen Rabbiner gibt es in Manama nicht. Hochzeiten, Beschneidungen und Barmizwa-Feiern fanden bislang im Ausland statt.

Doch der Gemeindevorsitzende ist zuversichtlich, dass die diplomatische Übereinkunft zwischen Israel und Bahrain diese Situation bald ändert. »Das Friedensabkommen wird unsere Gemeinde wiederbeleben, wir werden mehr Mitglieder bekommen und die Synagoge richtig nutzen können«, sagt Nonoo, der als Geschäftsmann arbeitet. »Außerdem werden wir einen Rabbiner haben, der auch die Gottesdienste ordnungsgemäß durchführt.«

Für die Mitglieder seiner Gemeinde bringe die Normalisierung der bilateralen Beziehungen viel Positives mit sich, erzählt der Gemeindechef. Dazu gehört die Möglichkeit, von Bahrain nach Israel frei reisen zu können.

Nach der Corona-Pandemie hofft er auf zahlreiche Besucher aus Israel, die sein Land mit seinen rund 1,5 Millionen Einwohnern und die jüdische Geschichte kennenlernen wollen – und sich vielleicht auch dauerhaft am Persischen Golf niederlassen. Schließlich habe Bahrain aus jüdisch-historischer Perspektive eine ganze Menge zu bieten. »Im Königreich Bahrain gibt es seit dem späten 19. Jahrhundert eine jüdische Gemeinde. Sie ist damit die einzige autochthone jüdische Gemeinschaft am Persischen Golf«, sagt Nonoo stolz.

GESCHICHTE Tatsächlich reicht die Geschichte der Gemeinde bis in die Antike zurück, wie talmudische Quellen belegen. Die moderne Geschichte der Juden im heutigen Bahrain beginnt im späten 19. Jahrhundert. Damals kamen Männer aus dem Irak, Iran und Indien auf die Insel im Persischen Golf, um sich als Handwerker, Textilhändler und Perlentaucher neue Einkommensquellen zu erschließen.

In Bahrain, von 1783 bis 1971 britisches Kolonialprotektorat, hatten englische Firmen Zweigstellen eröffnet, die sich insbesondere dem Ankauf von wertvollen Muschelperlen und dem Export von Edelmetallen verschrieben hatten.

Einer der jüdischen Einwanderer war auch Ebrahim Dahood Nonoos Großvater. »Mein Großvater kam als kleiner Junge aus dem Irak, als seine Mutter gestorben war und sein Vater wieder geheiratet hatte«, erzählt er. Mit seiner Stiefmutter sei der Großvater jedoch nicht glücklich geworden, sodass er sich dazu entschied, nach Bahrain auszuwandern. Dort gab es Arbeit.

»Meinem Großvater gelang es, einen Weg zu finden, um Silberfäden aus weggeworfenen Kleidern zu extrahieren und diese dann in einem chemischen Prozess zu Barren zu verschmelzen, die er an eine Firma namens Johnson Matty aus London verkaufte«, erinnert sich der Gemeindevorsitzende.

Der Großvater hatte Erfolg. Schon bald gründete er ein eigenes Geldwechsel-geschäft. Dieses bildete den Grundstein für den wirtschaftlichen Wohlstand der Familie.

Schon in der Antike gab es eine jüdische Gemeinde auf der Insel.

Auch anderen jüdischen Zuwanderern gelang es, sich im britischen Kolonialprotektorat am Persischen Golf zu etablieren. Nach Nonoos Recherchen lebten in den 40er-Jahren rund 800 Juden im Land. Andere Quellen sprechen sogar von 1500. Auf jeden Fall hätten die Gemeindemitglieder die Synagoge in Manama regelmäßig genutzt, erzählt Nonoo.

