Ungarn

Juden als »Sicherheitsrisiko«

Mit gelbem Stern: Demonstranten vor dem Budapester Parlament am Dienstag Foto: Reuters

Als am Dienstag das ungarische Parlament zusammenkam, trugen mehrere Oppositionsabgeordnete einen gelben Stern auf der Brust. Mit ihrer Aktion wollten sie gegen den rechtsextremen Politiker Márton Gyöngyösi (35) protestieren. Dieser hatte am Montag bei einer Debatte zum Gaza-Konflikt gefordert, »die hier lebenden Menschen jüdischer Abstammung zu erfassen, besonders die im Parlament und in der ungarischen Regierung, die ein Sicherheitsrisiko für Ungarn darstellen«.

Er würde eine solche Registrierung nicht unterstützen, antwortete Zsolt Németh, Staatssekretär der nationalkonservativen Fidesz-Regierung, dem Rechtsextremen am Montag: »Es gibt nicht wirklich einen Zusammenhang zwischen der Zahl von Menschen jüdischer Abstammung in der ungarischen Regierung und dem schlimmen Konflikt im Nahen Osten.«

Distanz Péter Feldmájer, der Vorsitzende des Dachverbandes jüdischer Gemeinden in Ungarn (MAZSIHISZ), zeigte sich enttäuscht von der Reaktion der Regierung. »Ich hätte mir gewünscht, dass der Staatssekretär sich stärker von dem Vorschlag distanziert«, sagte Feldmájer.

Erst am Dienstag erklärte die nationalkonservative Regierung, dass sie »aufs Strengste gegen extremistische, rassistische und antisemitische Äußerungen« auftrete. Sie werde »alle Bürger ihres Landes gegen solche Angriffe verteidigen«. Ein Blogger, der sich im Internet »Jewrnalist« nennt, wies jedoch darauf hin, dass die Stellungnahme der Regierung beinahe wortwörtlich einem Statement vom Juni dieses Jahres entspreche. Damals hatte ein Regierungssprecher den tätlichen Angriff auf den früheren Oberrabbiner von Budapest, József Schweitzer (89), verurteilt.

Reaktion Dieter Graumann, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, hat die EU zu Maßnahmen gegen die rechstextreme Partei aufgefordert. Die Mitgliedsstaaten, das EU-Parlament und die Kommission sollten Budapest »sehr deutlich machen: wer diesen widerlichen Rassismus toleriert, verstößt gegen die elementaren Werte der EU«, sagte Graumann der Nachrichtenagentur AFP. Die Forderung der Partei nannte Graumann einen »ungeheuerlichen Akt von rasendem Antisemitismus, wie man ihn bisher nur aus dunklen Geschichtsbüchern kannte und so in einem Parlament der EU noch nicht erlebt hat«.

Moshe Kantor, Direktor des World Jewish Congress, verurteilte die Aktion von Jobbik aufs Schärfste. Dieser Vorschlag erinnere an die »Selektion« in Konzentrationslagern, in denen Menschen in wünschenswerte und weniger wünschenswerte Menschen, auf die man verzichten sollte, weil sie eine Bedrohung waren, aufgeteilt wurden, sagte Kantor. Jobbik sollte in Ungarn und im Europäischen Parlament gemieden werden.

Blogger Nicht nur in der ungarischen Blogosphäre hat der Vorschlag Márton Gyöngyösis für Empörung gesorgt. Am Dienstag trafen sich mehrere Hundert Demonstranten vor dem ungarischen Parlament. Aus Solidarität trugen auch sie einen gelben Stern auf der Brust. Einem Parlamentssprecher übergaben sie 386 Davidsterne, »damit die Politiker sich mit den ungarischen Juden solidarisch zeigen können«, hieß es in einer Erklärung. István Ujhelyi, Parlamentsvizepräsident und Abgeordneter der postsozialistischen MSZP, leitete die Sitzung am Dienstag mit einem gelben Stern auf der Brust.

Nicht alle finden solche Aktionen hilfreich. MAZSIHISZ-Chef Péter Feldmájer würde sich statt plakativer Aktionen lieber wünschen, dass rassistisch argumentierende Abgeordenete eine Geldstrafe zahlen müssen oder von den Parlamentssitzungen ausgeschlossen werden.

»entschuldigung« Der rechtsextreme Angeordnete Márton Gyöngyösi hat sich inzwischen für seine »missverständliche Formulierung« bei seinen »jüdischen Mitbürgern« entschuldigt. Sein Vorschlag sei nur gegen diejenigen gerichtet gewesen, die neben dem ungarischen auch einen israelischen Pass hätten.

Die in Genf geborene Schweizer Schriftstellerin und Philosophin Jeanne Hersch aufgenommen im März 1999

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