Die Gottesdienste wurden in einem irakischen Dialekt des Judäo-Arabischen abgehalten. Bis heute haben sich Gemeindemitglieder in Manama diese Sprache erhalten. Obwohl Berichte das Zusammenleben mit der muslimischen Mehrheitsgesellschaft, die – anders als die Königsfamilie Al Khalifah – mehrheitlich schiitisch ist, als friedlich beschreiben, blieb die Gemeinde nicht vor antisemitischen Übergriffen verschont. 1948, als der Staat Israel gegründet wurde, kam es in Manama zu Ausschreitungen, bei denen Gemeindemitglieder verletzt wurden und ein Mob die Synagoge niederbrannte.

Historische Quellen machen für das Pogrom muslimische Einwanderer aus anderen arabischen Ländern verantwortlich. Bahrainische Familien hätten sich schützend vor die Gemeinde gestellt und Verfolgte versteckt.

Dennoch war das Verhältnis von nun an gestört. »Viele Juden verließen Bahrain und ließen sich in Israel nieder«, erzählt Nonoo. Nur eine kleine Gruppe blieb im Land. Seine Familie gehörte dazu.

ZUSAMMENLEBEN »Ich wurde in Manama geboren und jüdisch erzogen«, sagt er. »Das Zusammenleben mit Christen und Muslimen lehrte mich viel über das Christentum und den Islam.«

Die Beziehung zwischen seiner Gemeinde und dem Staat beschreibt Nonoo als ausgesprochen gut. »Die Regierung unterstützt uns.« Die Landeskultur sei von Toleranz geprägt, die kleine Gemeinde fest in die Gesellschaft integriert.

Von 2001 bis 2008 gehörte Nonoo dem Schura-Rat an. Das Gremium wird von König Hamid ibn Isa Al Khalifa ernannt und soll die Regierung in politischen Entscheidungen beraten. Einer von insgesamt 40 Sitzen ist der jüdischen Gemeinde vorbehalten.

»Ich fühle mich in Bahrain zu Hause«, sagt Nonoo. »Ich kann mir nicht vorstellen, woanders zu leben.«

Mexiko

Präsidentschaftskandidatin von Bewaffneten aufgehalten

Steckt ein Drogenkartell hinter dem bedrohlichen Zwischenfall?

 22.04.2024

Meinung

Antisemitische Verschwörungen, Holocaust-Relativierung, Täter-Opfer-Umkehr: Der Fall Samir

Der Schweizer Regisseur möchte öffentlich über seine wirren Thesen diskutieren. Doch bei Menschenhass hört der Dialog auf

von Philipp Peyman Engel  22.04.2024

USA/Israel

Biden: Pessach-Fest ist besonders hart für Familien der Geiseln

Die abscheulichen Gräueltaten der Hamas dürften niemals vergessen werden, sagt der Präsident

 22.04.2024

Ukraine

Mazze trotz Krieg

Kyivs älteste Synagogen-Bäckerei produziert seit Jahrzehnten, und nun auch bei Raketenbeschuss

von Michael Gold  22.04.2024

Pessach

Der eigene Exodus

Wie erlangt der Mensch persönliche Freiheit? Wir haben sechs Jüdinnen und Juden gefragt

von Nicole Dreyfus  22.04.2024

London

Initiative gegen Antisemitismus: Polizeichef soll zurücktreten

Hintergrund ist ein Vorfall bei einer antiisraelischen Demonstration

 22.04.2024

Columbia University

Nach judenfeindlichen Demos: Rabbiner warnt eindringlich

Jüdische Studierende sind auf dem Campus nicht mehr sicher, sagt Elie Buechler

 22.04.2024

London

Polizeichef steht in der Kritik

Die »Initiative Campaign Against Antisemitism« fordert den Rücktritt von Sir Mark Rowley

 21.04.2024

Großbritannien

Der erste Jude in 1000 Jahren

Nick Rubins ist neuer Sheriff von Nottingham – und hat nur bedingt mit Robin Hood zu tun

von Sophie Albers Ben Chamo  20.04.2024